Recht haben oder Recht leben?
Ein Kurswechsel.
Es ist der innere Kompass, der uns die Richtung vorgibt. Und wenn die Nadel zu sehr auf äußere Ziele ausgerichtet ist, beginnt sich die Reise irgendwann falsch anzufühlen. Fritz Ecker hat diesen Kurswechsel erlebt. Früher entsprach sein Leben dem typischen Bild des gestressten Wirtschaftsanwalts. Seit einem Jahr navigiert er mit einem neuen, bewussten Mindset – durch sein berufliches genauso wie durch sein privates Leben. Und weil’s so schön ist, dort, wo ihn das hingebracht hat, wollen wir von ihm wissen:
Wie machst du das?
Ein Glas Wasser und eine Espressotasse. Sonst steht und liegt nichts vor Fritz Ecker am großen runden Eichentisch im Besprechungsraum. Kein Handy. Anzug und Krawatte trägt er übrigens auch nicht (sondern Jeans und Rollkragenpulli) und im Vorraum ist keine Spur einer Sekretärin. Nur der Porsche in der Garage könnte darauf hindeuten, dass es sich hier um einen Anwalt handelt. Das mit dem Porsche ist natürlich auch nur ein blödes Klischee, aber dazu später. Zunächst sehen wir hier einfach einen Menschen, der eine Mischung aus Ruhe, Sympathie und Zufriedenheit ausstrahlt. Und wer ihn schon länger kennt, merkt wohl auch, dass er etwas abgenommen hat. Das verrät bei genauerer Betrachtung auch das Familienfoto am Schreibtisch, auf dem er mit seiner Frau Katharina und den drei Kindern Annalena, Theo und Niklas im Grünen abgebildet ist.
Dieser Schreibtisch steht im dritten Stock der Team7-Welt in Ried im Innkreis, am nunmehr vierten Standort (neben Wien, Wels und Vöcklabruck) der Wirtschaftskanzlei Oberhammer Rechtsanwälte. Gemeinsam mit Ewald Oberhammer und Christian Pindeus führt Fritz Ecker die Kanzlei seit 2019 – fünf Jahre davor hatte Ewald die Anwaltskanzlei gegründet, dann eröffneten Fritz und Christian den neuen Standort in Wels. Und so nahm alles seinen Lauf. Dass er eines Tages Anwalt werden würde, war für Fritz nicht von Anfang an klar, im Gegenteil. „Zunächst wusste ich überhaupt nicht, was ich studieren will, aber dann bin ich mal durch Zufall in einer Vorlesung über bürgerliches Recht gelandet.“ Genau da ist der Funke übergesprungen. Heute wisse er, dass es die richtige Entscheidung war und sieht seine Berufung darin „in herausfordernden Situationen vernünftige Lösungen zu erarbeiten.“ Wenn er nach vielen Verhandlungsrunden und Besprechungen am Ende des Tages eine gute Lösung für das Unternehmen gefunden hat und alle zufrieden sind, „ dann merke ich: Das fühlt sich richtig gut an.“
Mit dabei beim Interview und Fotoshooting war auch Fritz’ Inspirationsquelle: seine Frau Katharina. Und das war für mich etwas ganz Besonderes –Katharina war einige Jahre ein sehr wichtiger Teil des Die-Macher-Teams! Heute ist sie selbstständig als PR- und Kommunikationsexpertin.
persönliche Notiz zum Interview von
Susanna
Am rechten Weg?
Und dieses Gefühl liebt er. Genau so, wie er seine Arbeit liebt. Immer schon. Was sich aber nun seit rund einem Jahr geändert hat, ist sein Mindset für seine Arbeit und vor allem für sein Leben. Fritz’ Wandel begann mit einer einfachen, aber fundamentalen Frage: „Warum war es mir immer so wichtig, recht zu haben?“ Klar, man könnte sagen, das liegt in der Natur eines Anwalts. „Aber wir sind ja keine Streitkanzlei. Und trotzdem war ich die letzten Jahre total darauf fixiert, recht zu haben. Das war ein Ego-Thema“, weiß er heute. Aus dem Rückspiegel betrachtet.
