Page 127 - Herbstausgabe_2022_03
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„Die ‚Großfamilie‘ könnte auch
                                                     der eigene Wohnblock und
                                                    seine Bewohner:innen sein.“

                                                        Manfred Haimbuchner
                                                        Wohnbaulandesrat Oberösterreich













                                                        sprechen. Bäume und Grünflächen wirken doppelt
                                                        fürs Klima – sie kühlen, liefern Schatten und verbes-
                                                        sern das Klima unter den Menschen. Ob im Stadt-
                                                        zentrum oder in der Wohnanlage.

                                                        Bäume und Grünflächen sind allerdings
                                                        noch dünn gesät. Welche Schritte
                                                        gehören hier schnellstmöglich gesetzt?
                                                        Manfred Haimbuchner: Es gibt gute Möglichkeiten,
                                                        dies  zu  ändern.  Etwa,  indem  wir  verantwortlicher
                                                        mit der Bodenfläche umgehen und bei unseren Ge-
                                                        bäuden mehr „in die Höhe statt in die Breite zu bau-
            von neuen Wohneinheiten,                    en“. Dann gewinnt das Grüne mehr Platz. Wichtig
            sondern denkt umfassender?                  ist es auch, von anderen Ländern oder Kommunen
            Manfred Haimbuchner: Absolut. Nach dem Zweiten   zu lernen. Die spanische Stadt Valencia zum Beispiel
            Weltkrieg  hatte  das  Beseitigen  der  Wohnungsnot   ist DIE europäische Vorzeigestadt im Bereich Grün-
            die oberste Priorität, dies begann sich im Lauf der   raum und Nachverdichtung. Dort habe ich mir viele
            Zeit zu wandeln. Heute geht es um die Frage, wie   gute Ideen mitnehmen können.
            Wohnen und Leben ganzheitlicher gedacht werden
            können.  Wir haben die Klimaveränderung, unser   Ein lebenswertes Umfeld abseits
            Boden wird immer knapper. Jetzt benötigt es meh-  der eigenen Wohnung ist sicher
            rere Mosaiksteine, wie die Sanierung, Verdichtung   der Schlüssel zu einer hohen
            und Nachverdichtung der Gemeinden – auch am   Lebenszufriedenheit. Wie sollte
            Land. Diese Entwicklung werden wir mit genügend   das Wohnen Ihrer Meinung nach
            Fördermitteln unterstützen.                 weitergedacht werden?
                                                        Manfred Haimbuchner: Etwa, indem ich das ganze
            Es ist eine Tatsache, dass die Ästhetik     Areal als Lebensraum mitdenke, anstatt Ghettos zu
            von Räumen, Gebäuden und Flächen die        schaffen. Hier ein „Schlafbunker“, dort ein Büro-
            Lebensqualität wie auch das Wohlbefinden    bunker, dazwischen nichts. Das ist nicht wünschens-
            der Menschen erhöht. Wie wichtig ist Ihnen   wert. Eine gute Durchmischung von unterschied-
            eine gut gestaltete Architektur?            lichen Menschen, von jung bis alt, wie auch von
            Manfred Haimbuchner: Ästhetik ist mir persönlich   nötigen Angeboten fördert den Zusammenhalt und
            sehr wichtig. Es ist oft ein Scheinargument, dass gute   das  Verständnis füreinander. In dem Zusammen-
            Gestaltung zu teuer ist, denn einen Kostendruck gibt   hang freut mich, dass es immer mehr Bürgerbeteili-
            es in jedem Bereich. Fassaden etwa lassen sich auch   gungsprojekte gibt, in welchen die Bewohner:innen
            ohne großen Aufwand interessanter gestalten. Archi-  ihr Umfeld selbst mitgestalten können.
            tekt Professor Franz Riepl hat einmal gesagt, dass die
            Schönheit im Einfachen liege. Dem stimme ich zu.   Die Mischung schafft auch Synergien.
                                                        Man denke nur an Nachbarschaftshilfe.
            Das Klima wird heißer. Welche               Manfred Haimbuchner: Ja, genau. Ältere Menschen
            Ansätze verfolgen Sie, um Lebensräume       können auf ihre Nachbarskinder aufpassen, jünge-
            angenehmer und stressfreier zu gestalten?   re Menschen helfen den älteren. So wie es früher in
            Manfred Haimbuchner: Wir blicken gerade hinaus   der Großfamilie war. Ich bin kein Utopist, doch für
            auf die Promenade, auf die schönen hohen Bäume.   mich könnte die „größere Familie“ auch einen gan-
            Was glauben Sie, welchen Kühleffekt diese haben!   zen Stadtteil umfassen, oder ein Wohnprojekt – wo
            Wir brauchen hier nicht gleich von großer Technik   die Menschen wieder mehr aufeinander schauen._


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