Brauchen wir mehr American Dream?
Sich gegenseitig Erfolge gönnen, den Leistungsgedanken stärker zelebrieren und ein positives Mindset an den Tag legen – all das und vieles mehr können wir uns laut IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch in Österreich und Europa von den USA abschauen. „Während wir dazu neigen, uns krankzujammern, schauen die US-Amerikaner mit Selbstbewusstsein nach vorne. Das würde auch uns in der Krise guttun.“
„Zwei Cheeseburger, bitte!“ – passender könnten wir uns vor dem Interview kaum auf das bevorstehende Thema einstellen. Statt jedoch klischeehaft Cola zu bestellen, fällt die Getränkewahl auf einen österreichischen Klassiker: Soda Zitrone. Und noch bevor Joachim Haindl-Grutsch die Erfahrungen seiner USA-Reisen teilt, serviert der Kellner eine Kombination, die zufällig für das steht, was der europäischen Industrie wieder zu mehr Aufschwung verhelfen könnte: das, was wir gut beherrschen, mit den Vorzügen der USA zu kombinieren.
Der Personalabbau in der Industrie setzt sich fort, die Konjunktur schwächelt. Entwickeln wir uns „vom Millionär zum Tellerwäscher“?
Joachim Haindl-Grutsch: Das wäre zu drastisch. Trotzdem müssen wir uns eingestehen, dass der Kapitalmarkt in den Staaten besser funktioniert als bei uns. Statistiken belegen, wie viel mehr Unicorns aus den Startups und der Forschung dort im Vergleich entstehen. Beide politischen Parteien setzen die Wirtschaft an oberste Stelle, was sich historisch im Wirtschaftsliberalismus widerspiegelt: niedrige Steuerquoten und wenig Regulierung treffen auf viel unternehmerische Freiheit.
2023 wuchs die US-Wirtschaft stärker als in den meisten anderen Industriestaaten. Nur eine Mindset- oder doch eine Standortfrage?
Joachim Haindl-Grutsch: Ein Blick auf die Infrastruktur lässt einen daran zweifeln, es würde sich um eine moderne Weltmacht handeln. Was sie in den USA aber beherrschen, ist, sich stets neu zu erfinden und die Überzeugung zu leben, sie seien in allem die Besten der Welt. Wie sehr dort Marketing und Sales vor Selbstbewusstsein strotzen, zeigt das Beispiel Mobiltelefonie – Europa hat es erfunden, die USA verdienen damit sehr viel Geld.
Im direkten Vergleich der Energiekosten hinkt die europäische Industrie der US-amerikanischen hinterher. Was macht man dort anders, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Joachim Haindl-Grutsch: Schon vor vielen Jahren haben sich die USA bei Öl und Gas unabhängig aufgestellt, zusätzlich ist und bleibt man technologie-offen. Beides haben wir verpasst, was leider dazu führt, dass unsere Betriebe ein Vielfaches an Energiekosten stemmen müssen.
Welche drei Dinge können wir uns abschauen, damit aus dem „Austrian Dream“ kein Albtraum wird?
Joachim Haindl-Grutsch: Wir sollten uns vor allem auf unsere Stärken konzentrieren und diese nicht kleinreden. Kreativität, Innovation und eine hohe Qualifizierung in der Breite zeichnen uns aus. Vereinen wir all das mit dem Leistungs- und Wettbewerbsgedanken sowie dem Unternehmertum und Selbstbewusstsein der USA, geht es auch in Österreich und Europa wieder bergauf._
Redaktion
- David Bauer
Fotos
Erik Krügl