Die stille Revolution
Diesen Blick in den Rückspiegel wagte er vor einem Jahr ganz bewusst. „Ich habe mich gefragt, ob ich mir so mein Leben vorgestellt habe. Rückblickend habe ich gemerkt, dass ich immer extrem unter Strom gestanden bin, auch in der Freizeitgestaltung, ich war ein total unruhiger Geist.“ Und dann fing er an, seinen inneren Kompass neu auszurichten. Dazu lernte er sich erst mal selbst so richtig kennen. „Ich bin viel in der Sauna gesessen. Alleine. Und in dieser Stille passiert sehr viel im Kopf.“ Außerdem meditiert er seither regelmäßig. „Fast jeden Morgen beginne ich um fünf Uhr in der Früh mit einer kurzen Meditation, dann mache ich Sport und dann bringe ich die Jungs in die Schule.“ Das mit dem Meditieren sei anfangs gar nicht so leicht gewesen. „Ständig kreisen irgendwelche Gedanken im Kopf, aber ich verwende eine Meditationsapp, die hilft mir sehr.“ Drangeblieben ist er deshalb, weil er den Effekt sofort gespürt hat. „Ich komme dabei runter und bin völlig entspannt.“
Fritz’ Hände liegen am Tisch. An der rechten trägt er seinen Ehering, an der linken einen etwas breiteren schwarzen Ring, einen sogenannten Oura Ring. „Damit kann ich zum Beispiel meine Schlafwerte besser kennenlernen. Guter Schlaf ist unerlässlich, wenn man wirklich fit und leistungsfähig sein will.“ Es sei aber ein schmaler Grat, sagt Fritz weiter, weil man schnell in die absolute Selbstoptimierung komme. „Und das stresst ja erst recht wieder. Ich schaue daher nur gelegentlich darauf und bin nicht völlig gefangen von diesem Technikding.“ Wie es ist, die Geisel einer technischen Innovation zu sein, das kennt er. „Früher bestimmte mein Handy mein Leben. Es war das Letzte, was ich vor dem Schlafengehen in Händen hielt, um noch mal die E-Mails zu checken, und das Erste, wonach ich in der Früh griff.“ Sowohl bei Besprechungen als auch im Privaten, das Handy ist nicht mehr sein ständiger Begleiter. „Seitdem ich bewusst darauf verzichte, bin ich so viel ruhiger und entspannter geworden. Es lenkt dich ja sonst permanent ab.“
Kurswechsel
Geprägt habe seinen Wandel sein gesamtes Umfeld – Familie, Freunde, Arbeitskollegen, aber auch Klienten. „Das ist das wirklich Schöne an unserem Job: Wir lernen sehr viele unterschiedliche Persönlichkeiten kennen. Und wenn man über die Zeit Vertrauen aufbaut, auch am Abend mal zusammensitzt, dann kann man sich auch gegenseitig inspirieren.“ Vor Kurzem habe ihm ein Klient „Das große Buch vom Schlaf“ empfohlen. Bei seiner Ernährungsumstellung war hingegen seine Frau Katharina die Inspirationsquelle. „Für mich war klar, durch trainieren und meditieren alleine kann ich nicht hundertprozentig fit sein.“ Fleisch esse er nur noch ganz selten, und das, obwohl „es früher vermutlich in ganz Europa keinen Menschen gab, der mehr Beef Tatar essen konnte als ich“, sagt er und schmunzelt. Heute ernährt er sich vorwiegend vegetarisch und vor allem regelmäßig – auch das Frühstück gehört mittlerweile für ihn fix dazu. Seit einem Jahr trinkt Fritz außerdem kaum noch Alkohol. „Dieses Gesamtpaket fühlt sich total stimmig an.“ Teil des Pakets ist auch die regelmäßige sportliche Bewegung. „Ich war früher auch sportlich, aber da war Sport für mich so leistungsgetrieben. Von 0 auf 100, das war ich. Da bin ich lange Strecken gelaufen und war danach komplett fertig.“
„Fertig“ wäre wohl so ziemlich das letzte Attribut, das wir diesem Mann, der uns heute gegenüber sitzt, zuschreiben würden. Er sieht eher so aus, als könnte er jederzeit ganz locker einen Marathon laufen. Vielleicht liegt das auch an seinem sportlichen Outfit. Ob er denn nie Krawatte trage, wie man das Bild von einem Anwalt halt so im Kopf hat? Er lächelt wieder. „Sehr selten. Es ist uns als Kanzlei ganz wichtig, dass wir weg von diesem tradierten Rollenbild kommen. Schon bei unserer Gründung und bei unserem Zusammenschluss war für meine beiden Mitgesellschafter Ewald, Christian und mich klar, dass wir einiges anders machen möchten als in den Strukturen, die wir bisher kennengelernt hatten.“ Ihr Ansatz sei, auf höchstem Niveau Transaktionsberatung zu machen –
„und zwar mit einem coolen Mindset“. Das haben sie auch schon von Beginn an versucht zu leben. „Wir stehen für unseren menschlichen Ansatz und dafür, dass wir das Miteinander in der Kanzlei leben. Und grundsätzlich haben wir – ja, ich weiß, das sind so große Worte – einen werteorientierten Zugang.“
Fakt oder Fake?
