Ali, wie finde ich die Liebe meines Lebens?
„Du bist so zukunftsoptimistisch“, sagen immer wieder Menschen zu ihm. Und das klingt wie ein Vorwurf. Dabei ist es für Ali Mahlodji ganz normal, optimistisch in die Zukunft zu blicken: „Weil ich in einem Flüchtlingsheim aufgewachsen bin, weil ich in Armut gelebt habe, weil meine Klamotten, die ich als Kind hatte, Spenden von der Caritas waren. Weil ich ein Burnout hatte. Ich weiß, wie die Dunkelheit aussieht.“ Und er weiß, dass man den Lichtschalter selbst betätigen muss – sonst bleibt man vielleicht ewig im Dunkeln sitzen.
Heute ist Ali ein internationaler Keynote-Speaker, einer der einflussreichsten Impulsgeber Europas und CEO des Tech- und Medienunternehmens futureOne, das Persönlichkeiten entwickelt. Außerdem ist er ein Mutmacher – und zwar sowohl für Jugendliche, Eltern, Unternehmer und Unternehmerinnen als auch generell für Menschen, die gern die Zukunft mitgestalten möchten. Hast du eine einstündige Autofahrt oder einen langen Spaziergang vor dir? Oder möchtest du dich einfach zurücklehnen, Ohrstöpsel nehmen und dich inspirieren lassen – für deine Karriere, für dein Leben und überhaupt? Perfekt. Dann ist unsere Podcastfolge mit dem sehr persönlichen Interview mit Ali Mahlodji genau das Richtige für dich. Und hier schon mal ein kleiner Einblick in Alis Gedankenwelt.
3 Dinge, die wir von Ali lernen können
#1 Hol dir die Leichtigkeit des Seins zurück
Gleich mal vorweg: Im Außen wirst du sie nicht finden, die Leichtigkeit. Sie versteckt sich – manchmal sehr, sehr gut – in dir selbst. In deinem Mindset. „Um der Schwere der Welt zu begegnen, braucht es die Leichtigkeit des Seins“, sagt Ali. Am Anfang steht hier allerdings die Anstrengung, denn „bevor etwas leicht wird, ist es zunächst schwer“.
Die größte Hürde dabei: „Uns einzugestehen, dass die Erwartungshaltung an die Welt für uns alle eine Täuschung war. Wir haben ja vor ein paar Jahren noch gedacht, unser einziges großes Problem sei, ob wir am Abend Aperol Spritzer trinken gehen sollen oder nicht.“ Dass wir uns den sogenannten Wohlstand erhalten könnten, sei eine große Lüge, so Ali weiter. „Vor der Industrialisierung waren 70 bis 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen Bauern. Die waren Selbstständige. Für die war es normal, mit Unsicherheit umzugehen.“ In der Industrialisierung habe man uns eingeredet, Vollzeit arbeiten zu gehen, dann bekomme man einen fixen Lohn, müsse nicht mehr am Feld stehen und es wird sich um einen gekümmert, solange man seinen Job macht. „Und das hat auch funktioniert – allerdings nur für eine kurze Zeitspanne, für wenige Dekaden, als die Welt noch nicht globalisiert war und wir in unseren Silos arbeiten konnten, ohne zu wissen, was gerade in China, in Afrika oder im Silicon Valley abgeht.“
Doch plötzlich wächst die Welt zusammen – durch technologische Errungenschaften, durch Globalisierungsketten – und jetzt braucht es auf einmal Flexibilität. „Aber wenn du bislang statisch gearbeitet hast, dir gedacht hast, die Politik, der Staat, der Arbeitgeber haben die Verantwortung, dann glaubst du an eine Sicherheit, die nie existiert hat.“ Gott sei Dank zerbreche das gerade, sagt Ali. Wir würden wieder zurück zum Realismus kommen, würden gezwungen werden, selbstständig zu denken. „Viele, die sich die gute alte Zeit zurückwünschen, zerbrechen gerade daran. Die suchen ständig einen Täter, der Schuld an dem Ganzen ist.“ Die würden sich einen Wohlstand zurückwünschen, den es eigentlich gar nicht gebe: „Wir haben uns für ein falsches Bild von Lebensqualität und Wohlstand in ein Hamsterrad begeben, Krankheiten und Burnouts nehmen zu – und das zerbricht gerade, weil wir merken, wir können nicht mehr alles kontrollieren.“
Zum Beispiel die Geschwindigkeit, mit der sich die Welt durch den technologischen Fortschritt wandelt. „Hilfe, da komme ich nicht mehr mit!“, denken sich viele. So what? „Akzeptiere das. Und fokussiere dich auf das Menschliche, auf deine Netzwerke, auf deine Beziehungsebenen.“ Die größte Langzeitstudie der Welt (von Harvard) zeige ganz klar, dass die Frage „Was macht uns langfristig glücklich?“ sehr stark mit der Qualität unserer Beziehungen zusammenhänge. Und zwar vor allem auch mit der Beziehung zu uns selbst.
