Wie macht ihr das? Als Paar ein Unternehmen führen
Sein 100-jähriges Jubiläum feierte der Fenster- und Türenhersteller Entholzer im Jahr 2020. Genau dann haben auch Julia Speiser und ihr Lebensgefährte Sebastian Ganthaler das Familienunternehmen in vierter Generation übernommen. Als Paar ein Unternehmen zu führen, ist auch das ein Grund zum Feiern? Wir fragen die beiden nach vier Jahren Bilanz.
Was wäre anders, wenn ihr nicht gemeinsam ein Unternehmen führen würdet, sondern jeder von euch in einer Führungsposition in einem anderen Unternehmen arbeiten würde?
Sebastian Ganthaler: So ist es viel einfacher! Gerade in der Ferienzeit, wenn die Betreuung der Kinder ein Riesenthema ist – dann wechseln wir uns ab. Vormittags bin ich bei den Kindern, nachmittags Julia, oder umgekehrt. Was wir machen, ist im Grunde Jobsharing.
Julia Speiser: Oder die Kinder kommen auch einfach mal mit in die Firma. Wir werden ganz oft gefragt, wie das denn so ist, gemeinsam als Paar eine Firma zu führen. Und ich muss ehrlich sagen, ich glaube, das ist unser größter Vorteil. Wenn wir beide in Führungsjobs in unterschiedlichen Firmen wären, würde es nicht so harmonisch funktionieren wie jetzt.
Ihr seid die vierte Generation, die den Familienbetrieb führt – wie war das
bei den Generationen davor?
Julia Speiser: Bei meinem Urgroßvater und Großvater war es noch klassisch: Der Mann ist der Chef und die Frau kümmert sich um die Familie und unterstützt ein bisschen in der Buchhaltung. Bei meiner Mutter hat sich das dann geändert. Sie hat als erste Frau die Firma übernommen. Das war damals noch viel mehr eine Männerdomäne, da gab es kaum Verständnis für Kind und Co. Meine Mutter hat über eine geraume Zeit die Firma alleine geführt, auch als ich ein Baby und Kleinkind war. Seitdem ich selbst Mutter bin und eine Firma leite, weiß ich umso mehr, was das damals für meine Mutter bedeutet hat und ziehe den Hut vor ihr. Deshalb war auch meine Mutter immer das beste Vorbild für mich, dass man Familie und Beruf vereinbaren kann. Und das ist ja auch das Schöne bei uns: Grundsätzlich könnte jeder von uns – Sebastian oder ich – alleine die Firma führen und einer würde bei den Kindern bleiben. Aber so finde ich es viel besser. Das ist für mich der Einklang zwischen Familie und Beruf, wir können beides haben.
Trennt ihr manchmal bewusst Familie und Beruf? Also gibt es Zeiten, in denen ihr nicht über die Firma redet?
Sebastian Ganthaler: Selten. Das ist eine Einheit, alles fließt ineinander. Manchmal fällt einem um zehn am Abend etwas zur Firma ein. Wenn wir unterschiedliche Jobs hätten, könnten wir gar nicht das gegenseitige Verständnis in der Form aufbringen. Es gibt Herausforderungen im Geschäftsalltag, wo wir dann beide froh sind, wenn wir uns darüber austauschen können, egal wann. Das macht es für uns einfacher, weil wir vieles analysieren können. Und weil wir uns gegenseitig pushen können. Das macht ja bei Unternehmern sonst niemand – die Mitarbeiter sagen einem eher selten, wie toll man ist. Aber wir können es uns gegenseitig sagen.
Was möchtet ihr euren Kindern in Bezug auf euer Unternehmerdasein vorleben und fürs Leben mitgeben?
Sebastian Ganthaler: Wir teilen viele Erfahrungen aus dem Geschäftsleben mit den Kindern. Und immer wieder merken wir, wie sie dadurch Zusammenhänge verstehen, obwohl wir sie ihnen gar nicht explizit erklärt haben.
Julia Speiser: Wichtig ist uns auch, dass sie Eigenverantwortung lernen. Als mich mein Sohn etwa gefragt hat, ob ich mit seiner Lehrerin sprechen könnte, habe ich ihn ermutigt, dass er selbst mit ihr sprechen soll. Wir erleben gerade eine Zeit, wo der Staat, der Chef oder wer auch immer verantwortlich gemacht werden. Die Kinder sollen lernen, dass sie selbst Verantwortung übernehmen können.
Vor Kurzem habe ich einen Unternehmer gefragt, ob für ihn immer schon klar gewesen sei, dass er eines Tages die Firma seines Vaters übernehmen würde. Er verneinte. Weil er als Kind immer das Gefühl hatte, Unternehmer zu sein bedeute, ständig unter Druck zu stehen und sich Sorgen machen zu müssen. Wie denken eure Kinder wohl darüber, wie es ist, eine Firma zu führen?
Julia Speiser: Mir ist sehr wichtig, den Kindern auch zu vermitteln, dass Arbeit Spaß macht und Unabhängigkeit schafft – und dazu gehören auch nicht so schöne Tage.
Sebastian Ganthaler: Sie kriegen natürlich schon mit, dass es schwierige Situationen gibt. Wir zeigen ihnen aber auch, wie schön es ist, Erfolge zu feiern.
Seid ihr bessere Führungskräfte, seit ihr Kinder habt?
Julia Speiser: Ja, definitiv! Als Elternteil lernst du, mit Situationen umzugehen, auf die du dich nicht einstellen kannst. Ich merke auch, dass ich durch die weniger verfügbare Arbeitszeit effizienter geworden bin.
Sebastian Ganthaler: Und wir sind dadurch resilienter. Du musst lernen, dir deinen Energiehaushalt gut einzuteilen. Außerdem fordern und überfordern Kinder einen manchmal. Auch das macht dich zur besseren Führungskraft.
Was ratet ihr einem Paar, das überlegt, gemeinsam eine Firma zu führen?
Julia Speiser: Du musst schon eine gesunde Beziehung haben – es müssen beide wollen, weil es nichts bringt, wenn einer etwas will und der andere sich dann nur mitziehen lässt. Aber wenn die Grundeinstellung dieselbe ist, dann rate ich absolut dazu.
Sebastian Ganthaler: Und es geht um bedingungsloses Vertrauen. Das, was man in der Beziehung lebt, lebt man auch im Geschäft. Und das Geschäft hat Rahmenbedingungen, die sehr trocken sein können, manchmal auch sehr hart. Wenn du dann eine Geschäftspartnerin hast, mit der du auf Augenhöhe arbeitest – besser kann es nicht sein!_
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Kneidinger Photography