5 Klischees am Prüfstand:
#1 Anwälte streiten gern.
Tendenziell trifft das auf die Branche wohl zu. Aber man muss schon differenzieren. Für Transaktions- und Wirtschaftsanwälte ist das Streitthema sicherlich nicht das vorherrschende.
#2 Anwälte arbeiten rund um die Uhr.
Anwälte arbeiten im Allgemeinen sehr viel. Das trifft auch auf mich zu. Aber heute nehme ich mir bewusst Auszeiten. Allerdings meine ich, das ist nicht nur in der Anwaltsbranche so – ständig beschäftigt zu sein ist ein Statussymbol, man rühmt sich damit. Drei Stunden Schlaf reichen, man ist ja so superwichtig. Ich habe dazu kürzlich ein Buch gelesen mit dem passenden Titel „Busy is the new stupid“.
#3 Anwälte sind kalt und unnahbar.
Das stimmt definitiv nicht.
#4 Anwälte sind nur auf Profit aus. Und fahren vorzugsweise Porsche.
Das bringt mich zum Schmunzeln. Es stimmt schon, wenn du ständig in einem Umfeld bist, wo es um sehr viel Geld geht und wo sozusagen Erfolg auch stark durch Geld definiert wird, dann macht das etwas mit dir. Und meine Frau hat mir dann schon auch reflektiert, dass ich in diesem System verstrickt war. Es ist schön, wenn man sich davon lösen kann und sich fragt: Bitte, worum geht es eigentlich? Und die Sache mit dem Porsche: Ich muss zu meiner Schande gestehen, da erfülle ich tatsächlich das Klischee – es steht ein Porsche in der Garage. Allerdings habe ich den vor meiner Transformationsphase gekauft – das ist sozusagen ein Relikt vom Ego. (Er lacht.) Es gibt durchaus Anwälte, die einfach motorsportaffin sind und sich deshalb einen Sportwagen kaufen. Aber es gibt auch jene, die einen Porsche des Egos wegen fahren. Ich habe definitiv zur zweiten Kategorie gehört. Mittlerweile macht es mir halt auch echt Spaß, damit zu fahren.
#5 Anwälte kennen alle Gesetze auswendig.
Nein! Ein guter Freund und Kollege hat einmal zu mir gesagt: Ein guter Jurist ist wie ein guter Musiker. Er kann die Noten nicht auswendig, aber er weiß, wie man sie spielt.
Die Sache mit der Anziehung
Ein ähnliches Mindset haben auch ihre Klienten. „Vielleicht ist das ein Resonanzthema. Wir haben tatsächlich wenige Mandanten, die Justament-Standpunkte vertreten. Also jene, die sagen: ‚Ihr peitscht mir das jetzt durch!‘ Das sind wir nicht. Und ich denke, die fühlen sich auch nicht von uns angesprochen.“ Ihre Zielklienten seien vielmehr lösungsorientierte Unternehmer. Das sei ohnehin ihr Ansatz: von Unternehmern für Unternehmer. Das Team bei Oberhammer Rechtsanwälte besteht aktuell aus 30 Experten, darunter 18 Juristen. „Wir verstehen unternehmerische Gesamtzusammenhänge sehr gut, weil wir auch in vielen Entscheidungsgremien wie Aufsichtsräten sitzen. Wir kennen die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestens.“
Wo ein Wille ist …
Wäre Fritz eine Frau, würde er mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder diese eine Frage gestellt bekommen: Wie bringst du als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt Familie, Hobbys, Freundschaften und Beruf unter einen Hut? Und natürlich stellen wir ihm die Frage jetzt, auch oder gerade weil er ein Mann ist. Fritz nickt und atmet hörbar aus. „Es wäre gelogen, zu sagen, dass ich in der Vergangenheit das alles unter einen Hut gebracht habe. Ich hab zwar gewisse Aufgaben übernommen, war aber nicht wirklich mit dem Kopf dabei.“ Rückblickend habe er gemerkt, dass zur Rolle des Vaters und Ehemannes schon mehr dazugehört, als nur gewisse Aufgaben zu übernehmen. „Jetzt ist es vielmehr ein Integrieren in mein Leben. Und das funktioniert ganz gut, weil es selbstverständlich ist, dass ich auch mal bei den Kindern bin und meine Frau beruflich unterwegs ist.“ Natürlich sei es mit den Terminen manchmal herausfordernd, aber „man nimmt sich da ja selbst meist viel zu wichtig und denkt, man muss bei jedem Meeting dabei sein“. Es gehe aber auch anders, denn, so sein Credo: Wo ein Wille ist, da ist ein Weg. „Mittlerweile bin ich fest davon überzeugt, dass alles nur eine Frage der Organisation ist.“
