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„Das Problem bei der
                 Digitalisierung ist, dass                                   beim 3D-Druck von Schuheinlagen und
                 in Firmen irgendwelche
                  Strategien und digitale
                   Roadmaps umgesetzt
                   werden, die gar nicht
                                                                             ten, wie zum Beispiel die Sohle, ist die
                      notwendig sind.“
                                                                             Kombination  von  verschiedenen  Mate-
                      Florian Schnitzhofer                                   in weiterer Folge von Schuhkomponen-
                                                                             rialien. „Da ist noch sehr viel Entwick-
                       Geschäftsführer, Reqpool
                                                                             lung  nötig“,  erklärt  Pilz,  warum  sein
                                                                             Betrieb  ein  zweijähriges  Forschungs-
                                                                             projekt  mit  der  Montanuniversität  Le-
                                                                             oben betreibt.

                                                                             Gefährliche Falle
                                                                             Viele  Großbetriebe  beschäftigen  sich
                                                                             beim   Thema   Digitalisierung   laut
                                                                             Schnitzhofer grundsätzlich mit der fal-
                                                                             schen  Ausrichtung.  „Sehr  viele  reden
                                                                             über Industrie 4.0, dabei ist das nur ein
          DIGITALISIERUNGS-NAVIGATOR                                         kleiner Teil vom großen Ganzen, der Di-
                                                                             gitalisierung.“ Er sieht hier besonders
                                                                             für  das  Industriebundesland  Oberös-
          Der Digitalisierungs-Navigator ist laut eigenen Angaben der Entwickler   terreich  eine  „gefährliche  Falle.“  Bei
          europaweit eine der ersten empirisch aufbereiteten Methoden für B2B-Unter-  Aktivitäten  rund  um  das  Schlagwort
          nehmen, um neue Digitalisierungsstrategien zu erstellen sowie bestehende zu   Industrie 4.0 werde die Produktion für
          analysieren und zu verbessern. Das Tool wurde von den B2B-Beratungsunter-  Kosteneinsparungen   optimiert   und
          nehmen Institut für marktorientiertes Management und Kuchinka & Partner   damit  die  Effizienz  der  Erzeugung  ver-
          gemeinsam mit dem IT-Beschaffungsunternehmen Reqpool, auf Basis einer
          empirischen Studie von Thomas Werani, Professor an der JKU Linz, entwickelt.   bessert. Die Digitalisierung lasse aber
          In dieser Studie wurden die Geschäftsmodelle der größten B2B-Unternehmen   ganze  Geschäftsmodelle  vollständig
          Österreichs analysiert. Demnach sind Unternehmen besonders erfolgreich,   verschwinden  –  und  darauf  müssten
          wenn sie sich auf eine von drei Geschäftsmodellausprägungen, die als Wert-  die  Unternehmer  reagieren.  Maßnah-
          disziplinen bezeichnet werden, fokussieren.                        men im Bereich der Kostenführerschaft
                                                                             seien  da  alleine  nicht  hilfreich.  Die  di-
          Die drei Wertdisziplinen Kundennähe, Produktführerschaft und operative Ex-  gitale Strategie muss laut Schnitzhofer
          zellenz (Kostenführerschaft) sind der Mittelpunkt des Digitalisierungs-Naviga-  vom  Geschäftsmodell  abgeleitet  wer-
          tors. Jede Disziplin priorisiert unterschiedliche Geschäftsmodelldimensionen.   den,  um  das  Überleben  von  Unterneh-
          Für diese hat Reqpool mit Experten jeweils entsprechende Digitalisierungs-  men weiterhin zu sichern: „Man muss
          maßnahmen entworfen. Diese werden je nach strategischer Ausrichtung des
          Unternehmens zu einer digitalen Roadmap verdichtet.                sich  überlegen,  welches  Geschäfts-
                                                                             modell  man  künftig  verfolgen  möchte
                                                                             und  darauf  die  digitale  Strategie  auf-
          Drei von den über 200 Digitalisierungsmaßnahmen                    bauen.“ Reqpool hat dafür gemeinsam
                                                                             mit  Partnerunternehmen  den  Digitali-
          Onlineplattform_In der Dimension Kundennutzen könnten Firmen etwa durch   sierungs-Navigator  für  B2B-Unterneh-
          eine Serviceplattform ihre Wertschöpfungskette erweitern. Auf der Plattform   men entwickelt. Dieser sei „europaweit
          können zu bereits bestehenden Produkten zusätzliche Dienstleistungen wie   eine  der  ersten,  auf  empirischer  For-
          Schulungen oder Ersatzteile angeboten werden. Durch additive Fertigung   schung  basierenden  Methoden“,  um
          werden Geschäftsmodelle zukünftig gar nicht mehr ohne Kundenzugang und   neue  Digitalisierungsstrategien  zu  er-
          damit ohne einer Onlineplattform funktionieren. Bei der additiven Fertigung
          wird ein Bauteil auf Basis von digitalen 3D-Konstruktionsdaten durch das   stellen  sowie  bestehende  zu  analysie-
          Ablagern von Material schichtweise aufgebaut.                      ren  und  zu  verbessern.  Die  operative
                                                                             Exzellenz  ist  dabei  nur  eine  von  drei
          Chatbot_Um die Kundenbeziehungen im Zuge der Digitalisierung zu stärken,   möglichen  „Wertdisziplinen“,  an  die
          seien Chatbots geeignet. Dabei handelt es sich um ein intelligentes Programm,   man sein Geschäftsmodell fokussieren
          das in einem Chatprogramm mit Kunden kommuniziert und individuelle, auf   kann.  Heimische  Firmen  müssen  sich
          die Kundenwünsche zugeschnittene Produkte verkauft. Die Technologie sei   laut  Schnitzhofer  aber  stärker  auf  die
          bereits sehr stark in Asien verbreitet und werde heuer auf den europäischen   Disziplinen  Kundennähe  und  Produkt-
          Markt drängen.                                                     führerschaft  spezialisieren:  „Mit  einer
                                                                             noch  billigeren  Produktion  kann  eine
          Psychologische Profile_In der Dimension Kundensegmentierung ist eine
          Digitalisierungsmaßnahme der Einsatz von psychologischen Profilen für Kun-  österreichische  Firma  nicht  punkten.
          den. Dadurch könnten Firmen viel differenzierter und zielgerichteter auf ihre   Die Unternehmen müssen zur richtigen
          Kunden eingehen.                                                   Zeit  mit  der  richtigen  Botschaft  ihre
                                                                             Kunden ansprechen und sie stärker an
                                                                             sich binden.“_


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