Ukraine-Krieg: Wie neutral bleibt Österreich?
Rund 40 Jahre bevor Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, wurde die Neutralität des Landes gesetzlich festgeschrieben. Mit dem offiziellen Neutralitätsgesetz bekennt man sich seit 1955 zur militärischen Bündnisfreiheit. Einzig die Beteiligung an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik stellt zum Teil eine Ausnahme dar – zur Freude vieler Österreicher:innen. Laut eines neuen Stimmungsbarometers finden immerhin neun von zehn Befragten diese Neutralität wichtig, davon 70 Prozent sogar sehr.
Während gerade mal sechs Prozent der heimischen Bevölkerung keinen großen Wert darauf legen, steigt durch die jüngsten Ereignisse in der Ukraine das Neutralitätsbekenntnis bei fast allen Befragten im Kurs. „Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten gewinnt die Neutralität hierzulande noch weiter an Stellenwert. Gegenüber unserer letzten Umfrage vom Februar 2019 ist etwa die Zahl jener, denen sie ‚sehr wichtig‘ ist, um 14 Prozentpunkte gestiegen“, erklärt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
Solidarität trotz Neutralität
Es scheint aber, dass es in erster Linie um die Enthaltsamkeit bei militärischen Interventionen gehe. Denn rund 83 Prozent der Österreicher:innen sprechen sich bewusst dafür aus, man solle ukrainische Geflüchtete aufnehmen und die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen. Die europäische Solidarität gewinne gerade in Notzeiten an Bedeutung, so Schmidt. „Jene Länder, die wie Polen oder Ungarn unmittelbar an die Kriegsregion angrenzen und von der Fluchtbewegung direkt betroffen sind, brauchen unsere volle Unterstützung. Die von so manchem EU-Mitglied oft als Einmischung in innere Angelegenheiten geschmähte europäische Solidarität wird somit zu einer dringend notwendigen und positiv gelebten Praxis“, erklärt der Experte die momentanen Entwicklungen.
Diese Trendwende bei den „Einmischungen“ der EU spürt man auch hierzulande. „Eine Mehrheit der Österreicher:innen möchte, dass die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik verstärkt wird und befürwortet die gegen Moskau verhängten Sanktionen“, so Schmidt. Ein Beitritt zur NATO werde jedoch zurzeit ebenso abgelehnt wie eine etwaige EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Damit schwimmt man innerhalb Westeuropas gewissermaßen gegen den Strom. „Anders als in den bündnisfreien Ländern Finnland und Schweden ist in Österreich die Befürwortung eines NATO-Beitritts rückläufig“, sagt Schmidt. Der Krieg scheidet die Geister, jedoch vorrangig rund um das Thema Neutralität. Denn womit die Österreicher:innen den Betroffenen in der Ukraine zweifelsohne begegnen, ist Solidarität.