Page 99 - DIE MACHER_2022_1
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Wie bewerten Sie die derzeitige                Neben dem kritischen Faktor Zeit
            Lage der heimischen Universitäten,
            insbesondere der JKU?
            MICHAEL  STRUGL: Der Blick auf internationale      ist die Frage der gesellschaftlichen
            Rankings fällt zugegeben erstmal ernüchternd aus.
            Unseren Anspruch, uns an der Spitze zu etablieren,      Akzeptanz die größte
            erfüllen wir derzeit noch nicht. Doch sind es vor
            allem die jungen Disziplinen, die hier einiges an      Herausforderung bei der
            Potential mitbringen. Unter dem Schirm der Digi-
            talisierung kristallisieren sich Spezialgebiete heraus,      Energiewende.
            in denen es uns gelingen kann, international aufzu-
            fallen. Dafür brauchen wir Spitzenforscher:innen,
            viele junge Talente, eine aktive Industrie und die   MICHAEL STRUGL
            notwendigen Rahmenbedingungen aus der Politik.   Vorstandsvorsitzender,
            Was mich sehr optimistisch stimmt, sind die großen   Verbund AG und Kepler Society
            Ambitionen, die ich im Moment bei uns allen spüre.

            Was haben Sie aus Ihrer eigenen             MICHAEL STRUGL: Wir haben gute Ergebnisse er-
            Studienzeit für Ihren beruflichen           zielt, was nicht nur die „harte Währung“ ist, sondern
            Werdegang mitgenommen?                      in Krisenzeiten für alle erfreulich ist. Wir waren in-
            MICHAEL STRUGL: Als jemand, der während sei-  tensiv damit beschäftigt, die Pandemie zu managen
            ner gesamten Studienzeit stets berufstätig war, kann   und eine stabile Stromversorgung sicherzustellen.
            ich nur sagen: Das ist viel schwerer, als man es sich   Zudem überdenken wir stets unsere strategische Aus-
            vorstellt. Was ich in dieser Zeit allerdings gelernt   richtung. Neue Märkte, wie zum Beispiel im vergan-
            habe, ist, mich zu organisieren, viele Dinge unter   genen Jahr in Spanien, zu erobern und als Unterneh-
            einen Hut zu bringen und meinen Alltag effizient   men zu wachsen steht ganz oben auf unserer Agenda.
            zu strukturieren. Darüber hinaus habe ich im Aus-  Außerdem haben wir ein eigenes Team ins Leben
            tausch mit internationalen Studierenden und Uni-  gerufen, das sich dezidiert um das Thema Wasser-
            versitäten massiv profitiert. Trotz allem sollte man   stoffwirtschaft kümmert – diese Technologie kann
            seine Studienzeit ruhig ein wenig genießen (lacht).  ein Game Changer in der Energiewende werden.

            War die Kepler Society für Sie ein          Welches Potential sehen Sie im Bereich
            entscheidendes Bindeglied zwischen          Wasserstoff als „grüne Energie“?
            JKU und Wirtschaft?                         MICHAEL STRUGL: Auch wenn seine Marktfähig-
            MICHAEL STRUGL:  Ich habe die Kepler Society   keit regelmäßig diskutiert wird, ist herkömmlicher
            immer als ein Netzwerk gesehen, das im Berufsle-  Wasserstoff beispielsweise als Prozessgas in der Indus-
            ben grundsätzlich wertvoll sein kann. Die gesamte   trie längst erfolgreich im Einsatz. Gerade dort wird
            Wissenschaft lebt beispielsweise von einer hohen  grüner Wasserstoff eine große Rolle bei der Dekarbo-
            Vernetzung innerhalb der Community. Als (unter   nisierung spielen, vor allem in Industrien, die schwer
            anderem) Stanford-Alumni weiß ich, dass es dort   zu elektrifizieren sind. Die derzeitige Herausforde-
            sogar einen Kodex gibt: Wenn einen ein Stanford-  rung lautet: Grüner Wasserstoff muss günstiger wer-
            Alumni kontaktiert, ist man verpflichtet, innerhalb   den. Das Potential ist riesig. Aus der Überzeugung
            von 24 Stunden zu antworten. Egal aus welchem Teil   heraus, in diese Technologie früh einsteigen zu müs-
            der Welt. Das hat eine unglaubliche Kraft und stiftet   sen, sind wir bei Verbund mit unseren Pilotprojekten
            jede Menge Nutzen. Zurzeit ist das bei uns noch nicht   als Front Runner mit an Bord.
            so stark ausgeprägt, ich finde es aber wünschenswert.
                                                        Spulen wir gemeinsam vor: auf „nach
            Welche Voraussetzungen braucht es,          Corona“. Welche Herausforderungen
            um in verantwortungsvolle Funktionen        werden wir uns in der Klimakrise in
            wie Ihre zu kommen?                         den 2020er Jahren und darüber
            MICHAEL STRUGL: Man muss den Aufgaben ge-   hinaus stellen müssen?
            wachsen sein. Das reicht von der fachlichen Eignung   MICHAEL STRUGL: Die größte Herausforderung
            bis hin zu Leadershipfähigkeiten. Daher bin ich der   wird der Faktor Zeit sein. Denn Fakt ist: Die Uhr
            festen Überzeugung, dass kein Weg daran vorbei-  tickt – und das sehr, sehr laut. Der massive und zü-
            führt, sich ständig zu entwickeln und weiterzubilden.   gige Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und
                                                        des gesamten  Stromsystems – inklusive Leitungen
            Sie hatten erst kürzlich Ihr einjähriges    und Speicher – ist unsere beste und wahrscheinlich
            Jubiläum als Vorstandsvorsitzender der      die einzige Chance, uns von fossilen Importen und
            Verbund AG. Was lief in den vergangenen     hohen Energiepreisen unabhängig zu machen und
            365 Tagen besonders gut?                    unsere Klimaziele zu erreichen._


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