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„Die ‚Großfamilie‘ könnte auch
der eigene Wohnblock und
seine Bewohner:innen sein.“
Manfred Haimbuchner
Wohnbaulandesrat Oberösterreich
sprechen. Bäume und Grünflächen wirken doppelt
fürs Klima – sie kühlen, liefern Schatten und verbes-
sern das Klima unter den Menschen. Ob im Stadt-
zentrum oder in der Wohnanlage.
Bäume und Grünflächen sind allerdings
noch dünn gesät. Welche Schritte
gehören hier schnellstmöglich gesetzt?
Manfred Haimbuchner: Es gibt gute Möglichkeiten,
dies zu ändern. Etwa, indem wir verantwortlicher
mit der Bodenfläche umgehen und bei unseren Ge-
bäuden mehr „in die Höhe statt in die Breite zu bau-
von neuen Wohneinheiten, en“. Dann gewinnt das Grüne mehr Platz. Wichtig
sondern denkt umfassender? ist es auch, von anderen Ländern oder Kommunen
Manfred Haimbuchner: Absolut. Nach dem Zweiten zu lernen. Die spanische Stadt Valencia zum Beispiel
Weltkrieg hatte das Beseitigen der Wohnungsnot ist DIE europäische Vorzeigestadt im Bereich Grün-
die oberste Priorität, dies begann sich im Lauf der raum und Nachverdichtung. Dort habe ich mir viele
Zeit zu wandeln. Heute geht es um die Frage, wie gute Ideen mitnehmen können.
Wohnen und Leben ganzheitlicher gedacht werden
können. Wir haben die Klimaveränderung, unser Ein lebenswertes Umfeld abseits
Boden wird immer knapper. Jetzt benötigt es meh- der eigenen Wohnung ist sicher
rere Mosaiksteine, wie die Sanierung, Verdichtung der Schlüssel zu einer hohen
und Nachverdichtung der Gemeinden – auch am Lebenszufriedenheit. Wie sollte
Land. Diese Entwicklung werden wir mit genügend das Wohnen Ihrer Meinung nach
Fördermitteln unterstützen. weitergedacht werden?
Manfred Haimbuchner: Etwa, indem ich das ganze
Es ist eine Tatsache, dass die Ästhetik Areal als Lebensraum mitdenke, anstatt Ghettos zu
von Räumen, Gebäuden und Flächen die schaffen. Hier ein „Schlafbunker“, dort ein Büro-
Lebensqualität wie auch das Wohlbefinden bunker, dazwischen nichts. Das ist nicht wünschens-
der Menschen erhöht. Wie wichtig ist Ihnen wert. Eine gute Durchmischung von unterschied-
eine gut gestaltete Architektur? lichen Menschen, von jung bis alt, wie auch von
Manfred Haimbuchner: Ästhetik ist mir persönlich nötigen Angeboten fördert den Zusammenhalt und
sehr wichtig. Es ist oft ein Scheinargument, dass gute das Verständnis füreinander. In dem Zusammen-
Gestaltung zu teuer ist, denn einen Kostendruck gibt hang freut mich, dass es immer mehr Bürgerbeteili-
es in jedem Bereich. Fassaden etwa lassen sich auch gungsprojekte gibt, in welchen die Bewohner:innen
ohne großen Aufwand interessanter gestalten. Archi- ihr Umfeld selbst mitgestalten können.
tekt Professor Franz Riepl hat einmal gesagt, dass die
Schönheit im Einfachen liege. Dem stimme ich zu. Die Mischung schafft auch Synergien.
Man denke nur an Nachbarschaftshilfe.
Das Klima wird heißer. Welche Manfred Haimbuchner: Ja, genau. Ältere Menschen
Ansätze verfolgen Sie, um Lebensräume können auf ihre Nachbarskinder aufpassen, jünge-
angenehmer und stressfreier zu gestalten? re Menschen helfen den älteren. So wie es früher in
Manfred Haimbuchner: Wir blicken gerade hinaus der Großfamilie war. Ich bin kein Utopist, doch für
auf die Promenade, auf die schönen hohen Bäume. mich könnte die „größere Familie“ auch einen gan-
Was glauben Sie, welchen Kühleffekt diese haben! zen Stadtteil umfassen, oder ein Wohnprojekt – wo
Wir brauchen hier nicht gleich von großer Technik die Menschen wieder mehr aufeinander schauen._
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