Wie holen wir die Kohlen aus dem Feuer
Was für die Damenwelt die Luxushandtasche ist, ist für Männer der Grill. Haben wir damit alle Klischees bedient? Gut! Dann reden wir jetzt über den Wert heimischer Produktion, die Industrie, die ihr zugrunde liegt und die Standortbedingungen, die es dafür braucht. Mit IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch. In der Weber Grill Academy in Marchtrenk.
Müssen wir auch die Standortpolitik hierzulande grillen? Sein Schmunzeln kann sich Joachim Haindl-Grutsch bei dieser Frage kaum verkneifen. Der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung OÖ steht auf der Terrasse der Weber Grill Academy und blickt in die Stichflamme, die sich entfacht, als er ein Ribeye-Steak auf den Rost legt. An wen er in diesem „hitzigen Moment“ wohl denkt? Wir versteifen uns nicht darauf. Sondern stoßen ernste Töne an – während Gastgeber und Geschäftsführer Benedikt Mitterlehner sowie seine Grillprofis Semir und Christian für eine wohlige Atmosphäre sorgen und uns in die hohe Kunst des Grillens einweihen.
Nicht unnötig Öl ins Feuer gießen
Noch vor der Ankunft in Marchtrenk stellen wir fest: Ohne die Industrie wäre dieses außergewöhnliche Interview keineswegs möglich. Sei es die Anfahrt mit dem Zug oder Auto, das Gebäude, in dem wir uns befinden oder die Vielzahl an Produkten, die hier verkauft oder für Kurse verwendet werden. Auf direktem oder indirektem Wege ist all das mit der Industrie verbunden. „Wenn man ihren gesamten Beitrag für einen ganzen Tagesablauf skizziert – von früh morgens bis zum Schlafengehen – kann allein die oberösterreichische Industrie alle 24 Stunden abdecken“, hebt Haindl-Grutsch die Bedeutung hervor.
„Ich glaube, all dieser Wohlstand und das, was die Industrie und Unternehmen des Landes dafür leisten, ist in vielen Köpfen zu selbstverständlich geworden. Es ist ein Problem unserer Zeit, dass wir verlernt haben, was für attraktive Preise und Dienstleistungen auch alles getan werden muss“, gibt der Macher am Grill zu bedenken, während er die Gräten aus der Bachforelle zupft. Im Anschluss wird diese gewürzt, mit Räucherspeck und Kren verfeinert. Aufgerollt und sorgfältig zusammengebunden gart das Fischgericht dank Zedernholzbrett lediglich bei indirekter Hitze. Ein gutes Stichwort: Die „Hitze“ aus der Debatte nehmen und sich auf das Wesentliche besinnen. „Viele haben noch nicht erkannt, dass wir in einer völlig anderen Zeit leben, die Europa und ganz besonders Österreich vor neue Herausforderungen stellt. Das ist nüchtern betrachtet schlichtweg so, weshalb wir uns diesen stellen müssen. Oder eben damit zurechtkommen, dass unser Wohlstand sinkt.“
Bloß nicht die Finger verbrennen
Feststeht: Nicht nur der Grillrost ist ein „heißes Eisen“, sondern auch die derzeitige Lage, um international konkurrenzfähig zu bleiben. „Der große Unterschied zu manch anderen Teilen der Wirtschaft ist: Die Industrie muss sich im Gegensatz zu ihnen im weltweiten Wettbewerb messen und am globalen Markt beweisen.“ Gerade dann, wenn andere Nationen am Vormarsch sind, geraten die Betriebe hierzulande unter Druck. „China hat als prominentestes Beispiel industriell stark aufgeschlossen und bietet jetzt Produkte mit vergleichbarer Qualität, aber zu niedrigeren Kosten. Während wir hingegen durch die hohe Inflationsrate intensive Kostensteigerungen hatten. Daher befinden wir uns nun in einer Situation, in der wir nicht mehr um das nötige Ausmaß besser sind, das die höheren Preise rechtfertigen würde. Unsere Stärken der letzten Jahrzehnte sind nicht mehr herausragend genug.“ Am Beispiel der Schweiz sei zu erkennen, wohin die Reise gehen müsse. „Dort erzielt man regelmäßig Top-Platzierungen in internationalen Rankings – sprich, sie sind mit ihrer Qualität, für die sie in der ganzen Welt bekannt sind, einfach um so vieles besser, was sie zugleich auch teurer sind. Für uns bedeutet das: Platzierungen im oberen Mittelfeld reichen nicht mehr aus, wir brauchen Exzellenz.“
Leichter gesagt als getan. Denn weder Fisch noch Fleisch sind zum einen die vegetarischen Gerichte, die bei gleichmäßiger Hitze auf dem Plancha Grill vor sich hin brutzeln – es gibt Mangold, Paprika, Champignons und geröstete Pinienkerne, die auf Polenta oder Erdäpfelsalat serviert werden. Im übertragenen Sinne gilt es aber auch für den Umgang mit dem Ernst der Lage. „Sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch in Teilen der Politik haben die wenigsten auf dem Schirm, wie viel weniger bereits in Österreich investiert wird. Die Verlagerung der Industrie ins Ausland ist voll im Gange, bei uns werden Arbeitsplätze und Produktionen abgebaut, die wiederum in anderen Ländern aus- und aufgebaut werden.“ Eine Entwicklung, die für den Standort und dessen Attraktivität Gift sei. „Die Alarmglocken läuten – bei uns und in Deutschland braucht es eine 180-Grad-Wende.“
„Man soll das Dach reparieren, wenn die Sonne noch scheint“
Während sich die Situation als „sinkende Titanic, auf der noch immer fröhlich gefeiert wird“ zusammenfassen lässt, gebe es aber auch Lichtblicke. „Die positive Nachricht ist, man kann das Ruder herumreißen, aber es dauert natürlich seine Zeit, bis der Tanker seinen Kurs ändern kann.“ Die zwei größten Hebel sieht der Experte in einem Reparaturpaket der Politik sowie einem damit verbundenen Umdenken. Und in der Förderung des Leistungsgedankens, der das Land historisch aufgebaut hat. „Wir müssen den inflationsbedingten Kostenrucksack durch Senkung der Steuern und Nebenkosten wieder absetzen. Auch die ‚Vollkasko-Mentalität‘, die sich in den vergangenen Krisenjahren eingeschlichen hat, ist nicht zeitgemäß. Die Zahlen belegen eindeutig: Länder, die etwa während Corona weniger subventioniert haben, sind schneller aus der Krise gekommen. Übermäßige Subventionen führen immer zu Fehlallokationen, zu planwirtschaftlichen Entwicklungen, die mittel- und langfristig negativ für den Standort sind.“
Zudem müsse sich Leistung wieder lohnen. „Wer mehr arbeiten will, muss belohnt statt bestraft werden – wir brauchen dafür steuerfreie Überstunden und die Möglichkeit, auch in der Pension noch freiwillig und frei von Abgaben arbeiten zu dürfen.“ In weiterer Folge gehe es darum, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und diese noch mehr zu forcieren: „Die Lehre, die duale Ausbildung und generell unsere naturwissenschaftlichen technischen Kompetenzen sind ein wichtiges Aushängeschild. Dank ihnen können wir besser als der Rest der Welt die Produktionsprozesse in der Industrie gestalten. Und das wird es brauchen.“ Denn die heimische Industrie nicht halten zu können, sei durch den internationalen Druck ein Spiel mit dem Feuer, das wir nicht verlieren dürfen._
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Redaktion
- David Bauer
Fotos
Antje Wolm