„Leute, wenn die Maschinen immer besser werden, dann werden wir doch immer bessere Menschen!“, ruft Ali auf. Wir müssten lernen, einen realistischen Optimismus der Zukunft zu haben, und sollten uns nicht von den klassischen Tagesmedien einreden lassen, dass die Welt schlimmer ist als ihr Ruf. „Alle Zahlen beweisen, dass es vor 70 Jahren nicht schöner war – damals, als der Krieg vorbei war, Europa in Schutt und Asche lag. Und ja, wir haben schwierige Themen – den Krieg in der Ukraine, die Situation in Gaza, die Klimakrise – aber ist das wirklich das Einzige, das gerade existiert auf der Welt?“ Und werden all diese Probleme kleiner, wenn wir uns damit selbst in eine Krise stürzen, oder wird die Welt nicht viel eher ein Stück besser, wenn wir im ganz Kleinen anfangen, dort, wo wir den Hebel selbst in der Hand haben: bei uns selbst.
#2 Finde die Liebe deines Lebens: deine Berufung
„Du kannst nicht am Wochenende fortgehen und sagen: Heute treffe ich die Liebe meines Lebens“, erklärt Ali, warum er die Suche nach den eigenen Superkräften, also nach seiner Berufung, gerne mit der Suche nach der großen Liebe vergleicht. „Das kannst du zwar machen, aber dann wirst du alles finden, nur nicht die Liebe. Weil du wahrscheinlich eher abstoßend bist für die anderen, die sich alle denken: Gott, wie verzweifelt ist der oder die denn? So ähnlich ist es beim Ruf deines Lebens – der findet dich und du wirst ihn hören.“
Allerdings nur dann, wenn wir zunächst mal in uns selbst reinhören, wenn wir uns vorbereiten: „Schau dir ganz genau an: Was macht dir aktuell Freude? Worin bist du gut? Mach mehr davon! Dann binde dein Umfeld ein, frag Menschen, die dich seit Jahren kennen, worin sie dich richtig gut finden.“ Außerdem rät er dazu, Dinge zu machen, die man sonst nie machen würde. Denn oft brauche es den berühmten Sprung ins eiskalte Wasser. Das weiß Ali aus eigener Erfahrung: „Ich habe erst mit 32 Jahren gemerkt, dass es mir Freude macht, auf Bühnen zu stehen. Bis dahin habe ich alle Vorträge abgelehnt, weil ich früher gestottert habe, weil ich Angst hatte – ich hab immer andere Leute statt mir geschickt.“ Doch dann kam eine Anfrage für einen Vortrag, wo ausschließlich der CEO gewünscht war. „Und mein Team hat gesagt: ‚Ali, du musst auf diese Bühne gehen! Da haben wir 400 Marketingleute im Publikum – das ist quasi gratis Werbung.‘“ Drei Monate lang hat er Blut geschwitzt, hatte Panik und holte sich Hilfe bei einem Psychiater. „Ich habe alles in diesen Vortrag gesteckt und dann ist es losgegangen. Dann bin ich von einer Konferenz zur nächsten und habe plötzlich gemerkt: Scheiße, das macht ja Ur-Spaß. Davor war es meine größte Angst.“
Genau das mache für Ali Macher aus: „Das sind Menschen, die es trotzdem tun.“ Wer immer nur Dinge macht, die er schon tausendmal gemacht hat, sei ein Wiederholungstäter, aber kein Macher. „Dein Kopf wird dir nicht sagen, was du willst. Geh in die Welt raus, biete dich an, hilf mit, wo du helfen kannst. Mach was Ehrenamtliches. Du musst ins Tun kommen, damit du plötzlich neue Dinge entdeckst, Inspirationen findest, merkst, was die Welt zu bieten hat. Und dann – glaub mir – stehst du da und denkst dir: Jetzt weiß ich es!“ Das sei dann genau der Moment, in dem klar ist, dass man die Liebe seines Lebens gefunden hat. „Du gehst raus, bist du selbst, hast eine Freude; du gehst in einen Club, nur zum Tanzen mit deinen Freunden und nicht, um die Liebe deines Lebens zu finden, sondern einfach nur der Freude wegen. Du bist voll in deiner Kraft, blühst auf, shakest gerade ab, dann gehst du zur Bar, holst dir einen Drink und plötzlich steht da jemand.“
