Wie kommen wir da wieder raus?
Raus aus der Rezession, rein ins Wachstum – 2024 wird das jedenfalls nicht mehr passieren. Obwohl Wirtschaftsforscher ursprünglich für das zweite Halbjahr genau das prognostiziert hatten. Warum das ohnehin utopisch war und wie es aber 2025 gelingen kann, dass es für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich wieder aufwärts geht, darüber reden wir mit Doris Hummer.
Die Sonne strahlt, der Himmel ist wolkenlos, als wir die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich und Landesobfrau des Wirtschaftsbundes Oberösterreich in der Linzer Altstadt im Büro des Wirtschaftsbundes treffen. Die Wetterlage in der Wirtschaft sieht anders aus. Und daran werde sich heuer auch nichts mehr ändern. „Das ist eigentlich eine Milchmädchenrechnung: Wenn es Deutschland, unserem wichtigsten Handelspartner, schlecht geht, dann werden wir keine großen Sprünge machen können“, erklärt Doris Hummer. Für 2025 gehe sie davon aus, dass das erste Halbjahr noch schwierig werde. „Aber wenn die richtigen Weichen gestellt werden – und das hat jetzt ganz viel mit dem politischen Umfeld zu tun –, denke ich, dass es ab der zweiten Jahreshälfte wieder aufwärts geht, sodass wir wirklich wieder Wachstum spüren.“ Genau dazu will sie einiges beitragen und möchte auch nach der Wirtschaftskammerwahl 2025 als Präsidentin „wirklich etwas verändern“, wie sie sagt. Das passiere aber nicht von selbst. „Man muss sich an den Verhandlungstisch setzen, Themen offen ansprechen und sich mit Experten zusammensetzen, um die richtigen Lösungen zu finden.“ Wenn das gelinge, dann sei sie überzeugt, Oberösterreich wieder auf Erfolgskurs zu bringen. „Hartnäckigkeit siegt“, das hat Doris Hummer in ihrer Tätigkeit seit 2017 im Präsidium der Wirtschaftskammer jedenfalls gelernt.
# Leistung muss belohnt werden
Wir haben bei den Lohnnebenkosten einen Spitzenplatz im europäischen Ranking – im negativen Sinn. Da müssen wir um drei bis fünf Prozent runter. Und das ist auch machbar. Wir dürfen außerdem gewisse Dinge in Zukunft nicht mehr machen – heute geben wir Geld für Sachen aus, die nicht mehr notwendig sind. Als Beispiel: die Bildungskarenz. Die wurde für die Verlängerung von Babykarenzen zweckentfremdet. Das ist nicht der Sinn der Erfindung, da fließen immerhin 500 Millionen Euro rein. Anderes Beispiel: Deutschland hat einen Arbeitslosenversicherungsbeitrag von drei Prozent, bei uns sind es sechs Prozent. Diese Kosten haben eigentlich nichts beim Faktor Arbeit verloren. Da können wir gegensteuern. Außerdem: Menschen, die vielleicht schon in Pension gehen könnten, aber trotzdem gerne noch für ein paar Stunden oder sogar noch Vollzeit arbeiten möchten, die sollen steuerfrei dazuverdienen dürfen. Wir brauchen deren Kompetenz.
# Bürokratie wächst wie Unkraut im Garten
Man hat so das Gefühl: Wenn endlich etwas abgeschafft wurde, wie zum Beispiel die Veröffentlichungspflicht in der Wiener Zeitung, kommen vier neue Regelungen daher. Das ist wie beim Unkraut. Gerade von der europäischen Ebene sind aufgrund des ökologischen Wandels ganz viele bürokratische Auflagen – das Lieferkettengesetz, die ESG-Berichterstattung und dergleichen – gekommen. Und deshalb frage ich mich: Wie kann man strukturell dagegenwirken? Es braucht zwei Dinge! Erstens ein Commitment zu einer neuen Regelung: one in, two out. Wenn eine neue Verordnung, Auflage oder ein neues Gesetz kommt, müssen zwei andere raus. Nur dann kann die Bürokratie weniger werden. Zweitens: Wir brauchen im Land einen Anti-Bürokratie-Anwalt, der durchforstet, was vereinfacht werden kann, und dann Vorschläge an die Regierung macht.
# Garantie auf Wohlstand gibt es nicht
Wir sind heute eines der reichsten Länder der Welt, eines mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit. Wir sind im Innovationsbereich gut unterwegs. Unsere Wirtschaft in Oberösterreich ist noch stark industriegetrieben, unsere Produkte werden in der ganzen Welt verkauft. Also: Wir sind richtig gut aufgestellt. Jetzt kommt das Aber: Hohe Lohn- und Energiekosten haben wir schon angesprochen. Und dann spielt das oft vorhandene Vermögen eine Rolle. Was früher noch motiviert hat, sich über das erforderliche Standardmaß hinaus zu engagieren, zieht nicht mehr. Da spürt man einen gesellschaftlichen Wandel in den letzten Jahren, so nach dem Motto „Ich arbeite jetzt mal zwei Monate nicht, das Arbeitslosengeld steht mir ja zu“ oder „Statt 40 Stunden arbeite ich nur 30, macht ja nicht viel Unterschied am Lohnzettel“. Und würden wir so weitermachen, dann würde das sehr schnell in eine andere Richtung gehen. Wir müssen den Unterschied am Lohnzettel größer machen. Wir müssen den Menschen wieder ermöglichen, sich etwas aufbauen zu können. Eine Zahl, die mich erschreckt: Lediglich 20 Prozent der Menschen in Österreich sind Nettozahler ins System. Das heißt, 80 Prozent zahlen weniger in den Topf, als sie dann durch unterschiedlichste Sozialleistungen wieder rausnehmen. Wenn die Schere noch weiter aufgeht, wird sich das irgendwann nicht mehr ausgehen.
# Unternehmen statt unterlassen
Einerseits haben wir das Glück, dass wir sehr viele Familienbetriebe haben, die sehr verwurzelt sind, die nicht einfach abwandern möchten. Auf der anderen Seite ist es natürlich für einen Konzern, der sowieso schon international aufgestellt ist, ein ganz Schnelles und Leichtes, woanders zu wachsen. Und das tun sie auch heute schon – wegen der aktuellen Bedingungen. Der Zug ist aber noch nicht abgefahren. Wir können mit standortpolitischen Maßnahmen gegensteuern, eben die Themen Energie- und Arbeitskosten in den Griff kriegen – das ist relativ rasch machbar, wenn man will. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass hier gegründet wird und nicht woanders. Da geht es wirklich darum, ob es sich am Ende des Tages auszahlt._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Antje Wolm