Innovatoren der ersten Stunde
Visionär und Realist – Andreas Fill, Geschäftsführer des Maschinenbauunternehmens Fill im oberösterreichischen Gurten, ist beides. Denn er und sein Team wissen, dass es als Early Adopter in der Branche vor allem auch darauf ankommt, einen Schritt weiter zu denken als andere und dabei trotzdem die eigenen Stärken und die Wettbewerbsfähigkeit nicht aus den Augen zu verlieren.
„Kennen Sie den Witz vom Eisbären?“, fragt Andreas Fill mitten in unserem Gespräch und stößt auf ein Kopfschütteln. „Zwei Freunde gehen durch die Arktis und treffen plötzlich auf einen Eisbären. Der eine zieht sich Turnschuhe an. Sagt der andere: ‚Was bringen dir die Turnschuhe, du bist trotzdem nicht schneller als der Eisbär?‘ Antwortet der Erste: ‚Stimmt, aber ich bin schneller als du.‘“ Was im ersten Moment lustig erscheint, soll die schwierige Situation am internationalen Markt der Maschinenbaubranche verdeutlichen. „Die Vision, dass der europäische Maschinenbau in fünf Jahren schneller oder besser ist als der chinesische oder indische, ist für mich eine Utopie. Es geht viel eher darum, nicht komplett den Anschluss zu verlieren.“
Es sei mitunter im Moment schwer, visionär zu denken, weil das Tagesgeschäft an sich schon seit Jahren sehr aufreibend ist. Sei es durch die verschiedenen Krisen der vergangenen Jahre oder die immer stärker werdende Bürokratie. Daraus leitet sich eine von Fills Visionen für das Unternehmen ab: Er will mit Fill auch noch 2030 wettbewerbsfähig sein. „In der europäischen Industrie so zu denken, ist eigentlich doch ziemlich visionär.“
Wie das Unternehmen den aktuellen Herausforderungen aktiv begegnet? „Durch Innovation, Prozessoptimierung und Förderung unserer Mitarbeitenden. Wenn wir nicht jährlich zehn Prozent unseres Umsatzes in neue Technologien investieren, sind wir in fünf Jahren nicht mehr konkurrenzfähig. Meine zweite große Vision ist nämlich, dass wir bis 2030 die maximale Unabhängigkeit erreichen.“ Das beinhaltet für ihn mehrere Ebenen. „Wir sind schon seit vielen Jahren unabhängig von Banken und wollen dies auch bleiben. Das heißt, wir wachsen aus eigener Kraft und bauen nur dann, wenn wir es uns leisten können. Das mag ein konservativer Ansatz sein, aber er hat sich bewährt.“ Die zweite Komponente ist die Unabhängigkeit von Märkten. Als Sondermaschinenbauer mit breitem Produktportfolio sieht er das Unternehmen auch dort schon auf einem guten Weg. Wenn es Schwankungen in gewissen Märkten gibt, kann dies durch andere Märkte kompensiert werden. Der dritte Aspekt beinhaltet die Unabhängigkeit beim Thema Energie. Schon jetzt erweitert das Unternehmen die Flächen zur Solarenergienutzung und arbeitet ein Speicherkonzept aus, um zumindest im Sommer energieautark zu sein.
Die Investition in die Mitarbeiterentwicklung ist für Fill der vierte Teil des Puzzles. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir auch in fünf Jahren von den Schulen noch die Mitarbeitenden bekommen, die wir brauchen. Die Schulen sind teilweise überfordert mit der Geschwindigkeit der Entwicklungen, vor allem im Bereich der Digitalisierung. Das Bildungsprogramm dafür müsste sich eigentlich alle sechs Monate ändern. Da können wir mit unserem Future Lab, unserer Wissensfabrik, einiges beitragen.“ Er ist überzeugt, dass man die Herausforderungen der Zukunft nur bestehen kann, wenn man die besten Köpfe im Unternehmen hat. „Je schwieriger das Umfeld, desto besser müssen die Mitarbeitenden sein, ihre Einstellung zur Arbeit und die Art und Weise, wie sie sich einbringen. Deswegen stecken wir so viel Energie in das Thema Ausbildung und Berufsorientierung.“
Ein Beitrag zur Gesellschaft
Fill wäre nicht Fill, wenn der Geschäftsführer nicht jetzt schon zahlreiche Ideen für die Zukunft des Unternehmens hätte. Bei den meisten kann man tatsächlich gar nicht mehr von Visionen, sondern bereits von konkreten Plänen sprechen. Im Zuge des Next World Projects, das zu den Megatrends Mobilität, Gesellschaft und Umwelt beitragen möchte, entsteht gerade die Next World Factory mit Schwerpunkt auf die Lehrlingsausbildung, die auch anderen Firmen offenstehen soll. Wie beim Future Lab wird es verschiedene Labore geben, zum Beispiel ein Energielabor, ein Recyclinglabor, ein Elektroniklabor oder ein Qualitätssicherungslabor, in denen es darum geht, verschiedenen Altersgruppen spielerisch MINT-Themen näherzubringen. Bereits 2025 starten die ersten Programme.
