Page 90 - DIE MACHER_2022_1
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# Eltern



                                  Sich zu sehr um die Zukunft der Kinder zu sorgen und zu versuchen, diese zu kontrollieren,
                                  sei keine gute Idee, so Zukunftsforscherin Christiane Varga. Doch genau das würden Eltern
                                  gesamtgesellschaftlich häufig tun. „Wir sollten die eigene Zukunftsangst nicht auf unsere
                                  Kinder projizieren. Sondern sie vielmehr ermutigen, den eigenen Weg zu finden und zu ge-
                                  hen.“ Man könne ohnehin immer weniger sagen, was in zehn oder 20 Jahren passieren würde,
                                  welcher Job da krisensicher sein könnte. „Das ist noch die Logik des Industriezeitalters, aber
                                  so läuft es heute nicht mehr.“ Wichtig bleiben Basicskills und die Weiterentwicklung der indi-
                                  viduellen Talente. Klar seien auch Sport und Freizeitbeschäftigung für die Entwicklung von
                                  Kindern gut, „aber ich würde unbedingt darauf achten, dass es nicht zu viel wird. Freiräume,
                                  in denen sich das Kind selbst beschäftigen und auch mal rausgehen muss, sind sehr wichtig.
                                  Den überzüchteten Alltag für Kinder halte ich für gefährlich.“ Eine Studie in Dänemark zeige
                                  auf, was Kinder glücklich macht: „Ein maßgeblicher Punkt dabei: selbstbestimmt die Welt zu
                                  entdecken. Zum Beispiel, dass sie alleine in die Schule gehen.“ Also auf ins Abenteuer!






             # Schüler:innen                                                  # Lehrer:innen



             Die Matura steht kurz bevor. Und jetzt? „Im besten Fall wurde
             die Person so gut gefördert, dass sich schon Bereiche abgezeich-  „Wer sitzt da vor mir?“ Das sei die
             net haben, die zeigen: ‚Da hab ich wirkliches Interesse‘“, erklärt   wichtigste Frage, die sich gute Leh-
             Varga. Sie hält viel davon, nach der Matura nicht sofort mit     rer:innen stellen sollten, erklärt die
             einem Studium anzufangen, sondern „zunächst mal ein Jahr         Zukunftsforscherin. „Die Schüler:in-
             lang zum Beispiel ins Ausland zu gehen, ein soziales Jahr zu     nen sind alle individuelle Wesen mit
             machen, einen ganz anderen Bereich kennenzulernen – um final     einzigartigen Talenten.“ Natürlich
             selbstständig zu werden“. Bachelor- oder Masterstudien seien     gelte es auch, den Kindern eine Struk-
             oft schon so verschult, „da kommt man von einem System ins       tur zu geben, aber „noch viel mehr
             andere“. Ein soziales Jahr könne Menschen ein ganzes Leben       geht es darum, wie man sie individuell
             lang prägen. „Und das ist für mich etwas Allgemeines für die     fördern kann“. Außerdem plädiert
             Zukunft: Wir legen den Fokus oft viel zu sehr auf den techno-    sie dafür, auf neue Lernmethoden zu
             logischen Fortschritt. Doch jene Berufe, in denen es um das      setzen. „Wenn ich etwas spielerisch,
             Zwischenmenschliche geht, sehe ich in Zukunft noch als viel      mit Neugierde lerne, dann lerne ich
             bedeutender an, als sie jetzt wahrgenommen werden“, so Varga.    das viel besser und es bleibt in mei-
                                                                              nem Gehirn abgespeichert.“ Die alte
                                                                              Sichtweise „Lernen darf keinen Spaß
                                                                              machen“ müsse dringend reformiert
                                                                              werden. „Spielerisch und kreativ
                                                                              Wissen anzueignen, das halte ich für
                                                                              zukunftsfähig.“ Das bedeute aber kei-
                                                                              nesfalls, dass diese neuen Lernmetho-
                      #  Baufamilien und                                      den vorwiegend digital sein müssten,
                                                                              im Gegenteil: „Jeder Trend hat einen
                           Immobilienentwickler:innen                         Gegentrend. Wir sind so digital, da
                                                                              ist es wichtig, auch mal rauszugehen,
                                                                              Sachen anzugreifen.“
                      Früher war es ein linear vorhersehbares Leben: Man blieb
                      oft ein Leben lang in seinem Eigenheim. Genau das wird
                      aber immer seltener. „Die hohe Scheidungsrate, die höhere
                      Lebenszeit, Jobs, die einen Umzug erfordern ... Im Durch-
                      schnitt ziehen die Menschen heute viel öfter um“, erklärt
                      Varga. Heutzutage sollten wir daher beim Bauen und Woh-
                      nen in Lebensphasen denken: Für welche Lebensphase ist
                      welche Wohnform die passendste? Als Familie mit kleinen
                      Kindern ist es vielleicht perfekt, am Land zu wohnen. „Im
                      Alter von 65 Jahren ziehen aber viele wieder in die Städte
                      rein, weil sie hier die Infrastruktur sehr schätzen. Die Dyna-
                      mik ist heute viel stärker.“_


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