Page 87 - 2024_02_DIEMACHER
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Wie holen wir                                                                      MACHER
                                                                                             am Grill


            die Kohlen aus


            dem Feuer?






                Was für die Damenwelt die Luxushandtasche ist, ist für Männer der Grill. Haben wir
                damit alle Klischees bedient? Gut! Dann reden wir jetzt über den Wert heimischer
                Produktion, die Industrie, die ihr zugrunde liegt und die Standortbedingungen,
                die es dafür braucht. Mit IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch.
                In der Weber Grill Academy in Marchtrenk.


            Müssen wir auch die Standortpolitik hierzulan-  nehmen und sich auf das Wesentliche besinnen.
            de grillen? Sein Schmunzeln kann sich Joachim   „Viele haben noch nicht erkannt, dass wir in einer
            Haindl-Grutsch bei dieser Frage kaum verknei-  völlig anderen Zeit leben, die Europa und ganz
            fen. Der Geschäftsführer der Industriellenvereini-  besonders Österreich vor neue Herausforderun-
            gung OÖ steht auf der Terrasse der Weber Grill   gen stellt. Das ist nüchtern betrachtet schlichtweg
            Academy und blickt in die Stichflamme, die sich   so, weshalb wir uns diesen stellen müssen. Oder
            entfacht, als er ein Ribeye-Steak auf den Rost legt.   eben  damit  zurechtkommen,  dass  unser  Wohl-
            An wen er in diesem „hitzigen Moment“ wohl   stand sinkt.“
            denkt? Wir versteifen uns nicht darauf. Sondern    
            stoßen ernste Töne an – während Gastgeber und   Bloß nicht die Finger verbrennen
            Geschäftsführer Benedikt Mitterlehner sowie sei-
            ne Grillprofis Semir und Christian für eine wohli-  Feststeht: Nicht nur der Grillrost ist ein „heißes
            ge Atmosphäre sorgen und uns in die hohe Kunst   Eisen“, sondern auch die derzeitige Lage, um
            des Grillens einweihen.                     international konkurrenzfähig zu bleiben. „Der
                                                        große Unterschied zu manch anderen Teilen der
            Nicht unnötig Öl ins Feuer gießen           Wirtschaft ist: Die Industrie muss sich im Gegen-
                                                        satz zu ihnen im weltweiten Wettbewerb messen
            Noch vor der Ankunft in Marchtrenk stellen wir   und am globalen Markt beweisen.“ Gerade dann,
            fest: Ohne die Industrie wäre dieses außergewöhn-  wenn andere Nationen am Vormarsch sind, gera-
            liche Interview keineswegs möglich. Sei es die An-  ten die Betriebe hierzulande unter Druck. „China
            fahrt mit dem Zug oder Auto, das Gebäude, in   hat als prominentestes Beispiel industriell stark
            dem wir uns befinden oder die Vielzahl an Pro-  aufgeschlossen und bietet jetzt Produkte mit ver-
            dukten, die hier verkauft oder für Kurse verwen-  gleichbarer Qualität, aber zu niedrigeren Kosten.
            det werden. Auf direktem oder indirektem Wege   Während wir hingegen durch die hohe Inflations-
            ist all das mit der Industrie verbunden. „Wenn   rate intensive Kostensteigerungen hatten. Daher
            man ihren gesamten Beitrag für einen ganzen Ta-  befinden wir uns nun in einer Situation, in der
            gesablauf skizziert – von früh morgens bis zum   wir nicht mehr um das nötige Ausmaß besser sind,
            Schlafengehen – kann allein die oberösterreichi-  das die höheren Preise rechtfertigen würde. Unse-
            sche Industrie alle 24 Stunden abdecken“, hebt   re Stärken der letzten Jahrzehnte sind nicht mehr
            Haindl-Grutsch die Bedeutung hervor.        herausragend  genug.“  Am  Beispiel  der  Schweiz
                                                        sei zu erkennen, wohin die Reise gehen müsse.
            „Ich  glaube, all  dieser  Wohlstand  und  das,  was   „Dort erzielt man regelmäßig Top-Platzierungen
            die Industrie und Unternehmen des Landes dafür   in internationalen Rankings – sprich, sie sind mit
            leisten, ist in vielen Köpfen zu selbstverständlich   ihrer Qualität, für die sie in der ganzen Welt be-
            geworden. Es ist ein Problem unserer Zeit, dass   kannt sind, einfach um so vieles besser, was sie
            wir verlernt haben, was für attraktive Preise und   zugleich auch teurer sind. Für uns bedeutet das:
            Dienstleistungen auch alles getan werden muss“,   Platzierungen im oberen Mittelfeld reichen nicht
            gibt der Macher am Grill zu bedenken, während   mehr aus, wir brauchen Exzellenz.“
            er die Gräten aus der Bachforelle zupft. Im An-   
            schluss wird diese gewürzt, mit Räucherspeck   Leichter gesagt als getan. Denn weder Fisch noch
            und Kren verfeinert. Aufgerollt und sorgfältig   Fleisch sind zum einen die vegetarischen Gerich-
            zusammengebunden gart das Fischgericht dank   te, die bei gleichmäßiger Hitze auf dem Plancha
            Zedernholzbrett lediglich bei indirekter Hitze.   Grill vor sich hin brutzeln – es gibt Mangold,     Text  David Bauer
            Ein gutes Stichwort: Die „Hitze“ aus der Debatte   Paprika, Champignons und geröstete Pinien-    Foto   Antje Wolm


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