Homeoffice? Nein, danke!
Oder anders gefragt: Wie gelingt es, Menschen wieder zurück ins Office zu locken, wenn Homeoffice längst zur Gewohnheit geworden ist? Und ist das überhaupt nötig? Die Arbeitswelt der Zukunft – was macht sie mit unseren Büros, mit unserer Persönlichkeit, mit unserer Kreativität und mit dem Output für die Unternehmen?
„Wuff!“ Das war Rosa. Sie bellt immer vor Freude, wenn die Tür aufgeht. Ihr Besitzer lehnt an der Kochinsel und genießt seinen zweiten Kaffee an diesem Morgen. Homeoffice? Nein. Das ist vielmehr eine Szene der modernen Arbeitswelt. Am Tag darauf beobachtet Rosa ihr Herrchen in den eigenen vier Wänden, dazwischen spaziert sie mit ihm durch den Park. Und im Park sieht sie die Nachbarin auf einer Parkbank – mit ihrem Laptop am Schoß.
Gekommen, um zu bleiben
„Hätte uns vor zehn Jahren jemand gesagt, dass unsere Arbeitswelt heute so aussehen würde, dass viele Leute im Homeoffice arbeiten – wir hätten wohl alle gesagt: No way!“, erzählt Oona Horx-Strathern. Seit fast 30 Jahren arbeitet sie als Trendforscherin, Beraterin, Rednerin und Autorin. Sie ist überzeugt: „Homeoffice wird in Zukunft nicht verschwinden.“ Umfragen zeigen, dass Menschen, die ins Office zurückgezwungen werden, nicht nur unglücklicher, sondern auch unproduktiver sind. „Die Ansprüche ans Arbeitsleben haben sich geändert – die Coronakrise hat diesen Wandel beschleunigt. Daraus entstehen neue, spannende Herausforderungen.“
Heute gehe es nicht mehr um die berühmte Work-Life-Balance – „das Konzept hat viele Menschen enttäuscht und ihr Leben stressiger gemacht. Außerdem signalisiert es ein Negativ und ein Positiv, ein Schwarz oder Weiß, ein On oder Off“. Oona spricht daher von „Work-Life-Blending“. Für viele seien durch die Digitalisierung, durch den Lebensstil und eben auch durch das Arbeiten im Homeoffice die Grenzen verschwommen. „Mit diesem Konzept haben wir mehr Kontrolle darüber, wann und wie wir arbeiten, und müssen Arbeit und Leben nicht gegeneinander aufwiegen.“ Um neue Arbeitskräfte anzulocken und zu halten, bräuchten Unternehmen neue Ideen, Strategien und Designs. Gerade die jüngeren Generationen wünschen sich mehr Flexibilität und wollen selbst entscheiden können, ob sie Homeoffice machen oder nicht.
Doch was beeinflusst diese Entscheidung? Was muss ein Office bieten, um dem Homeoffice Konkurrenz zu machen? Das ist eine Frage, der man sich bei M.O.O.CON immer wieder stellt. Die Unternehmensberatungsfirma begleitet nachhaltige Gebäude, Service- und Changeprozesse. „Mitarbeitende müssen einen spürbaren Mehrwert für ihre Arbeit oder ihr Wohlbefinden erleben, wenn sie im Büro arbeiten. Bleibt dieser Mehrwert aus, sticht die Bequemlichkeit des Homeoffice“, sagt Architekturpsychologin Sabine Zinke – sie ist Partnerin bei M.O.O.CON.
Leere Tische, aber kein Platz
Die meisten Tagesroutinen und somit die individuellen Arbeitskonzepte haben sich seit der Pandemie stark verändert. „Das passt oft nicht mehr mit den bestehenden Bürokonzepten und -strukturen zusammen“, erklärt Caroline Sturm, Architektin, Innovationsexpertin und Senior Consultant bei M.O.O.CON. Das sieht dann in etwa so aus: Trotz der vielen leeren Schreibtische im Büro gibt es keinen Platz für neue Mitarbeiterinnen. Oder den Mitarbeitern fehlen im Büro die Orte für Kollaboration und die technischen Möglichkeiten für gute hybride Zusammenarbeit, um auch die remote Teilnehmenden gleichwertig „in den Raum“ zu lassen. Die logische Folge: Die Büroräumlichkeiten sollen transformiert werden. Aber: Wer hat in Zeiten wie diesen schon das nötige Kleingeld für einen Umbau?