Das Problem unserer Gesellschaft sei, dass uns eingeredet wird: Wenn du mit der Schule oder Uni fertig bist, dann hast du ausgelernt. „Aber dann kommt die KI.“ Und wir scheinen gar nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen kann. Die KI sei aber vielmehr das schönste Geschenk an uns alle. „Viele Menschen haben Angst davor, wollen sie aufhalten, aber laut Experten wird es mit der KI eines Tages so sein wie mit dem Strom aus der Steckdose oder dem Wasser aus der Wasserleitung. KI ist ja jetzt schon in unseren Systemen drinnen. Und die Menschen, die leider nie dazu erzogen worden sind, sich selbst zu entwickeln und in ihrer Persönlichkeitsstruktur zu wachsen, sind halt die, die glauben, die Welt wird untergehen wie im Science-Fiction-Film.“
Menschen auf die Zukunft vorzubereiten, habe viel damit zu tun, ihr Selbstvertrauen zu stärken. „Und Selbstvertrauen bekommst du, indem du lernst, dass Dinge durch Übung besser werden.“ Wir können alle unmöglich wissen, was in zehn Jahren sein wird. „Aber ich kann wissen, wie ich jetzt meine beste Arbeit abliefern kann. Zukunftskompetenz heißt, die beste Version deiner selbst zu werden.“
Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie. Ali liebt dieses Zitat von Nietzsche. „Weil es die Realität des Lebens ist. Die meisten Menschen haben in ihrem Leben keinen wahren Lebenssinn. Ihr Lebenssinn ist es, Karriere zu machen. Ihr Lebenssinn ist es, so wie die Eltern ein Einfamilienhaus zu besitzen.“ Aber wer sagt, dass man überhaupt ein Eigenheim braucht? „Das erzählt uns die Politik aktuell. Aber meine Frau und ich leben unser Leben nicht so, dass wir Geld anhäufen, um es zu vererben. Wir geben es lieber selber aus.“ Ihre beiden Töchter wollen sie vielmehr so erziehen, dass sie in ihrem Leben selbstständig für sich etwas aufbauen. „Wir haben in unserer Gesellschaft eine Welt erschaffen, in der die Leute keinen Sinn mehr sehen. Wenn du heute Menschen fragst, warum sie hier sind, dann schauen sie dich irritiert an.“ Dabei sei das eine ganz normale Frage, findet Ali. „Wenn du dir die Frage beantwortest, dann wirst du merken: Du brauchst nicht mehr die 20 Handtaschen, du brauchst nicht mehr das neueste iPhone. Und wenn du die Leute dann nach einem Jahr wieder triffst, dann sind sie dir dankbar für die Frage.“ Weil sie damit herausfinden, was sie nicht mehr machen wollen und was sie wirklich brauchen. „Die Welt hat gerade eine globale Identitätskrise. Und die Menschen daran zu erinnern, wer sie wirklich sind, das ist die schönste Aufgabe zurzeit.“
#3 If you want a change – be the change
Ali ist oft in Kontakt mit Politikern und Politikerinnen. „Ich schätze die auch sehr, aber das große Problem aktuell ist: Die Leute werden verarscht. Wir erzählen ihnen irgendwas von Wohlstandserhalt. Die Politik müsste vielmehr Real Talk machen. Man muss den Menschen klar machen, dass sie in die Selbstwirksamkeit kommen müssen und nicht hoffen sollen, dass sie jemand rettet.“ In vielen Bereichen sei es längst fünf vor oder auch schon fünf nach zwölf – etwa im Bereich der Pflege oder Bildung. Dennoch ist er überzeugt: „Was wir selbst in der Hand haben, ist unfassbar viel!“
Einige Beispiele zählt er auch gleich mal auf: „Wenn du das Gefühl hast, keiner kümmert sich um Kinder, geh in deiner Freizeit in ein Jugendcamp und biete an, dort zu helfen. Wenn du das Gefühl hast, die alten Menschen vereinsamen, such dir in deinem eigenen Umfeld eine ältere Person und sei für sie da – oft reicht es schon, einfach mal kurz mit ihr zu quatschen. Wenn du das Gefühl hast, das Thema Diversity ist an deinem Arbeitsplatz nicht gegeben, setz dich dafür ein: Beginne, andere dafür zu sensibilisieren.“ Und wer das Gefühl habe, es gebe zu wenig unternehmerische Power im Land, dem rät er, selbst Unternehmer zu werden.
