Der Visionär für nachhaltige Räume
Wie ein Immobilienentwickler für institutionelle Investoren den Mut fasste, eine ganze Branche herauszufordern. Warum nachhaltiges Bauen am Ende günstiger ist als gedacht. Und was passiert, wenn Kindergartenkinder, Wahl-Großeltern und Studierende plötzlich Nachbarn werden.
Der Nacken tut weh vom vielen Nach-oben-Schauen. Aber Christian Schön kann nicht anders. Während andere Menschen durch Wien gehen und geradeaus blicken – auf Geschäfte, auf andere Menschen, auf die Hektik des Alltags –, wandern seine Augen empor zu den Fassaden, zu den Dachgeschossen, zu jener Architektur, die die meisten übersehen. „Das erkennst du erst, wenn du nach oben blickst“, sagt er und meint die wunderschöne Bausubstanz Wiens, die vergessenen Details, die Symbole alter Gewerke, die damals den Menschen den Weg wiesen, als noch nicht jeder lesen konnte. Diese doppelte Perspektive – das Menschliche im Erdgeschoss und die übersehene Schönheit darüber – ist symptomatisch für einen Mann, der die Immobilienbranche grundlegend anders denkt.
50+ und kein bisschen leise
2017 war das Jahr, in dem sich Christian Schön nicht mehr nur Fragen stellte, sondern sie zu beantworten begann. Mit über 50 Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Und gründete gemeinsam mit Harald Kopertz die unabhängige Immobilien-Managementgesellschaft Auris Immo Solutions. Nicht, weil er musste. Sondern weil die Zeit drängte. „Mit zunehmendem Alter wird die Restwertzeit kürzer, damit man einen Fußabdruck hinterlassen kann.“ Seine drei Enkelkinder sollten einmal sagen können: „Der Opa hat sich dabei etwas überlegt.“ Nachhaltigkeit wurde vom grünen Häkchen auf der Checkliste zur unverhandelbaren Prämisse. „Wenn ich schon in einer Branche arbeite, die nicht den Ruf der Nachhaltigkeit hat, dann möchte ich etwas Sinnstiftendes machen. Nicht mehr für mich, sondern für die nächste Generation.“
Christian Schöns Ansatz ist mehrdimensional gedacht: ökologisch, sozial, emotional. Das Ökologische ist messbar – klimaaktiv-Zertifizierungen, erneuerbare Energien, kreislaufwirtschaftliche Baustoffe. Das Soziale denkt den Menschen in seinem ganzen Lebenszyklus mit: vom Kindergarten bis zur Seniorenresidenz. Das Emotionale aber, das ist vielleicht das Schwierigste und Schönste zugleich: „Man sollte sich wohlfühlen“, sagt Schön über diese dritte Dimension. In der Braunspergengasse 4 im zehnten Bezirk haben sie einen Innenhof geschaffen, mit Kunst am Bau, mit einem außergewöhnlichen Kunstwerk im Innenhof als Treffpunkt, mit Photovoltaik auf der Lärmschutzwand. „Es ist subjektiv, aber man kann Menschen emotional ansprechen.“
Wenn Generationen sich begegnen
Manchmal entstehen die schönsten Geschichten ungeplant. In der Bonsaigasse im 22. Bezirk baute Auris ein Objekt, das verschiedene Generationen unter einem Dach vereint: betreutes Wohnen, Kindergarten, leistbare Wohnungen, studentisches Wohnen. Was dann geschah, hatte niemand kalkuliert.
Die älteren Menschen wurden zu Wahl-Großeltern für die Kindergartenkinder. Studierende gingen für die Senioren einkaufen. Eine Symbiose entstand, die sich niemand ausgedacht, aber alle herbeigesehnt hatten. „So etwas müsste man integrativ mitplanen“, sagt Schön, „dann würde das Leben miteinander einen anderen Wertekatalog haben.“ Und noch ein positiver Nebeneffekt: Die Mieterfluktuation ist hier in der Bonsaigasse schwindend gering. „Wo man sich zuhause fühlt und quasi wie in einer Großfamilie lebt, da will man nicht so schnell weg.“
Der scheinbare Widerspruch
Leistbares Wohnen und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch? Am Anfang schon, gibt Schön zu. Als sie 2017 begannen, verpflichtend nachhaltig zu bauen, war es schwierig, Unternehmen zu finden, die mitziehen wollten. Geothermie statt Gas? „Dann gab es 15.000 Ausreden, warum das nicht machbar sei.“ Aber die Rechnung ging auf. Langfristig wurden die nachhaltigen Lösungen günstiger. Als die Energiekrise kam, waren ihre Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig von Gas- und Ölpreisen. „Wenn du energieautark bist, dann bist du langfristig attraktiver und kostengünstiger.“
Green Building versus Brown Building
Die Zukunft ist bereits sichtbar. Am Immobilienmarkt trennt sich das Feld zwischen „Green Building“ und „Brown Building“. Die nachhaltigen Gebäude werden bevorzugt, die anderen abgestraft. „Ökologie und Ökonomie sind nicht widersprüchlich“, sagt Schön. „Beides spielt schon sehr gut zusammen.“ In 20 Jahren will er zurückblicken und sagen können: Die DNA, die wir unserem Unternehmen eingepflanzt haben, lebt weiter. Die Objekte, die wir gebaut haben, werden noch immer geschätzt für ihre Nachhaltigkeit – ökologisch und wirtschaftlich.
Christian Schön wird weiterhin nach oben blicken, wenn er durch die Stadt geht. Nach den vergessenen Schönheiten der Vergangenheit und nach den Möglichkeiten der Zukunft Ausschau halten. „Generationenübergreifend gedacht ist das auf alle Fälle auch ökonomisch, wenn ich ökologisch denke.“ Der Hund braucht seinen Platz. Die Enkelkinder auch. Und vielleicht, wenn mehr Entwickler lernen, nach oben zu blicken, werden unsere Städte wieder Räume für beides: Effizienz und Schönheit, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
Auris Immo Solutions,
Alexander Firmberger
