Gestern, heute oder morgen: Was ist besser, Stefan Sagmeister?
Sehnsucht nach den guten alten Zeiten? „Heute ist besser!“, sagt der international gefeierte Kreativstar Stefan Sagmeister und beweist genau das mit Zahlen, Daten und Fakten, die er in Infografiken verwandelt. Aber wie sieht es mit der Zukunft aus – wird sie noch besser? Oder wird der technologische Fortschritt eines Tages unser Untergang sein?
Schlosspark Mauerbach. Keine Wolke am Himmel, die Bäume und Sträucher strahlen in saftigem Grün um die Wette, als wäre die Natur und alles darum herum in allerbester Ordnung. Trügt der Schein? Bringt die Zukunft Sonnenschein oder vielmehr Unwetter? 130 CEOs, Unternehmerinnen und Unternehmer vernetzen sich und diskutieren gemeinsam beim CEO & GM Circle, und nicht wenige fragen sich: War das Führen von Unternehmen irgendwann schon mal so herausfordernd wie heute?
„KI wird sich komplett durch alles ziehen. Wer sich nicht transformiert, der zieht den Stecker“, sagt Zukunftsforscher Konrad Gulla in seiner Keynote. Der Druck ist groß, die Unsicherheit hoch, und gleichzeitig die Lust darauf, eben diese Zukunft mitzugestalten, mächtig. Wohl auch deshalb, weil der Wahl-New-Yorker und gebürtige Vorarlberger Stefan Sagmeister Mut dazu macht. Wir treffen ihn im Grünen und wollen von ihm wissen, warum der Titel seines Buches „Heute ist besser“ und nicht „Morgen wird schlechter“ lautet.
3 Gründe, positiv in die Zukunft zu blicken
#1 Weil wir den technischen Fortschritt immer noch zu unserem Vorteil genutzt haben.
Auf die Frage, ob ihm die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz Angst mache, antwortet Stefan Sagmeister: „Es haben eindeutig mehr Leute mit dem Hammer ein Haus gebaut als Nachbarn erschlagen.“ Soll heißen: Den technischen Fortschritt haben wir in der Geschichte immer mehr zum Vor- als zum Nachteil genutzt. „Und zwar, nachdem wir die vielen voraussehbaren und nichtvoraussehbaren Nebeneffekte beseitigen konnten. Darum glaube ich, dass wir jetzt natürlich in eine Periode gehen werden, in der es auch um die Bekämpfung der Nebeneffekte gehen wird.“
Dass die KI viele Berufe und Aufgaben des Menschen übernehmen wird, sei bereits jetzt Tatsache und unvermeidbar. Seine eigene Profession, die des Designers, mit eingeschlossen. „Gut möglich, dass es die Designer sehr hart trifft, obwohl sie bisher im Gegensatz zu den Fotografen noch verschont geblieben sind.“ Veränderung ist aber ohnehin Teil der Menschheit. Im Laufe seiner Karriere hat er CD-Cover für die Rolling Stones gestaltet, heute sind gedruckte Cover ein Nischenprodukt. „Der Rest sind kleine Images auf Spotify, die eine viel geringere Rolle spielen. Zum Leidwesen der Grafiker, aber auch zum Leidwesen der Musiker – die meisten haben keine Ahnung, wie die Band aussieht.“ Das Musikerdasein sei durch die technologische Entwicklung schwieriger geworden, „gleichzeitig gibt es aber durch diese Entwicklung heute viel mehr professionelle Musiker. Und es ist möglich geworden, dass man durch die Technologie organisch bekannt werden kann.“
Kaum jemand wisse Bescheid, wie die Menschen vor 100 oder 200 Jahren tatsächlich gelebt haben. „90 Prozent waren damals in Österreich von extremer Armut betroffen, die Wahrscheinlichkeit, nicht genug zu essen zu haben, war sehr hoch.“ Deshalb sei seine Ansicht zum Thema Technologie eine andere. Außerdem könnten wir heute noch gar nicht wissen, was in den nächsten 20, 50 oder gar 100 Jahren passieren wird. „1896, zur Zeit der Weltausstellung in Chicago, fragte man die Aussteller und Expertinnen, was denn die dominante Technologie des 20. Jahrhunderts sein werde. Und da hat niemand das Telefon oder das Auto genannt.“ Warum sollten wir es heute wissen?
#2 Weil wir schon mehrerE globale Katastrophen bewältigt haben.
Als Stefan Sagmeisters Tante 85 Jahre alt war, fuhr sie zum ersten Mal in ihrem Leben in die Schweiz. Und das, obwohl die Grenze zu ihrem Heimatort in Vorarlberg nur 30 Meter entfernt lag. „Ich glaube, dass die Möglichkeiten des Transportes unser Leben unglaublich bereichert haben, aber natürlich sind dadurch auch negative Nebeneffekte entstanden, in dem Fall die Luftverschmutzung.“ Schon in den 70er Jahren habe man damit begonnen, diese Nebeneffekte zu bekämpfen, damals mit Katalysatoren, heute gehe die Entwicklung in Richtung Elektromobilität. „Ich bin überzeugt, es wird eine hundertprozentige Umstellung auf Elektroautos geben.“ Auf die Frage, warum er da so sicher sei, sagt er: „Ich war einmal in einer HTL. Ein Gerät, das viel, viel weniger drehende Teile hat und gleich gut funktioniert, ist ein viel besseres Gerät, das seltener kaputt geht. Es wird eine Umstellung geben, wurscht, ob das die deutsche Autoindustrie wahrhaben will oder nicht.“ Das sei wie mit dem Pferd und dem Auto: „Du kannst kein schnelleres Pferd erfinden.“
Den Grund, warum er trotz Klimakrise zuversichtlich für die Zukunft gestimmt ist, findet man wieder beim Blick in die Geschichte: „Wir haben auch in den letzten Jahrzehnten schon einige globale Katastrophen bewältigt – den sauren Regen zum Beispiel, selbst beim Ozonloch machen wir riesengroße Fortschritte. Mit globaler Zusammenarbeit können Probleme wie diese beseitigt werden.“ Was vielen nicht bewusst ist: „Die Generation meiner Großmutter, die nicht mal ein Auto besessen hat und nie in ein Flugzeug gestiegen ist, hatte dennoch einen doppelt so großen CO2-Footprint. Weil die damals so viel Kohle und Holz verbrannt haben.“
#3 Weil wir endlich Zeit haben für das, was uns Menschen ausmacht.
Das sei doch super, sagt Stefan Sagmeister, als wir über die junge Generation sprechen, die nur noch 30 Stunden arbeiten möchte. „Das müsste ja ein Vorteil der gestiegenen Effizienz unserer Technologie sein. Früher war das ähnlich – die Generation vor uns hat gesagt: ‚Die faulen Schweine wollen nur noch 40 Stunden arbeiten.‘“ Wie viel zeitliche Ersparnis der technische Fortschritt bringen kann, könne man gut am Beispiel eines Haushalts erklären: „Der durchschnittliche Haushalt im 19. Jahrhundert hat einer Person 65 Arbeitsstunden pro Woche abverlangt. Mein Haushalt benötigt heute in etwa vier Stunden, was sicher auch daran liegt, dass ich nicht koche. Aber laut offiziellen Durchschnittszahlen sind es circa 16 Stunden.“
Darum hoffe Stefan Sagmeister, dass die nächste Generation nur noch 30 oder weniger Stunden arbeiten muss – und die gewonnene Zeit dafür nützen könne, wofür sie leidenschaftlich brennt._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
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