Dresscode: Heimatliebe made modern
Man kann sich über die Generationenkluft beklagen – oder man kann sie überwinden, sich zusammensetzen und gemeinsam etwas Neues schaffen. Für Letzteres haben sich unsere Interviewpartnerinnen entschieden. Das Resultat: ein frisches neues „Kleid“ für das OÖ Heimatwerk.
Maria Huber, seit über dreizehn Jahren in der Leitung des OÖ Heimatwerks, sitzt entspannt auf der Glasplatte eines rustikalen Holztisches in der Mitte des Raumes. Wir befinden uns im oberen Stockwerk der Heimatwerk-Filiale auf der Linzer Landstraße. Der dunkelgrün-gold gemusterte Rock von Marias Dirndl ergänzt sich perfekt mit dem Kleid ihrer Nachfolgerin Chiara Steiner, die es sich auf einem dunkelvioletten Sessel neben ihr bequem gemacht hat.
Stabwechsel mit Stil
Die eine gerade frisch in ihre Karriere startend, die andere bereits kurz vor der Pension – doch eine Sache verbindet die beiden Frauen: ihre Liebe zur Tracht. „Als Kind hat mir meine Oma mein erstes Dirndl genäht“, erzählt Chiara lächelnd. „Obwohl ich in Graz aufgewachsen bin, hat meine Oma in Linz gelebt. Wenn ich bei ihr war, haben wir oft unsere Dirndl getragen und sind darin zum Südbahnhofmarkt gegangen. Auch heute fühle ich mich in einem Dirndl einfach sehr wohl.“ Für Maria hat das traditionelle Gewand ebenfalls eine besondere Bedeutung: „Ich komme aus der Mondsee-Region, wo Tracht stark verankert ist.“
Zwei Dirndl, ein Herzschlag
Als Maria eine geeignete Nachfolgerin suchte, schien Chiara die perfekte Wahl. Im Mai 2024 begann Chiara ihre Arbeit im Heimatwerk mit dem Ziel, ein Jahr später die Geschäftsführung vollständig zu übernehmen. In wenigen Monaten so viele Jahre Erfahrung weiterzugeben, ist eine Herausforderung. Chiara folgt ihrer Vorgängerin daher wie ein Schatten, notiert sich Abläufe und lernt intensiv von ihrer Mentorin. „Ich telefoniere momentan öfter mit Maria als mit meiner Mama“, lacht Chiara. Denn, so sagt sie: „Es gibt einen Grund, warum das Heimatwerk heute so gut dasteht – und der Grund ist auch Marias Führungsstil.“ Besonders Marias Spontaneität und ihre Fähigkeit, eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen, imponieren ihr. Der langjährigen Managerin ist das Klima im Betrieb ein großes Anliegen gewesen. „Mir war immer wichtig, mit allen eine gute Beziehung zu haben – ob Kundschaft, Lieferanten oder Mitarbeitende. Solche Menschen, die man als Mitarbeiter hat, müsste man auch als Freunde haben wollen.“
Maria ist bereit, loszulassen und in den Ruhestand zu gehen – ein Schritt, den sie so entspannt machen kann, weil sie volles Vertrauen hat, dass Chiara das Heimatwerk in eine schöne und vor allem neue Zukunft führen wird: „Die Dinge sollen ja gar nicht so bleiben, wie sie immer waren. Sie sollen besser, neuer und jünger werden.“ Und was sagt Chiara? „Ich glaube, das Wasser wird nicht wärmer, nur weil man länger wartet, bevor man hineinspringt.“ Vor Herausforderungen scheint die junge Frau keine Scheu zu haben. „Die Möglichkeit, etwas zu verändern und neu zu gestalten, war der Grund, warum ich mich für die Position beworben habe. Meine Aufgabe ist es, den Bogen zwischen Tradition und Moderne zu spannen.“ Seit ihrem Einstieg im Mai 2024 verfolgt sie diesen Ansatz energisch: ein Update für den Onlineshop hier, ein modernes Store-Konzept da, und nebenbei noch ein verstärkter Social-Media-Auftritt. Und natürlich betrifft ihr Innovationseifer auch das Aushängeschild des Heimatwerks – die Kleidung.
Moderne Heimatliebe
Ein bisschen jünger, ein bisschen moderner, ein bisschen mehr an aktuelle Modetrends angelehnt – und dennoch zeitlos, wie es sich für eine Tracht gehört. Das beschreibt die neue Kollektion, an der Chiara und Maria gemeinsam gearbeitet haben, ziemlich gut. Das Ziel, das die beiden beim Entwerfen vor Augen hatten: eine Brücke zwischen traditioneller Tracht und moderner Alltagsmode schlagen. „Wir wollen Tracht alltagstauglicher machen, mit Stücken, die sich sowohl mit einem klassischen Trachtenrock als auch mit einer eleganten Hose fürs Büro kombinieren lassen.“ Und vor allem soll das Heimatwerk mit seinen Produkten auch eine breitere Zielgruppe ansprechen „Trachtenmode erlebt gerade eine Renaissance – auch bei jungen Menschen“, merkt Maria an. In Verbindung mit der Nachfrage nach nachhaltiger und regional produzierter Mode spielt dieser Trend dem Geschäft bereits jetzt in die Karten. Dennoch
will man noch moderner werden. Kleidung schaf- fen, die alle Altersgruppen anspricht. Wie das gelingt? „Maria und ich haben über jedes Stück sehr viel diskutiert, jede von uns hat ihren Part beige- tragen. Schlussendlich haben wir uns immer auf eine Lösung geeinigt, die für Jung und Alt passt.“ Und dass das gelungen ist, das beweisen die Outfits der beiden. Alle Stücke stammen aus der neu- en Kollektion. Beide tragen traditionelle Dirndl; während Maria zu ihrem jedoch eine klassische weiße Bluse kombiniert hat, lugt unter Chiaras Kleid ein Oberteil aus schwarzer Spitze hervor, das dem Outfit einen jugendlichen Touch verleiht.
Maria und Chiara sehen die aktuelle Kollektion als eine Art „Einstiegskollektion“ – als einen ersten Schritt, der viel Raum für Learning by Doing bietet. Auch für die erfahrene Geschäftsführerin, denn eine eigene Kollektion dieser Größenordnung gab es im OÖ Heimatwerk noch nie. Mit den Erfahrungen und dem Feedback aus dieser ersten Phase wollen Maria und Chiara nächstes Jahr die komplette Kollektion groß launchen. Einige Stücke hängen bereits im Geschäft und sind sogar schon verkauft worden, ganz zur Freude der beiden Designerinnen, denn, wie Maria aus Erfahrung spricht: „Das erste Stück aus einer Kollektion zu verkaufen, ist das beste Gefühl.“ Dass viele weitere folgen werden, steht nach diesem Kennenlernen außer Frage._
Über die neue Kollektion
Die neue Kollektion verkörpert die Vision, die Chiara Steiner für das OÖ Heimatwerk hat: die Tracht alltagstauglicher zu machen. Blusen, die sich mit einem klassischen Trachtenrock kombinieren lassen, die man aber genauso zu einer schönen Hose ins Büro anziehen kann. Moderne Stickereien und neue Materialien treffen auf klassische Schnitte und Stoffe.
Redaktion
Fotos
Antje Wolm