„Kein Weltuntergang“
„Vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, wenn die Briten die EU verlassen?“, wirft Christian Kesberg, Österreichs Wirtschafsdelegierter in London, eine provokante Frage in die Runde und führt weiter aus: „Wollen wir in der EU ein Mitglied, bei dem die Hälfte der Bevölkerung Europa verabscheut und dass bei den nächsten Schritten dann überall auf der Bremse steht? Vielleicht öffnet der Austritt den Weg in die Zukunft, wie wir uns Europa vorstellen“, sagt Kesberg. 2018 sei das Wirtschaftswachstum in Großbritannien mit 1,3 Prozent bedeutend niedriger gewesen, als es sein hätte können. Die von manchen vorausgesagten Katastrophenszenarien und die schwere Rezension sei aber bisher nicht eingetreten. Die britische Wirtschaft schrumpfe nicht, es würde nur etwas vom potentiellen Wachstum fehlen. Die Abwanderungsbewegungen sind laut Kesberg auch nicht so massiv, wie oftmals dargestellt: „Man muss die Kirche im Dorf lassen.“ In der EU würden viele von einem zweiten Referendum und einem Verbleib Großbritanniens in der EU träumen. In Großbritannien hat sich das Stimmungsbild laut Kesberg aber nicht wirklich verändert.
Zweitgrößte Markt
Wie auch immer man die anfangs gestellte Frage für sich beantwortet und es nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU weitergehen wird, jetzt müssten sich die oberösterreichischen Firmen einmal auf den Brexit vorbereiten. Großbritannien ist der zweitgrößte Markt in Europa. Großbritannien ist für Österreich der neuntwichtigste Exportpartner. Von Jänner bis Oktober 2018 lieferten österreichische Firmen Waren im Wert von rund 3,6 Milliarden Euro in das Land. 250 österreichische Firmen haben eine Niederlassung in Großbritannien. Diese Firmen beschäftigten insgesamt rund 40.000 Menschen, setzen 6,5 Milliarden Euro um. Die Exporte sind laut Wirtschaftsdelegierten Kesberg zuletzt gestiegen, weil sich viele Niederlassungen „die Lager bis zur Decke“ voll gefüllt haben. So wird es laut Kesberg aber nicht weiter gehen. Der Brexit nimmt ein erhebliches Potential aus dem zukünftigen Wachstum heraus – dieses Faktum steht für Kesberg außer Frage. Gleichzeitig könnten österreichische Firmen als Nischenplayer vom Brexit profitieren: Wenn man in Großbritannien produziert, habe man bei Kursverlust des Pfunds einen ökologischen Vorteil gegenüber Konkurrenten , die in den Markt exportieren müssen.
Clemens Malina-Altzinger, Vizepräsident der WKOÖ, über die Auswirkungen des Brexits für die heimischen Firmen: „Der Brexit wird die einzelnen Unternehmen mehr beschäftigen als die gesamte Wirtschaft. Er ist aber kein Weltuntergang und bewältigbar – kostet den Firmen aber Zeit, Geld und Nerven .“