Soll ich? Oder soll ich nicht?
Den Job wechseln. Weil sich der aktuelle nicht mehr richtig anfühlt. Die Sehnsucht nach Sinn wird größer, der Gedanke „Vielleicht ein Gesundheitsberuf?“ taucht immer öfter auf. Aber dann kommen die Zweifel: Bin ich nicht zu alt? Schaffe ich das? Passt das überhaupt zu mir? Ines Deuschl vom BFI Oberösterreich kennt diese innere Zerrissenheit. Und sie weiß: Es gibt einen Weg zur Klarheit. In fünf Schritten.
„Ich will Menschen helfen“, „Ich will etwas Sinnvolles tun“ oder „Ich will noch mal neu anfangen“ – Sätze wie diese hört Ines Deuschl täglich, wenn sie Menschen auf dem Weg in Gesundheitsberufe begleitet. Sie leitet am BFI Oberösterreich den Bereich Gesundheit und Soziales. Seit 20 Jahren kennt sie diese Momente, in denen die Sehnsucht nach Veränderung mit der Angst vor dem Unbekannten ringt. „Zwischen dem ersten Gedanken und der Entscheidung liegt oft ein weiter Weg“, sagt sie. Ein Weg voller Fragen, Unsicherheiten, manchmal auch Selbstzweifel. Doch es gibt einen Fahrplan zur Klarheit – fünf Schritte, die helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.
#1 Stell dir die 5 W-Fragen
Wer soll deine Zielgruppe sein – Kinder, alte Menschen, Menschen in Akutsituationen? Was genau willst du machen – pflegen, therapieren, im Labor arbeiten? Wo willst du tätig sein – im Krankenhaus, in der ambulanten Pflege, in einer Ordination? Wann passt das in dein Leben – jetzt sofort oder in einem Jahr? Und die wichtigste Frage, die alles andere zusammenhält: Warum interessiert dich das wirklich? „Wenn man sich das ehrlich überlegt, wird vieles schon klarer“, weiß Ines. Diese Fragen sind wie ein innerer Kompass, der die Richtung weist, auch wenn der Weg noch nicht im Detail erkennbar ist.
#02 Mach den Realitycheck
Die Vorstellung von einem Gesundheitsberuf und die Realität klaffen manchmal weit auseinander. Schichtdienst, körperliche Belastung, emotional herausfordernde Situationen – all das gehört dazu und wird in der ersten Begeisterung oft ausgeblendet. Deshalb: Geh in die Praxis, bevor du dich entscheidest, erlebe den Alltag, bevor du dich festlegst. Hospitationen und Schnuppertage sind der beste Weg zur Selbsteinschätzung, weil sie zeigen, was hinter der Vorstellung steckt.
#03 Pack deinen Rucksack aus
„Ich spreche gerne vom Rucksack der Erwachsenen“, sagt Ines. In diesem Rucksack, den jeder mit sich trägt, steckt vieles: Wissen, Lebenserfahrung, oft auch ganz besondere Talente. Gleichzeitig sind darin aber auch Zweifel, Unsicherheiten und Erwartungen – die eigenen und die von außen, die erlernten und die aufgezwungenen. Was gehört nach vorne, was ist wichtig für den neuen Weg? Und was ist Ballast, der leichter werden darf? Frag dich: Welche Eigenschaften bringe ich mit? Neben Empathie brauche es auch Stressresistenz, Verantwortungsbewusstsein, Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie körperliche und psychische Belastbarkeit. Und die gute Nachricht, die Ines immer wieder betont: „Vieles kann man sich aneignen.“ Professioneller Umgang mit Stress, der Spagat zwischen Nähe und professioneller Distanz – all das sind Fähigkeiten, die in Ausbildungen vermittelt werden, die man lernen kann, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen.
#04 Räum die Hürden aus dem Weg
„Bin ich nicht zu alt?“ Diese Frage hält mehr Menschen davon ab, den Schritt zu wagen, als jede andere. Ines’ Antwort ist so eindeutig wie ermutigend: „Eigentlich ist man für einen Quereinstieg in einen Gesundheitsberuf nie zu alt.“ Gerade im Gesundheitswesen werden Menschen mit Lebenserfahrung geschätzt – für ihre Reife, ihre Gelassenheit, ihre Menschenkenntnis.
Und die Finanzierung? Auch hier gibt es mehr Möglichkeiten, als viele denken. Für einige Ausbildungen – etwa in der Altenarbeit oder der Pflegefachassistenz – werden die Kosten zur Gänze durch das Land übernommen. Der Lebensunterhalt wird durch das Pflegestipendium unterstützt, für medizinische Assistenzberufe kommt das Fachkräftestipendium in Frage. Es gibt Teilzeitmodelle, Blended-Learning-Formate, flexible Kurszeiten – die Hürden sind heute deutlich niedriger als früher.
#05 Triff die Entscheidung
Am Ende bleibt die Frage, die sich nicht delegieren lässt: Soll ich? Oder soll ich nicht? Manchmal braucht es einfach den Mut, den ersten Schritt zu machen, ohne dass alle Zweifel ausgeräumt sind. „Viel wichtiger als das Alter ist die Motivation, sich auf Neues einzulassen, mit Menschen zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen“, sagt Ines, und in ihrer Stimme schwingt die Erfahrung von zwei Jahrzehnten mit, in denen sie Menschen genau an diesem Punkt begleitet hat._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Gettyimages / Iryna Pasichnyk; Macher Media House