„Der Zeitpunkt für eine Veränderung ist abhängig vom Pain, der diese Bestrebungen auslöst, und natürlich von den finanziellen Mitteln, die zur Verfügung stehen.“ Aber auch mit wenig könne viel erreicht werden, ist Caroline Sturm überzeugt. „Oft reichen schon kleine Interventionen, um Impulse für ein neues Verhalten auszulösen.“ Zum Beispiel könnten durch gemeinsame Nutzung von Arbeitsbereichen (Sharing) Flächen für eine neue Verwendung freigespielt werden. „Das Einzelzimmer wird zum Rückzugsort für Videocalls, oder das Gruppenbüro zur Projektfläche. Da genügt schon ein neues Türschild und eventuell eine neue Möblierung.“ Auch bisher ungenutzte Bereiche wie Gangflächen oder Terrassen könnten nutzbar gemacht werden. „Gänge werden zu Project Spaces und Treppen zu Podien. Mittels Paravents oder Vorhängen können ohne bauliche Interventionen temporäre Zonierungen und Räume geschaffen werden.“
Einfach nur ein schönes Büro zu machen, reiche übrigens nicht – davon ist auch Oona Horx-Strathern überzeugt. „Ich war bei einer Softwarefirma zu Besuch, die hatte ein wunderschönes, neues Büro; sie haben mir alles gezeigt, es war beeindruckend. Und dann gab es Mittagessen … das war grottenschlecht! Damit sich die Leute wohlfühlen, muss man wirklich an viele Ebenen denken.“ Außerdem falle ihr immer wieder auf, dass vermeintliche Kleinigkeiten das Gesamtbild zunichtemachen. „Das klingt total banal, aber viele haben perfekte Büros, doch dann geht man auf die Toilette und dort ist es einfach … awful.
Schon mal was von Themen Hubs gehört?
Co-Working-Spaces sind längst keine Neuheit mehr – sie bieten kreativen Freelancern, digitalen Nomaden, EPU und kleinen Organisationen eine Heimat. Noch nicht so bekannt sind die sogenannten „Themen Hubs“. „Das sind Orte, wo Personen, Initiativen und Unternehmen zusammenkommen, die alle für das gleiche Thema einen Beitrag leisten wollen“, erklärt Sabine Zinke. „Sie arbeiten, forschen, experimentieren, vernetzen sich, lernen voneinander, kooperieren und innovieren für eine gemeinsame Sache.“ Organisationsgrenzen würden zu einem Netzwerk mit sinnstiftender Ausrichtung verschwimmen. Weil sich immer mehr Individuen wie Organisationen für ihr Wirken an einem Purpose orientieren, steckt in diesen räumlichen Plattformen noch sehr viel Fantasie und Potential.
Die 4 Ks. Und wie sie Menschen zurück ins Office bringen
#1 Komfort
Die Menschen haben sich daran gewöhnt, zu Hause in lockerer Kleidung gemütlich zu arbeiten, sich zwischendurch etwas zu kochen und auch mal vom Schreibtisch zum Sofa zu wechseln oder den Hund zu Füßen liegen zu haben. Arbeitgeber müssen sich daher die Frage stellen: Wie kann man diesen Komfort ins Büro übertragen? „Es geht jetzt darum, diese Gemütlichkeit, diesen typischen Hygge-Stil ins Büro zu bringen. Oft sind es vermeintlich kleine Sachen, wie etwa Farben und Stoffe, die ein ganz anderes Gefühl reinbringen.“
#2 Kommunikation
Homeoffice ist gemütlich. Aber auch einsam. „Die Einsamkeit ist nicht nur durch die Pandemie entstanden, auch durch unsere digitalisierte und sehr individualisierte Gesellschaft.“ Die Leute würden zwar gerne zu Hause arbeiten, aber die Einsamkeit sei ein großes Problem. „Wenn ein Unternehmen aber nun Möglichkeiten schafft, dass die Menschen im Office gut miteinander kommunizieren können –
zum Beispiel rund um eine Kochinsel –, dann schafft das ein Community-Gefühl.“ Und genau das locke die Menschen ins Büro. „Wenn Firmen eine Art Community aufbauen, sind die Mitarbeiter motivierter, bleiben länger bei einer Firma und arbeiten effektiver.“
#3 Konnektivität
Dabei geht’s um die Organisation – also um die Frage: Wie kann man das hybride Arbeiten möglich machen, eine Verbindung zwischen all den verschiedenen Arbeitsorten herstellen?
#4 Kollaboration
Wie können die Menschen in den Offices nun miteinander arbeiten, wie können sie neue Kommunikationswege finden, gemeinsam kreativ werden? „Manche Firmen bauen Küchen ein, wo die Leute dann zusammen um die Kochinsel stehen und die kreativsten Ideen entstehen. Andere investieren in eine richtig gute Kaffeemaschine, organisieren einen Barista, der erklärt, wie man den Kaffee macht, und dann treffen sich die Leute dort.“_
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Gettyimages, Klaus Vyhnalek, M.O.O.CON