Gesünder und länger arbeiten
Elias Rashid hebt mühelos ein schweres Motorenteil aus einer Holzkiste und schlichtet es um – Unterstützung bekommt er dabei von einem Exoskelett, das um Bauch- und Brustbereich geschnallt ist und Muskeln entlastet. „Ich habe bisher gute Erfahrungen damit gemacht und merke, wie ich im Vergleich zu früher im Kreuzbereich viel weniger Belastung spüre“, erzählt der Rosenbauer-Logistikmitarbeiter. Rashid ist einer von 45 Mitarbeitern des Feuerwehrgeräteherstellers, die im Rahmen des Forschungsprojekts EnableMe 50+ mit unterschiedlichen Exoskelett-Typen ausgestattet wurden. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Stützapparate ideal sind, um Mitarbeiter bei Beuge- und Hebearbeiten im unteren Rücken zu entlasten“, sagt Daniel Tomaschko, Rosenbauer-Technikvorstand. Mehr als die Hälfte der Testpersonen fanden, dass die Exoskelette gut zu ihrem Arbeitsplatz passen, das persönliche Belastungsempfinden wurde fast um ein Drittel reduziert. „Die hohe Akzeptanz der Mitarbeiter motiviert uns, weitere Tests durchzuführen, in weiterer Folge wird es darum gehen, den Komfort und die praktische Anwendung in weiteren Einsatzbereichen auszutesten“, erklärt Tomaschko.
Muskel-Skeletterkrankungen häufigster Krankenstandgrund
Durch harte manuelle Arbeit steigt das Risiko für körperliche Beschwerden und Muskel-Skeletterkrankungen trotz Einhaltung ergonomischer Standards auf das Zehnfache an – Muskel-Skeletterkrankungen stellen den häufigsten Krankenstandgrund in Österreich dar. „Durch die Ergebnisse der Studie schätzen wir, dass das Risiko für diese Art von Erkrankungen bei 62 Prozent der Arbeitsplätzen auf unbedenkliche Werte reduziert werden kann“, sagt Tanja Spennlingwimmer, Geschäftsführerin des Instituts für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik (IAA), das gemeinsam mit dem Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz das Forschungsprojekt durchführte. Die Untersuchung würde erste Hinweise für eine zielgerichtete Implementierung der Exoskelette zur Gestaltung altersgerechter Arbeitsplätze liefern. „Es braucht aber noch weitere Forschung und Langzeitstudien“, sagt Spennlingwimmer. Das Potential ist jedenfalls riesig. „Bei einer flächendeckenden Umsetzung von Exoskeletten in der österreichischen Industrie besteht die Chance, etwa zwei Millionen Krankenstandstage durch Muskel-Skeletterkrankungen präventiv zu vermeiden und damit Kosten für Unternehmen und Staat von etwa einer Milliarde Euro zu reduzieren“, sagt Christian Ramsauer vom Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz.
„Schub für unsere Arbeitswelt“
Für Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner und Präsident des IAA entsteht durch die Stützapparate eine Win-Win-Situation für Unternehmer, Arbeitnehmer und die Gesellschaft. „Durch technologische Mittel können die Menschen länger arbeiten und ihr Know-how einbringen und bleiben dabei gleichzeitig gesünder, besonders unsere immer älter werdende Gesellschaft macht das Projekt so interessant“, sagt er. Über kaum ein Gesundheitsthema werde so viel gesprochen wie über Prävention, nur bei den wirklichen Maßnahmen würde dann oft nicht so viel getan. „Das ist hier anders, die Exoskelette wirken präventiv und können unserer Arbeitswelt einen Schub geben“, erklärt Achleitner. Laut aktuellen Prognosen wird die Generation 50+ schon bald die zahlenmäßig größte Gruppe erwerbsfähiger Personen in Österreich sein. Achleitner: „Der Wirtschaftsstandort Oberösterreich kann und will es sich nicht leisten, auf das Potenzial der Generation 50+ zu verzichten. Das Wissen und die Kompetenz unserer Fachkräfte sind wesentlich für die Innovationsfähigkeit“, sagt der Wirtschaftslandesrat. Auch darum gelte es, die technologischen Möglichkeiten zur Unterstützung besser auszuschöpfen.
Exoskelette bald völlig selbstverständlich?
Auch bei der Rewe Group sieht man das ähnlich. „In Zukunft werden wir immer öfter eine Symbiose aus Mensch und Maschine in der Arbeitswelt sehen“, sagt Veronika Rabl, HR-Leiterin des Unternehmens. Das Projekt sieht man als eine zukunftsträchtige Initiative zur Gesundheitsprävention, schon in einigen Jahren könnten Exoskelette völlig selbstverständlich verwendet werden. Ob und wie viele Modelle nun tatsächlich gekauft werden, weiß man bei Rewe noch nicht. „Für uns ist der nächste Schritt in vertiefte Tests zu gehen und zu überprüfen, in welchen Unternehmensbereichen welche Geräte am besten zum Einsatz kommen“, sagt Rabl. Es gelte, zahlreiche Detailfragen zu klären. „Wir müssen zum Beispiel herausfinden, wie der langfristige Tragekomfort aussieht oder wie die Exoskelette derzeit bei unseren Kunden ankommen würden“, erklärt die HR-Leiterin.
Exoskelette im Überblick
Für das Forschungsprojekt kamen Exoskelette des Industriebedarfherstellers Awb zum Einsatz. Die getesteten Exoskelette sind marktreif und kosten zwischen 3.000 und 6.000 Euro . „Mit Übung dauert das An- und Ablegen der Exoskelette nur wenige Sekunden“, sagt Awb-Geschäftsführer Wolfgang Baumann. Durch das Modell Paexo Back kann etwa der untere Rücken um bis zu 25 Kilo oder 40 Prozent entlastet werden – das funktioniert durch biomechanische Vorgänge. Die Last wird durch vom Rücken umgeleitet, der Energiespeicher nimmt beim Beugen Kraft auf und gibt sie beim Heben wieder ab.
Neben den beim Forschungsprojekt eingesetzten passiven Exoskeletten gibt es auch aktive Exoskelette , die durch Elektromotoren oder andere Systeme den Träger zusätzlich stärken und deutlich leistungsfähiger machen, dafür ist das Eigengewicht des Anzugs auch viel höher. Aktive Exoskelette werden etwa im militärischen Bereich getestet, ihre Einsatzdauer ist durch den Energieverbrauch zeitlich begrenzt.