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„Unternehmen müssen
selbst ausbilden. Auch
zu uns kommen meist
keine Bewerber:innen,
die fix und fertig
ausgebildet sind.“
Manuela Dorn
Geschäftsführerin, Vion
DEM MANGEL EIN
SCHNIPPCHEN SCHLAGEN
Die Lage der heimischen Wirtschaft kann man derzeit mit einem lachenden, aber auch
einem weinenden Auge sehen. Denn der Aufschwung über Vorkrisenniveau trifft auf
eines der wohl präsentesten Probleme am Arbeitsmarkt: den Fachkräftemangel.
Hohe Arbeitslosenzahlen treffen auf eine hohe An- Gastronomie an. Neben den durch die Pandemie
zahl an Stellenangeboten. Wo liegt also das Prob- bedingten Unsicherheiten spielen dabei allgemein
lem? Die Rechnung ist nicht so einfach, wie sie aus- ungünstige Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten,
sieht. So sind manche Branchen besonders davon Saisonalität, Kinderbetreuung oder An- und Abreise
betroffen, geeignete Arbeitskräfte zu finden, und zum Arbeitsort auch eine wichtige Rolle“, bestätigt
dies wiederum aus sehr unterschiedlichen Gründen. Johannes Kopf, Mitglied im Vorstand des Arbeits-
Dem IT-Sektor beispielsweise sollen in Österreich marktservice (AMS). Dass auch der Faktor Entloh-
aktuell bis zu 24.000 Fachkräfte fehlen – die ältere nung eine Rolle im Fachkräftemangel spielt, sind
Generation, die sogenannten Babyboomer, gehen in die Expert:innen der österreichischen Denkfabrik
Pension, die Jungen zieht es aber offenbar nicht aus- Momentum Institut überzeugt. Der Arbeitskräfte-
reichend in diese Berufssparte: 800 Lehrlinge befin- mangel sei vielfach hausgemacht und außerdem auf
den sich momentan in Ausbildung, informiert die niedrige Löhne zurückzuführen. Beispielsweise ist
Gewerkschaft GPA. Dazu kommt, dass die Studien- der Bedarf an Köch:innen sehr hoch – deren durch-
abbruchsrate bei IT-relevanten Studienrichtungen schnittliches Monatsbruttogehalt beläuft sich auf
bei über 50 Prozent liegt, rechnet die GPA vor. 1.700 Euro bei einer Sechs-Tage-Woche, das ent-
spricht der Mindesthöhe des geltenden Kollektiv-
Auch die Tourismusbranche ist in Sachen Fachkräf- vertrags.
temangel seit Langem Spitzenreiter in der Statistik.
Die Coronamaßnahmen haben die Lage weiter ver- VON ANDEREN UNTERNEHMEN LERNEN
schärft. Viele Mitarbeiter:innen kehrten der Bran-
che in den letzten beiden Jahren den Rücken, indem In Oberösterreich und Salzburg stehen die Zei-
sie in anderen Berufen neu Fuß fassten. chen des WKÖ-Fachkräfteradars ebenfalls auf Rot,
doch nicht alle Betriebe scheinen davon betroffen
„Österreichs Wirtschaft war zum einen viele Jahre zu sein. So zeigt sich Daniela Malata, Mitglied der
Text Gabriela Rabl
durch die Verfügbarkeit vieler zusätzlicher, gut aus- Geschäftsleitung von W&H Dentalwerk Bürmoos,
Foto Dorn: Vion Max
Guggi; Kopf: AMS gebildeter Arbeitskräfte aus der EU verwöhnt. Die relativ gelassen, wenn es um die Rekrutierung von
Pungovschi; Malata: kommen zwar noch immer, aber nicht mehr so Fachkräften für ihr Unternehmen geht: „Soweit
W&H / Heimo
Spindler; Keil: stark. Zum anderen steigen Fachkräfte aufgrund haben wir keine Probleme, es kommt aber auf die
TH Rosenheim;
Pastl, Froschauer: günstiger Bedingungen in andere Branchen um. Disziplinen an. Wenn man einen Absolventen oder
Reiter; Ramminger, Durch die Erfahrungen mit der Pandemie neh- eine Absolventin für Software oder Künstliche Intel-
Felbauer: Florian
Wieser men weniger Menschen Jobs in Tourismus und ligenz sucht, ist der Markt natürlich bereits enger.
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