Auch seine beiden Co-Gesellschafter haben Kinder, deshalb sei das gegenseitige Verständnis groß. „Wir ticken da alle gleich.“ Selbiges gelte auch für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Wir haben viele junge Eltern und suchen immer ein vernünftiges Arbeitsmodell, damit man alles unter einen Hut bringen kann. Da muss man auch innovative Lösungen suchen, denn die regulatorischen Bedingungen machen es uns nicht sehr leicht.“
Das mit dem Innovativ-Sein haben sie sich ohnehin auf die Fahnen geheftet. „Christian war immer schon ein innovativer Kopf mit gutem technischen Verständnis. Und so versuchen wir, am Puls der Zeit zu bleiben. Gerade was technische Hilfsmittel anbelangt – bei uns diktiert auch niemand, wie es früher in Anwaltskanzleien üblich war. Wir haben keine Schreibkräfte und es hat auch nicht jeder eine Sekretärin.“ Den Kaffee macht er sich übrigens auch selbst – können wir bezeugen. „Also hier ist nichts stereotypisch, wie man’s vielleicht erwarten würde.“ Auch das Thema KI beschäftige sie sehr. „Wir versuchen, die KI in unseren Arbeitsalltag zu integrieren.“ Manches funktioniere noch nicht so gut, aber da müsse man dranbleiben. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die KI gerade auch bei uns Rechtsberatern einen fixen Platz einnimmt.“ Und nein, Angst davor, dadurch ersetzt zu werden, habe er definitiv keine.
Wohin der Kompass zeigt
Dann werfen wir also noch mal einen Blick auf den Kompass. Wohin zeigt er und wohin geht Fritz in den nächsten fünf Jahren mit diesem neuen Mindset? „Ich stelle mir vor, dass ich zufrieden auf die weitere Entwicklung zurückblicke. Auch deshalb, weil ich gelernt habe, dass man das Leben nicht zeichnen und nicht alles planen kann.“ Damit meint Fritz nicht, dass man keine Pläne braucht. „Aber es ist derzeit eine extrem bewegte Zeit, da geht es darum, situationsbedingt richtig zu reagieren und als Organisation weiter zu wachsen.“ Mit „wachsen“ meint er nicht zwingend, quantitativ zu wachsen. „Es war ja auch nicht das Ziel, bis jetzt so groß zu werden, sondern das hat sich einfach aus der Mandatsstruktur ergeben, dass wir entschieden haben: Wir brauchen einfach eine gewisse Schlagkraft, um diese Mandate abwickeln zu können. Und so sind wir halt sukzessive immer weiter gewachsen.“ Eine Anwaltsfabrik wollen sie ganz bewusst nicht werden. „Das ist uns deshalb wichtig, weil ich glaube, dass vieles leichter fällt, wenn man sich gewisse flexible Strukturen erhält.“
Es ist fast zwölf Uhr. Vor einem Jahr wäre Fritz jetzt wohl zum nächsten Termin gehetzt. Heute ist das anders – wir werden noch gemeinsam im Restaurant MYC, dem Restaurant der Team7-Welt, zu Mittag essen. Und nein, Fritz wird sich tatsächlich kein Beef Tatar bestellen. Sondern ein Chili sin carne. Der Kompass ist eingenordet._
# Die Anatomie eines Anwalts
Also jedenfalls dieses Anwalts: Fritz Ecker
Kopf_Was geht dir durch den Kopf, wenn du einen neuen Klienten betreust? Was ist sein Warum? Ich möchte herausfinden, was die Intention des Mandanten ist. Das versuche ich immer, zuerst zu verstehen.
Herz_Wofür schlägt dein Herz? Klingt platt, aber ist ganz klar für mich: die Familie.
Lunge_Was brauchst du zum Durchatmen? Sauna und Joggen. Und ganz wichtig: Handy-Detox.
Gesäß_Woran sitzt du lange und vergisst die Zeit?Wenn wir gemeinsam Strategien entwickeln, brainstormen, Transaktionen strukturieren – das macht mir großen Spaß und da verstreicht die Zeit dann einfach wahnsinnig schnell.
Redaktion
- Susanna Winkelhoher
Fotos
Antje Wolm