Page 138 - Herbstausgabe_2022_03
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Digitalisierung ist
eine große Chance,
Landwirt:innen müssen sich
aber Know-how aneignen.
Markus Gansberger
Leiter, Innovation Farm
Papier mitschreiben, wir haben uns dann zu-
sammengesetzt und eine Lösung entwickelt“,
sagt Gründer Andreas Prankl. Mittlerweile bie-
tet das Unternehmen auch die Auswertung von
Satelliten- und Wetterdaten zum effizienten Ein-
satz von Ressourcen an. „Mittels Satellitendaten
der vergangenen fünf Jahre und Wetterdaten
errechnet eine KI Pflanzenwachstumsmodelle“,
sagt Prankl. Durch Datengrundlagen, Machine
Ein gutes Beispiel für einen Landwirt mit Tech- Learning und KI-Technologien werden Systeme
nikaffinität ist Johannes Wahl. Der 53-jährige weiterentwickelt. Wichtiger USP von Farmdok
Biolandwirt bewirtschaftet einen 35 Hektar sei außerdem der unkomplizierte Datentransfer.
großen Acker im Mühlviertel, sein Traktor fährt Prankl: „Der Datenaustausch zwischen Land-
GPS-gesteuert und hält automatisch die Spur. wirt:innen und spezialisierten Dienstleister:in-
Anstatt auf eine teure Originallösung zurückzu- nen wie etwa Schädlingsbekämpfer:innen oder
greifen, hat Wahl sich aber für eine Eigenbau- Versicherungsanbieter:innen wird vielfach noch
lösung entschieden, um Geld zu sparen. „Das mühsam analog gemacht. Mit unserer App wird
System ist ein Open-Source-Programm, das von den Landwirt:innen die Möglichkeit gegeben,
einem Kanadier erfunden wurde und bei dem vie- Daten bequem an unterschiedliche Stellen wei-
le Landwirt:innen weltweit mitprogrammieren“, terzugeben.“ Im vergangenen Jahr konnte Farm-
erklärt Wahl. Via Kompass und Neigungssensor dok 20.000 aktive Nutzer:innen gewinnen. „Der
erkennt die Software den Standort des Traktors Kernmarkt ist Österreich, aber wir haben auch
und greift dementsprechend ein. Wahl ist kein viele Kund:innen in Deutschland“, sagt Prankl.
Einzelfall: Viele Landwirt:innen setzen auf eigens Auch von einem Zuckerrohrbauern in Australien
entwickelte Lösungen, vernetzen sich unterein- und auf einer Kaffeeplantage in Brasilien wird die
ander und tauschen sich in Zoom-Meetings aus. österreichische App verwendet.
„Man findet zahlreiche Anleitungen im Internet,
natürlich ist dieser Zugang weniger komfortabel, Digitalisierung erst am Anfang
aber für mich war die Umsetzung eine spannende
Herausforderung“, sagt Wahl. Für ihn ist die au- Für Prankl hat die Digitalisierung der Land-
tomatisierte Spurenführung eine große Erleich- wirtschaft erst so richtig begonnen. Er sieht in
terung. „Man fährt genauer und spart dadurch Zukunft großes Potential für Betriebsoptimie-
Saatgut“, erklärt der Landwirt. Er hat auch selbst rungen. Der stärkere Einsatz von Daten und die
eine Innovation entwickelt, die mittlerweile ein Automatisierung könnten Lösungen für Proble-
zweites Standbein neben der Biolandwirtschaft me wie den Fachkräftemangel, hohe Personalkos-
ist. „Ich habe eine Anlage erfunden, die Soja ten und Wetterextreme bieten. Auch Gansberger
schonend zu Presskuchen weiterverarbeitet, die ist davon überzeugt, dass in Zukunft viel stärker
als Tierfutter für Biolandwirt:innen ideal sind“, datenbasiert gearbeitet werden wird und traut der
sagt er. Große Anlagen dieser Art stehen nicht in heimischen Landwirtschaft zu, eine Vorreiter-
Österreich, sondern in internationalen Häfen, in rolle in der technologisch fortschrittlichen und
denen viel Soja ankommt. Das Angebot Wahls nachhaltigen Agrarproduktion einzunehmen. Fa-
spart anderen Landwirt:innen lange Wege – und rid Edrisian von Pixofarm geht davon aus, dass
Kosten. in den nächsten Jahren besonders die Themen
Sensorik und Robotik weiter an Bedeutung ge-
KI errechnet Pflanzenwachstum winnen werden. Durch den Klimawandel und
häufiger werdende Wetterextreme werde auch die
Kosten für Landwirt:innen will auch das Star- Rolle von KI in der Landwirtschaft immer wich-
tup Farmdok sparen. Die Gründer, selbst auf tiger. „Früher konnten Landwirt:innen anhand
einem Bauernhof aufgewachsen, haben eine ihres Bauchgefühls relativ gut schätzen, wie die
Managementsoftware zur Dokumentation der Ernte ausfallen wird und welche Maßnahmen sie
landwirtschaftlichen Maßnahmen entwickelt. am besten setzen. Wenn das Wetter immer un-
„Einer meiner Brüder hat den elterlichen Be- berechenbarer wird, wird das schwieriger“, sagt
trieb übernommen und wollte nicht mehr am Edrisian._
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