Page 160 - DIE MACHER_2022_1
P. 160
WENN DAS BÜRO
ZUM WOHNZIMMER WIRD
Der „Workspace Wels“ gehört zu den größten Coworkingspaces Österreichs. Für viele
Eingemietete hat sich der Arbeitsplatz zu einem zweiten Wohnzimmer entwickelt, in dem
gemeinsam mit Freund:innen gearbeitet, genetzwerkt und Freizeit verbracht wird. Die
Coronakrise hat diese Entwicklung verstärkt – der Aufholbedarf an zwischenmenschlichem
Kontakt ist groß.
Wenn ein Unternehmen aus Platzgründen aus dem Platz wollte aber trotzdem niemand aufgeben“, sagt
Workspace Wels herauswächst, löst das in Work- Krennmair. Kaffeepausen wurden virtuell abgehal-
space-Managerin Sonja Krennmair gemischte Ge- ten, jeden Tag wurde über Videoplattformen ge-
fühle aus. „Wir freuen uns natürlich über ihren chattet. „Der Zusammenhalt ist sicher noch größer
Erfolg, andererseits sind wir auch traurig, wenn geworden“, sagt die Managerin.
Freund:innen wegziehen“, sagt sie. Wobei das kein
Abschied für immer sei. „Ehemalige Mieter:innen SCHON VOR CORONA
sind immer herzlich willkommen und können je- CORONAKONFORM GEPLANT
derzeit auf einen Kaffee vorbeischauen. Meistens
reißt der Kontakt auch nicht ab“, erzählt sie. In den Der große Vorteil des Workspace Wels: Man bietet
gemeinsamen Monaten und Jahren würde man eben nicht nur Großraumbüros, sondern vorwiegend
eng zusammenwachsen. Viele Unternehmen, die viele kleine Einzelbüros an, zwischen den Fixdesks
sich eine neue Bleibe suchen, würden ohnehin nicht befindet sich viel Abstand. „Wir haben schon bei
weit wegziehen: Bauträger und Vermieter des Work- der Gründung alles – ohne es damals zu wissen –
space Wels ist der Westpark, der oft Immobilien in coronakonform geplant“, sagt Clemens Pierer, der
der unmittelbaren Nähe vermittelt. „Da bleibt man neuer Geschäftsführer des Coworkingspace ist. Das
quasi in der Nachbarschaft“, sagt Krennmair. Angebot würde gewissermaßen das Beste aus beiden
Welten vereinigen: auf Wunsch viel Kontakt mit an-
Nun steht wieder so ein Abschied bevor: Insgesamt deren Menschen – gleichzeitig aber Rückzugsräume
fünf Büros und zwölf Fixdesks auf 300 Quadratme- und gute Schutzmaßnahmen.
tern werden frei. Einer Onlineagentur, die seit 2017
von zwei auf 18 Angestellte gewachsen ist, wird der STÄNDIGE OPTIMIERUNG FÜR
Workspace zu klein. Damit ist dort erstmals seit DIE MIETER:INNEN
13 Monaten wieder Arbeitsfläche verfügbar. „Wir
waren jetzt sehr lange komplett ausgebucht, das ha- Derzeit haben 40 bis 50 verschiedene Unterneh-
ben wir mitunter auch Corona zu verdanken“, sagt men mit insgesamt mehr als 100 Mitarbeiter:innen
Krennmair. Ihre Vermutung: „Die Menschen hal- Arbeitsfläche gemietet. Bei der Selektion von neuen
ten es im Homeoffice nicht mehr aus und sehnen Mieter:innen wird auf die richtige Mischung Wert
sich nach mehr zwischenmenschlichem Kontakt.“ gelegt. „Wichtig ist uns ein guter Branchenmix,
Im ersten Lockdown waren mit maximal 20 Pro- durch den Kooperationen und Freundschaften ent-
Text Valentin Lischka
zent Auslastung zwar nur die wenigsten Mieter:in- stehen“, erklärt Pierer. Genau wie Krennmair war
Foto Clemens Pierer,
Mario Riener nen in ihrem Büro oder an ihrem Fixdesk. „Seinen auch Pierer zuerst als Mieter im Workspace, beide
160