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DORIS HUMMER
ist Unternehmerin und seit 2016 Obfrau des oberösterreichischen
Wirtschaftsbundes. Im Herbst 2017 wird sie Rudolf Trauner als
Wirtschaftskammerpräsidentin folgen. Seit Oktober 2015 ist sie
Abgeordnete des Oberösterreichischen Landtags, außerdem ist sie
Mitglied mehrerer Aufsichtsräte. 2009 bis 2015 war sie Landesrätin
für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Frauen und Jugend in der
oberösterreichischen Landesregierung. Während dieser Zeit wurde sie
Mutter eines mittlerweile vierjährigen Sohnes, ihr Mann übernimmt einen
großen Teil der Kinderbetreuung. Sie studierte Volkswirtschaft an der JKU
Linz und verbrachte ein Jahr des Studiums in England.
Großeltern zurückgreifen kann, dann finde, dass es so viele unterschiedli- tig sein, dass diese Art nicht unhöflich
denke ich schon, dass es funktionieren che Lebenswege, Lebenstypen und Le- wirkt. Wissen Sie, man muss als einzi-
kann. Außerdem beobachte ich gera- bensumstände unter Frauen gibt, dass ge Frau in einer Gruppe von Männern
de in den letzten fünfzehn Jahren viel eine einzige Frauenlinie nicht die Ant- nicht wie ein Mann agieren, aber es gibt
mehr Möglichkeiten der Kinderbetreu- wort darauf sein kann. Und ich denke, schon gewisse Spielregeln. Wenn eine
ung durch Krabbelstuben, Tagesmüt- das ist auch in der Frauenpolitik ein Frau etwas sagt, wird das oft überhört.
ter oder Au-pairs als früher. ganz wichtiger Punkt. Man kann sich Sagt daraufhin ein Mann dasselbe, ist
dabei nicht auf eine Gruppe fokussie- das wie eine Erleuchtung. Da habe ich
RINTERSBACHER_Es gibt sie, die ren, es braucht Wertschätzung für alle. mir schon angelernt zu sagen: „Schön,
Frauen, welche die hohe Belastung dass Sie den Vorschlag, den ich vorhin
einer Top-Position sowie eine hohe WAGNER-RATHGEB_Ich habe den Ein- schon gebracht habe, toll finden und
Anzahl von Kindern meistern. Aber ich druck, dass eine Mutter, die arbeitet, ihm folgen.“ Das muss man so direkt
glaube, dass das nicht alle anstreben grundsätzlich nichts Außergewöhn- sagen, sonst wird man teilweise nicht
und auch nicht anstreben müssen. Ich liches mehr für die Gesellschaft ist. wahrgenommen. Aber meine weibli-
selbst habe noch keine Kinder, es hat Aber wenn jemand eine Führungsrolle che Persönlichkeit verstelle ich dabei
sich bislang nicht ergeben. Aber ich inne hat und und gleichzeitig Kinder, natürlich trotzdem nicht, das wäre
finde, es gehört schon auch wertge- dann ist dies einigen immer noch sus- nicht authentisch.
schätzt, wenn sich eine Mutter bewusst pekt, nicht nur Männer, auch Frauen
dafür entscheidet, bei den Kindern reagieren darauf manchmal mit wenig NISS_Ja, ich finde auch, dass man na-
zu sein. Wir leben in einem Zeitalter, Verständnis. türlich sein muss. Schon direkt und
in dem eine Frau schräg angeschaut bestimmt, aber man muss in einer
wird, weil sie sagt, sie möchte sich um Was antworten Sie dann, wenn man Runde von Männern als Frau nicht zum
die Familie kümmern. Ihnen die Frage stellt: Wie schaffen Sie Mann werden. Es hilft auch nicht, in je-
das denn? dem Mann eine Gefahr zu sehen. Man
Wird eine Frau nicht generell schief sollte das Ganze positiv angehen, denn
angeschaut? Wenn sie Kinder hat und WAGNER-RATHGEB_Dann stelle ich die meisten freuen sich ja, wenn eine
gleichzeitig Karriere macht, ist sie eine dem Mann die Gegenfrage: Wie geht’s Frau dabei ist. Und wenn man mit die-
Rabenmutter, hat sie keine Kinder und Ihnen damit, dass Sie Kinder haben ser Stimmung reingeht, dann merken
ist beruflich erfolgreich, dann gilt sie und erfolgreich im Beruf sind? Denn auch alle Beteiligten, welchen positi-
als egoistische Karrierefrau … so wie er Unterstützung braucht, brau- ven Effekt eine Frau im Führungsteam
che ich sie auch – von meinem Part- haben kann.
KEPLINGER-MITTERLEHNER_(schm- ner, von der ganzen Familie und ei-
unzelt) Also ich erlebe das genauso, nem Netzwerk, das ich mir aufbauen RINTERSBACHER_Ich erlebe die Zu-
wie Sie das jetzt gesagt haben. Ich musste. sammenarbeit mit Männern – und
denke, wir haben hier noch viel zu stark ich habe geschäftlich zu 80 Prozent
Stereotype vor Augen. Diesen muss Gerade in männerdominierten Bran- mit Männern zu tun – auch sehr posi-
man mit aller Vehemenz entgegentre- chen ist man als Führungskraft oft die tiv. Natürlich ist es einerseits wichtig,
ten, da vermisse ich oft die Solidarität einzige Frau am Tisch. Wie verhalten überzeugend Kompetenz auszustrah-
unter den Frauen. Nicht selten erlebe Sie sich dabei in der Kommunikation? len, sich zu positionieren, Stärke zu
ich, dass Frauen sich gegenseitig am zeigen, aber ich habe es noch nie er-
stärksten kritisieren. Damit sollten WAGNER-RATHGEB_Ich war vorwie- lebt, wie ein Mann auftreten zu müs-
wir aufhören! Sobald irgendwelche gend in Männerbranchen tätig und sen. Im Gegenteil, es hat auch Vorteile,
Stereotype auftauchen, distanziere ich habe mir daher eine sehr direkte Spra- eine Frau in einem männerdominier-
mich in aller Form davon. Das beginnt che angewöhnt – wertschätzend und ten Umfeld zu sein, das muss man of-
bei uns in der RLB damit, dass wir kei- offen, aber geradlinig. In der Kommu- fen und ehrlich zugeben. Die Stärken
ne Frauenwerbelinie haben. Denn ich nikation mit Frauen muss ich vorsich- einer Frau, wie zum Beispiel Charme
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