Ein ganz persönlicher Jahresrückblick
2015. Der Hochofen in der Voestalpine läuft auf Hochtouren wie eh und je, die Ausdünstungen aus den Schloten tauchen den nächtlichen Himmel über der Stahlstadt weiter in vertrautes, orangenfarbenes Licht. In Steyr werden im Minutentakt BMW-Motoren für den Weltmarkt produziert. Auch in den zahlreichen anderen Industriebetrieben des Bundeslandes geht alles seinen gewohnten Gang – aber nur scheinbar. Denn hinter den Kulissen findet ein Wandel statt, der die heimische Wirtschaft und die Arbeitsweise wohl für immer verändern wird. Die vierte industrielle Revolution hat längst begonnen. Ein Beweis dafür ist Linemetrics-Gründer Wolfgang Hafenscher, der eine Art Google Analytics für die reale Welt entwickelt hat. „Wir wollen nicht eine gesamte Fabrik neu steuern, sondern bestehende Vorgänge transparent machen“, erzählte er mir, als ich den Unternehmer bei seinem Kundentermin bei der Firma Schinko besuchte. Wie ein WLAN-Router sieht das kleine, unscheinbare Gerät von Linemetrics aus, das an die gewaltigen Maschinen angeschlossen wird. Die Wirkung ist alles andere als klein: Es misst jeden einzelnen Impuls und hilft so, die Produktivität zu verbessern und zu erkennen, wie gut die Maschinen ausgelastet sind. „Beim NEXT13 Start-up-Pitch in Berlin konnten wir uns gegen Apps aus ganz Europa durchsetzen, die teilweise schon Millionen Kunden zählten“, sagt Hafenscher. Wie oft trifft man schon einen Revolutionär, der in der ersten Reihe Veränderungen vorantreibt?
In Oberösterreich (zumindest im Wirtschaftsbereich) anscheinend öfters als gedacht. Denn auch Dual-Docker-Gründer Michael Fuhrmann kann man mit gutem Recht als Revolutionär bezeichnen. Seit die Menschheit Gewässer erobert, werden Schiffe nach dem stets gleichen Prinzip am Ufer festgemacht – mit Leinen. Der Innviertler hat ein neues Anlegesystem für Yachten entwickelt, Haltebäume aus Stahl statt Seile fixieren die Boote. „Anfangs waren besonders Seeleute meiner neuen Erfindung gegenüber ablehnend“, sagt er. Er gelang ihm schließlich trotzdem, einen Schiffseigentümer zu überzeugen, ihm seine 15 Meter-Yacht für Tests zur Verfügung zu stellen. Fuhrmann: „Ich bin dann immer, wenn das Wetter möglichst schlecht war, nach Kroatien gefahren, um die Erfindung zu testen“. Mittlerweile hat er seine Systeme von den USA bis nach Australien verkauft, in Gibraltar konnte er einen Auftrag für die Fixierung eines 350 Tonnen schweren schwimmenden Bürogebäudes an Land ziehen. Konkurrenz mit ähnlichem Konzept? Fehlanzeige.
Ein völlig anderes Produkt präsentierte mir Philipp Landerl auf seinem Bauernhof in Sierning. Jahrelang flog er als Unternehmensberater um die halbe Welt, verbrachte in einem Jahr mehr Zeit im Flugzeug als der Durchschnittsbürger in seinem ganzen Leben. Nun produziert er hochwertigen Vodka aus regionalen Zutaten, der mittlerweile in Wiener Fünf-Sterne-Hotels ausgeschenkt wird und bei Haubenköchen beliebt ist. Neben dem Standard-Vodka auch die Geschmacksrichtungen Melone-Gurke, Quitte und Rose. Besonders Melone-Gurke hatte es mir angetan – die Sorte wurde mehr als ausgiebig im Büro, daheim und unterwegs „verköstigt“.
Wer zu viel Vodka trinkt, gerät irgendwann fast zwangsläufig in brenzlige Situationen. Oder gar ins Gefängnis. Letzteres passierte mir bei den Arbeiten an der letzten Ausgabe des Jahres. Masters of Escape ist wohl eines der ungewöhnlichsten Start-ups im Lande. Das Unternehmen lässt seine Kunden einen Gefängnis-Ausbruch nachspielen. Innerhalb von 60 Minuten müssen zahlreiche Rätsel gelöst werden, um zu entkommen. Das schaffen ohne Hilfestellung nur die wenigsten Teams. „Wir erleben immer wieder spannende Strategien, manche Besucher arbeiten koordiniert zusammen, während bei anderen totales Chaos herrscht“, sagt Geschäftsführer Rainer Rapp.
Totales Chaos herrschte 2015 bei mir glücklicherweise selten – und wenn dann auf meinem Schreibtisch. Frohes neues Jahr.