Werfen wir wieder mal einen Blick in die Vergangenheit. In der Nachkriegszeit standen unsere Vorgenerationen mit dem Rücken zur Wand – ihre Vision war damals: Unseren Kindern soll es mal besser gehen als uns! Und sie haben eine Welt aufgebaut, von der damals keiner zu träumen gewagt hätte. „Wir leben in der besten aller Welten in Österreich und deshalb sollten wir dieses Privileg hernehmen und uns fragen: ‚Hey, es gibt so viele Baustellen in der Gesellschaft, was ist mein Beitrag dazu, diese zu lösen?‘ Und das ist das unternehmerische Mindset eines echten Machers oder einer echten Macherin.“ Wer sich dabei ertappt, zwei Tage hintereinander über dasselbe Thema zu jammern, dem rät Ali: „Überlege dir sofort, was du dagegen tun kannst, und hör auf, darüber zu jammern.“ Dieses Mindset würden wir alle brauchen. „Nicht nur die Unternehmer und Unternehmerinnen, sondern auch die Menschen, die in Unternehmen arbeiten.“
Allen Führungskräften rät Ali, schon beim Hiring Tacheles zu reden. „Du musst der Person klarmachen, dass du sie im Team haben willst, weil sie selbstverantwortlich ist.“ Und dann gehe es darum, dieser Person zu ermöglichen, über sich selbst hinauszuwachsen. Außerdem müssten Führungskräfte von heute dafür sorgen, dass die Teams und die verschiedensten Kulturen und Generationen untereinander in eine schwingende Organisation kommen. „So, dass intern Ideenhubs und eigene Circles entstehen, wo sich die Leute selbst organisieren.“ Wer immer noch eine Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ verspürt, dem möchte Ali eines noch sagen: „Wir können uns noch gar nicht vorstellen, wie geil es noch wird!“_
# Anatomie eines Machers
mit Ali Mahlodji
Das geht mir gerade durch den KOPF_Ich realisiere wieder mal, dass all meine Unzufriedenheiten in meinem Leben nur daraus resultieren, weil ich bei manchen Dingen abgewartet und nicht proaktiv gehandelt habe.
Mein HERZ schlägt schneller, wenn_mich die Inspiration plötzlich packt, ich ein Bild vor mir sehe und mir denke: Das ist es! Ich mache seit vielen Jahren nur mehr Dinge, die mich intrinsisch rufen. Ich mache nichts mehr aus einer wirtschaftlichen Überlegung heraus, also weil mein Kopf sagt, das wäre die logische Weiterentwicklung. Und manchmal muss ich wochenlang warten, bis mich plötzlich etwas trifft, aber dann schlägt mein Herz so schnell und dann entsteht ein neuer Plan.
Diesem Menschen würde ich gern mal die HAND schütteln_Angela Merkel! Sie hat es geschafft, diesen globalen politischen Männerverein in Schach zu halten und dabei sich selbst treu zu bleiben – mit so wenig Ego.
Dorthin sollen mich meine FÜßE in Zukunft tragen_zu mir selbst.
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Ali Mahlodji;
Stefan Joham