Im nächsten Schritt soll die Factory auf eine ganze Academy ausgeweitet werden, die sich zu einem zweisprachigen Ausbildungszentrum vom Kindergarten bis zur neuen Mittelschule ent-
wickeln könnte und wo Fill die Kooperation mit Schulen weiter ausbauen möchte. Aktuell bietet Fill jährlich über 4.000 Kindern und Jugendlichen Einblicke in die Welt der MINT-Berufe und leistet dadurch regional und überregional gesehen einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. „Denn jeder Jugendliche, der sich für den falschen Job entscheidet, weil er nicht weiß, welche anderen Jobs es noch gegeben hätte, die besser zu ihm gepasst hätten, ist einer zu viel.“
Im Moment wird am Standort in Gurten am
Power Cube gebaut, der Parkflächen schaffen soll, und der unter anderem einen Friseur, eine Physiotherapiepraxis und ein Pub für Mitarbeitende und Außenstehende enthalten soll. Dieser bietet so viele Parkplätze, dass auf der jetzigen Parkfläche eine rund 10.000 Quadratmeter große Schotterfläche übrigbleibt. Im Sinne der Nachhaltigkeit wird hier noch heuer eine Blumenwiese mit einem Lehrpfad angelegt und Platz für Bienen geschaffen, die in einem weiteren Labor dem Lernen dienen sollen.
Unsere Vision(en)
„Wir sind 1! We are one!“ Das bedeutet, wir sind ein Team, das gemeinsam erfolgreich ist. Wir möchten als Unternehmen auch 2030 noch wettbewerbsfähig und maximal unabhängig sein, von Banken, von Märkten und beim Thema Energie. Und noch immer viele gute Bewerberinnen und Bewerber bekommen, damit wir uns den Herausforderungen des Marktes stellen können. Dann können wir uns gemeinsam unseren Visionen wie dem Next World Project, einem Ausbildungszentrum mit verschiedenen Laboren und Möglichkeiten der Berufsorientierung, widmen. Das Projekt ist allerdings mehr als eine Vision, es ist vielmehr unser Bekenntnis, dass wir bei den Megatrends Mobilität, Gesellschaft und Umwelt mitwirken – als Maschinenbauunternehmen und als Arbeitgeber.
Der Motor im täglichen Tun
Andreas Fill und seine Familie haben gelernt, dass groß zu denken bedeutet, immer einen Schritt voraus zu sein. „Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn wir für drei oder vier Jahre geplant haben, dass der Plan oder die Gebäude, die wir gebaut haben, dann immer zu klein waren. Deswegen setzen wir jetzt schon automatisch einen Stock als Reserve drauf.“
Wie die Visionen dafür entstehen? „Ich nehme mir im Alltag bewusst Zeit, über vermeintliche Randthemen nachzudenken. Das tut mir auch im täglichen Geschäft gut. Und mir ist bewusst, ich kann die Überschriften liefern, aber umsetzen muss sie meine Mannschaft.“ Wichtig sei vor allem, die Visionen intern sowie extern entsprechend zu kommunizieren und das Team immer an Bord zu holen.
Für Andreas Fill sind seine Visionen auch sein Motor. „Keine Visionen zu haben, wäre äußerst langweilig. Das Schlimmste für mich wäre, immer denselben Job zu machen, ohne nach vorne zu denken. Der erste Tag, an dem ich keine Visionen mehr habe, wäre der beste, mich in den Ruhestand zu begeben.“ Doch bis dahin wird noch etwas Zeit vergehen und viele Ideen werden Realität werden, für die Zukunft des Unternehmens, der Mitarbeitenden und der gesamten Region._
# Gedankensprung
mit Andreas Fill
Fokus auf die Gegenwart oder auf die Zukunft_Momentan auf die Gegenwart, weil aktuell viele Entscheidungen zu treffen sind.
Ideen allein oder im Team entwickeln_Immer im Team.
Auf mein Bauchgefühl verlasse ich mich_fast immer, aber vor allem dann, wenn ich allein entscheiden muss.
Das Unternehmen Fill in 3 Worten_Familie, tolle Mitarbeiter, außergewöhnlich
Mein erster Gedanke, wenn ich morgens ins Büro komme_Ich überlege mir kurz meinen Tagesablauf und schaue auf unserer Kommunikationsplattform, was es Neues gibt.
Ein Vorurteil über unsere Branche, das ich gerne aus der Welt schaffen würde_dass Industrie schmutzig ist.
Das Spannendste an meiner Arbeit in der Maschinenbaubranche_die Abwechslung.
Wenn wir uns am 25. September 2040 wiedersehen, …
„... fliege ich mit einer Drohne über das Firmengelände und sehe mir an, wie gut sich das Unternehmen entwickelt hat. Es herrscht voller Betrieb in allen Hallen und in den Büros. In der Next World Academy tummeln sich Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen und lernen in verschiedensten Labors Neues. Ich freue mich, dass ich einen großen Beitrag dazu geleistet habe, aber bin auch froh, den beruflichen Alltag bereits hinter mir gelassen zu haben. Während ich in der Cafeteria einen Kaffee trinke und darauf warte, meine Enkelkinder aus der Academy abzuholen, mache ich mir Gedanken darüber, wo mich mein nächster Urlaub hinführt.“
Redaktion
- Melanie Kashofer
Fotos
Antje Wolm