Page 9 - 2017_01_DIEMACHER
P. 9
Frauen sollten nicht so agieren,
als müssten sie die besseren
Männer sein. Bleiben Sie
authentisch! Ich war immer
und bin lieber eine Frau.
MICHAELA
KEPLINGER-MITTERLEHNER
Nach dem sucht man in Österreichs Vor- mit unterschiedliche Herangehenswei- es den jungen Frauen heute besser
standsetagen allerdings lange. Meist sind sen an Problemstellungen haben. Je geht als jenen aus meiner Generati-
es ausschließlich XY-Chromosomenpaa- vielfältiger ein Führungsteam aufge- on. Wenngleich es nach wie vor eine
re, die am Besprechungstisch Platz neh- stellt ist, desto besser ist die Führungs- Riesenherausforderung ist, beides
men, jedenfalls kommt jedes vierte der kompetenz. Wenn Jung und Alt, Frauen zu vereinen – meine höchste Wert-
200 umsatzstärksten Unternehmen in und Männer zusammenarbeiten, dann schätzung an alle, die das schaffen.
Österreich gänzlich ohne Frauen im Vor- bin ich überzeugt, dass die beste Lö- Ich denke aber, dass sich das Schritt
stand aus, so das Ergebnis des aktuellen sung herauskommt. für Schritt verbessert. Vor allem auch
AK-Reports. Und das, obwohl die weibli- deshalb, weil Kindererziehung nicht
chen Hochschulabsolventen hierzulande NISS_Es ist auch bewiesen, dass die mehr automatisch ausschließlich der
seit zwei Jahrzehnten in der Überzahl Innovationskraft positiv beeinflusst Frau zugedacht wird. Wenn heute ein
sind. Doch weil das Bewusstsein für weib- wird, wenn Teams vielfältig sind. Und 30-Jähriger Vater wird, ist es durchaus
liches Potential im Führungsteam immer das ist natürlich in einem Vorstand ex- üblich für ihn, sich in der Kinderbe-
größer wird, stellt sich zunehmend die trem wichtig. Vielfältigkeit betrifft nicht treuung stärker zu engagieren. Das ist
Frage: Wie können wir mehr Frauen ins nur das Geschlecht, sondern auch das natürlich auch eine Frage der Kultur.
Boot holen und ihnen das Steuer in die Alter, die Sprache, die Herkunft. Wenn ich mich in einer Kultur befinde,
Hand geben? Unsere fünf Cover-Persön- in der man glaubt, dass man Geschäf-
lichkeiten kennen die Antworten darauf, WAGNER-RATHGEB_Ich glaube auch te zwischen acht am Abend und Mit-
sind sie doch alle selbst am Steuer – der absolut, dass gemischte Teams am er- ternacht macht und der Besuch jeder
Wind, der ihnen dabei entgegen bläst, folgreichsten sind – Männer und Frauen Veranstaltung wichtig ist, dann ist es
weht manchmal scharf. Der Weg dorthin agieren einfach unterschiedlich. Zum schwierig, den Job mit einer Familie zu
war kein einfacher. Wohl genau deshalb Beispiel erlebe ich es immer wieder, vereinbaren. Wenn ich aber an die gan-
ist es ihnen ein Anliegen, Rahmenbe- dass Männer risikofreudiger sind, Frau- zen Start-ups mit ihren flexiblen Ar-
dingungen zu verbessern und anderen en hingegen bedachter. Und auf diese beitszeiten und Möglichkeiten denke,
Frauen Mut zu machen, in die erste Reihe Kombination kommt es an! dann bieten diese eine große Chance
zu treten. Denn davon profitiere die Wirt- für die Vereinbarkeit. Und auch für die
schaft, sind sich alle fünf einig. Warum? Diese Kombination gibt es aber in Entwicklung der Gesellschaft in diese
Was steckt dahinter? vielen Führungsteams nicht. Nur 7,2 Richtung. Ich hoffe es zumindest.
Prozent der Vorstandsposten in den 200
Glauben Sie, dass Unternehmen mit umsatzstärksten Unternehmen Öster- NISS_Es ist natürlich schon so, dass es
gemischten Vorstandsteams tatsächlich reichs sind weiblich besetzt. Woran liegt vor allem dann weniger Frauen in Füh-
erfolgreicher sind? das? Stehen Frauen grundsätzlich vor rungspositionen gibt, wenn sie Kinder
der Entscheidung: Kind oder Karriere? haben. Hierzulande trifft das noch viel
HUMMER_Das ist wissenschaftlich er- mehr zu als etwa in Frankreich oder
wiesen. Und ich glaube, das ist einfach KEPLINGER-MITTERLEHNER_Für in den skandinavischen Ländern. Dort
deshalb so, weil Männer und Frauen mich war es eine Entweder-Oder-Ent- sind die Rahmenbedingungen besser,
unterschiedliche Sichtweisen und da- scheidung, aber ich hoffe schon, dass sodass es nicht so sehr eine Entschei-
dung zwischen Familie und Karriere
ist. In Österreich müssen wir zwischen
Stadt und Land unterscheiden. Wenn
ich am Land keine Großeltern habe, die
MICHAELA KEPLINGER-MITTERLEHNER mich unterstützen, wird es schwierig.
Da müssen die Rahmenbedingungen
ist seit 2007 Vorstandsdirektorin der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, deutlich verbessert werden, um das
zuvor war sie Landesdirektorin der Bank Austria Creditanstalt für Ober- Thema Vereinbarkeit zu realisieren. In
österreich, arbeitete für die Allgemeine Sparkasse und die Länderbank. einer Stadt – ich lebe in Wien – ist das
Sie ist außerdem Spartenobmann-Stellvertreterin der Sparte Bank und wesentlich einfacher.
Versicherung in der Wirtschaftskammer Oberösterreich und Vorsitzende
der Fachvertretung der Raiffeisenbanken. Die gebürtige Mühlviertlerin WAGNER-RATHGEB_Ich glaube aber,
studierte Geschichte, Philosophie, Psychologie und Pädagogik. dass die Hürde für Frauen, in Füh-
rungspositionen zu kommen, schon
früher gegeben ist. Der Gedanke von
9