Wenn Fische fliegen lernen
Wie kann es gelingen, Menschen mit Beeinträchtigungen am ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und gleichzeitig für die Unternehmen und Betroffenen ausreichend Sicherheit zu schaffen? Wir haben mit Wolfgang Hattmannsdorfer, Landesrat für Soziales, Integration und Jugend, über den Prozess „Arbeit und Inklusion“ gesprochen und darüber, warum ihn das Thema persönlich bewegt.
Ein Mitarbeiter bei Bellaflora schmückt die Christbäume. Ein Lächeln ziert sein Gesicht. Er freut sich offensichtlich, Teil eines Teams zu sein, das ihm das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Anderer Schauplatz: die neue XXXLutz-Filiale in Linz. Fleißige Hände verteilen Eröffnungsgeschenke und begrüßen die Kundinnen und Kunden. Eine Erfahrung, die für sie nicht alltäglich ist. Von diesen beiden Beispielen erzählt uns Wolfgang Hattmannsdorfer gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Denn diese Begegnungen mit Menschen mit Beeinträchtigungen, die den Sprung in den Arbeitsmarkt geschafft haben, haben ihn berührt. „Diese Menschen können ein Vorbild für uns alle sein, denn sie sind mit so einer Motivation und Freude dabei.“
Fünfzehn Prozent der Bevölkerung leben mit einer Behinderung. Und dennoch zahlen drei Viertel der österreichischen Unternehmen lieber eine Ausgleichstaxe, anstatt wertvolle Talente zu nutzen. Wie kann man dies in Oberösterreich ändern?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Für mich ist es eine Frage der sozialen Verantwortung, dass wir auch für jene Menschen da sind, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Wir möchten im Sinne der Inklusion sicherstellen, dass Oberösterreich ein Land der Arbeit für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen ist. Deswegen haben wir den Prozess „Arbeit und Inklusion“ durchgeführt, in dem wir mit 25 konkreten Maßnahmen einen Beitrag leisten wollen, sodass Menschen mit Beeinträchtigung am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
Wie kann es gelingen, diese Menschen raus aus den Werkstätten zu holen und ihnen eine echte Chance am Arbeitsmarkt zu geben?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Wichtig ist, eine Sicherheit auf beiden Seiten zu schaffen. Einerseits, dass die Betroffenen die Gelegenheit haben, in den geschützten Bereich zurückzukehren, wenn es doch nicht klappt; und andererseits, dass auch den Unternehmen eine Sicherheit vermittelt wird, wenn sie diese Menschen beschäftigen. Wir etablieren deswegen einen gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser, bei dem die Betroffenen angestellt sind und der sie an die Betriebe vermittelt. Wenn alles gut läuft, müssen die Betriebe die Menschen dann nach einem Jahr übernehmen. Darüber hinaus schaffen wir einen Lohnzuschuss für die Betriebe und wir bauen auch das Beratungsangebot für die Unternehmen aus und bündeln es an einer zentralen Stelle.
Warum ist es so wichtig, die Potentiale von Menschen mit Beeinträchtigungen zu nutzen?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Es gibt Menschen, die im Arbeitsumfeld nicht in dem Ausmaß leisten können, wie Leistung in unserer Gesellschaft gemeinhin interpretiert wird. Gerade in einem starken Land der Industrie wie Oberösterreich müssen wir sicherstellen, dass sich diese Menschen auf uns verlassen können. Wir sind in unseren Unterschieden gleich und es geht mir deshalb um eine Gerechtigkeit der Chancen. Corporate Social Responsibility wird ohnehin ein immer größerer Erfolgsfaktor für Unternehmen und dies kann auch ein Anstoß sein, Menschen mit Beeinträchtigungen zu integrieren und sichtbar zu machen.
Können Sie von Best-Practice-Beispielen berichten?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Da fallen mir die Gewinner des oberösterreichischen Inklusions-preises ein. Beim Sieger, Trumpf Maschinen, haben beispielsweise 35 Prozent der Jugend-lichen, die dort in Ausbildung sind, eine Beeinträchtigung. Bei Fronius werden seit mehr als 20 Jahren gemeinsam mit der Lebenshilfe Pettenbach integrative Beschäftigungsplätze geschaffen, die direkt in den Produktionsablauf integriert sind. Und beim Gemüsebau Haiß übernehmen Menschen mit Beeinträchtigung den Warentransport, die Präsentation, die Beratung und den Verkauf. Der Inklusionspreis ist ein richtiges Highlight in der Soziallandschaft geworden und sein Name – „Der fliegende Fisch“ – ist Programm. Denn wenn Fische fliegen lernen und gemeinsam mit den Vögeln unterwegs sind und es die Grenze der Wasseroberfläche nicht mehr gibt, dann ist dies genau das, was Inklusion ausmacht. Und siegt die Inklusion, gewinnen wir alle!
Redaktion
Fotos
Land OOE / Antonio Bayer