Die Anatomie einer Macherin
Eine öffentliche Organisation stellt man sich anders vor. Irgendwie behäbig, veraltet und starr. Doch dann kommt Ulrike Huemer – sie ist seit 2020 Magistratsdirektorin der Stadt Linz – und wirft ein völlig neues Bild auf. Wie sie die 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ein neues Zeitalter führt und wie eine öffentliche Institution der Inbegriff von Innovation sein kann? Das sehen wir uns genauer an.
Wer am Linzer Hauptplatz ins Alte Rathaus geht, der hat unter seinen Füßen das gesamte Linzer Stadtgebiet – als Stadtplan. Wem es gelingt, den Blick von der ungewohnten Perspektive auf Straßen und Häuser dann doch zu lösen, der sieht direkt in die Augen des Portiers oder „Besucher*innen-Manager“ wie es im Magistrat Linz heißt. Dessen Augen strahlen. „Ach ja, Sie kommen zur Frau Magistratsdirektorin; sehr gerne, ich gebe kurz Bescheid.“ Er ist stolz auf seine Chefin, dazu muss man keine Ausbildung zum Mimiklesen absolviert haben.
Vorbei an Mauern aus den 1670ern, großen, modernen Glasfronten und ein paar Stockwerke höher versteht man ziemlich schnell, woher der Stolz des Mitarbeiters kommt. Wenn Ulrike Huemer von ihrem Führungsstil und ihrer Begeisterung für das Vorantreiben der Modernisierung in der öffentlichen Verwaltung erzählt, dann könnte das auch eine Keynote auf einer großen Bühne zum Thema „New Leadership“ sein. Weg von einer stark hierarchischen Organisation hin zu flachen Hierarchien und starker Teamorientierung – das ist ihr Motto.
Blick hinter die Kulissen
Um den komplexen Aufgaben einer Stadtverwaltung in der heutigen Zeit mit Herausforderungen wie gesellschaftlichen Umbrüchen, Klimawandel und neuen Anforderungen von Arbeitnehmerinnen begegnen zu können, „braucht es ganz viel Kooperation, Zusammenhalt und Diversität“, erklärt sie. Die meisten würden bei einer Stadtverwaltung zunächst an bürokratische Aufgaben wie Strafbescheide, Reisepässe oder Meldezettel denken. „Aber daneben gibt es sehr viele Services, die flexibel angeboten werden, Themen wie Kinderbetreuungsangebote.“ Und dann gehe es auch um Innovation. „Das sind Themen der Stadtentwicklung, wie etwa im Moment die Modernisierung der Innenstadt. Dabei arbeitet man natürlich sehr innovativ, zum Beispiel mit Partizipationsprozessen, wo digitale Tools eingesetzt werden.“ Drei Dinge, die sich grundlegend verändert haben, seit sie 2020 die Rolle der Magistratsdirektorin übernommen hat, sind: „Wir haben großzügige Homeoffice-Regelungen und ein sehr flexibles Arbeitszeitmodell überall dort, wo es möglich ist. Ein weiteres ganz großes Thema ist die interne Kommunikation, also die transparenten Informationen an die Mitarbeiter und der Dialog miteinander. Und wir haben eine Unternehmensstrategie entwickelt, die ganz klar vorgibt, in welche Richtung wir in den nächsten Jahren gehen.“
DAS HERZ
Was sind Ihre Herzensangelegenheiten?
Ulrike Huemer: Ich habe für mein Team und für meinen Job eine große Leidenschaft. Das ist das Wesentliche für mich. Und dann ist es sehr, sehr wichtig, empathisch zu sein und sich hineinversetzen zu können, was Veränderung für Menschen bedeutet, die etwa schon lange in der Organisation arbeiten. Kaum jemand sagt von Natur aus: „Juhu, Veränderung!“ Und grundsätzlich ist es für jede Führungskraft essentiell, Menschen einfach zu mögen. Was mir außerdem extrem wichtig ist: Ich will nicht, dass wir über Menschen reden, sondern mit Menschen. Dazu braucht es eine ehrliche Feedbackkultur – und zwar in alle Richtungen.
Wie finden Sie heraus, ob neue Mitarbeiter zu dieser Unternehmenskultur passen?
Ulrike Huemer: Bei jedem Hearing habe ich immer diese eine Kontrollfrage für mich am Schluss: Würde ich mit dieser Person nach der Arbeit noch auf ein Bier gehen wollen? Also ist mir dieser Mensch auch sympathisch? Ich glaube, der Faktor Mensch ist entscheidend. Natürlich müssen all die fachlichen Themen passen, aber mittlerweile geht es in vielen Unternehmen nicht mehr darum, dass man die besten Fachexpertinnen aussucht, sondern diejenigen, die am besten zur Unternehmenskultur passen.
DER MAGEN
Wann haben Sie zuletzt nach Ihrem Bauchgefühl entschieden?
Ulrike Huemer: Ich entscheide sehr oft intuitiv – kombiniert mit meiner Lebenserfahrung. Mittlerweile arbeite ich seit fast 20 Jahren in der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise in öffentlichen Institutionen, kenne also die unterschiedlichen Bereiche und weiß ganz gut, wie solche Organisationen ticken. Und ich verstehe auch, wie Politik funktioniert, welche speziellen Rahmenbedingungen es hier braucht. Intuition und Erfahrung, auf diese Kombination setze ich.
Was liegt Ihnen gerade im Magen?
Ulrike Huemer: Momentan nichts. Das liegt wohl auch an meiner Einstellung: Man muss im Leben manchmal auch zweiter Sieger sein können und darf nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen. Sonst wird der Kopf verletzt. Manchmal muss man halt ein paar Umwege gehen und wenn es auf die eine Art nicht klappt, versucht man eben einen anderen Weg. Da bin ich sehr resilient.
DIE LUNGE
„In Linz, da stinkt‘s“ – hieß es früher mal. Wie hat sich das Image der Stadt gewandelt und was können Sie dazu beitragen?
Ulrike Huemer: Das Image von Linz hat sich völlig verändert, aber es ist und bleibt eine Industriestadt. Darauf können wir stolz sein, denn Linz hat sich zu einer lebenswerten, mittlerweile grünen Stadt entwickelt. Für mich ist sie eine coole Stadt, in der man gerne arbeitet, wohnt und die Freizeit genießt. Linz hat sich in den vergangenen 20 Jahren, spätestens seit dem Kulturhauptstadtjahr 2009, zur modernen Industrie- und Kulturstadt transformiert. Und natürlich leistet da auch der Magistrat einen hohen Beitrag. Eines unserer Leitziele in unserer Unternehmensstrategie ist auch, die Industrieunternehmen, die alle in einem Transformationsprozess sind, bestmöglich zu unterstützen – zum Beispiel, wenn es um Klimaaktivitäten und dergleichen geht. Wir können hier einen sehr, sehr guten Beitrag leisten, indem wir Dinge mitgestalten und versuchen, vieles zu ermöglichen.
DIE BEINE
Wohin möchten Sie in Zukunft gehen?
Ulrike Huemer: Wenn es mir gelingt, dass die öffentliche Verwaltung als moderne Organisation, die für Innovation steht, wahrgenommen wird, dann bin ich ein gutes Stück des Weges gegangen._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Stadt Linz; Illu: Gettyimages