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                                    93Wie ein Immobilienentwickler f%u00fcr institutionelle Investoren den Mut fasste, eine ganze Branche herauszufordern. Warum nachhaltiges Bauen am Ende g%u00fcnstiger ist als gedacht. Und was passiert, wenn Kindergartenkinder, Wahl-Gro%u00dfeltern und Studierende pl%u00f6tzlich Nachbarn werden.Der Nacken tut weh vom vielen Nach-oben-Schauen. Aber Christian Sch%u00f6n kann nicht anders. W%u00e4hrend andere Menschen durch Wien gehen und geradeaus blicken %u2013 auf Gesch%u00e4fte, auf andere Menschen, auf die Hektik des Alltags %u2013, wandern seine Augen empor zu den Fassaden, zu den Dachgeschossen, zu jener Architektur, die die meisten %u00fcbersehen. %u201eDas erkennst du erst, wenn du nach oben blickst%u201c, sagt er und meint die wundersch%u00f6ne Bausubstanz Wiens, die vergessenen Details, die Symbole alter Gewerke, die damals den Menschen den Weg wiesen, als noch nicht jeder lesen konnte. Diese doppelte Perspektive %u2013 das Menschliche im Erdgeschoss und die %u00fcbersehene Sch%u00f6nheit dar%u00fcber %u2013 ist symptomatisch f%u00fcr einen Mann, der die Immobilienbranche grundlegend anders denkt.50+ und kein bisschen leise2017 war das Jahr, in dem sich Christian Sch%u00f6n nicht mehr nur Fragen stellte, sondern sie zu beantworten begann. Mit %u00fcber 50 Jahren wagte er den Schritt in die Selbstst%u00e4ndigkeit. Und gr%u00fcndete gemeinsam mit Harald Kopertz die unabh%u00e4ngige ImmobilienManagementgesellschaft AURIS Immo Solutions. Nicht, weil er musste. Sondern weil die Zeit dr%u00e4ngte. %u201eMit zunehmendem Alter wird die Restwertzeit k%u00fcrzer, damit man einen Fu%u00dfabdruck hinterlassen kann.%u201c Seine drei Enkelkinder sollten einmal sagen k%u00f6nnen: %u201eDer Opa hat sich dabei etwas %u00fcberlegt.%u201c Nachhaltigkeit wurde vom gr%u00fcnen H%u00e4kchen auf der Checkliste zur unverhandelbaren Pr%u00e4misse. %u201eWenn ich schon in einer Branche arbeite, die nicht den Ruf der Nachhaltigkeit hat, dann m%u00f6chte ich etwas Sinnstiftendes machen. Nicht mehr f%u00fcr mich, sondern f%u00fcr die n%u00e4chste Generation.%u201cChristian Sch%u00f6ns Ansatz ist mehrdimensional gedacht: %u00f6kologisch, sozial, emotional. Das %u00d6kologische ist messbar %u2013 klimaaktiv-Zertiffzierungen, erneuerbare Energien, kreislaufwirtschaftliche Baustoffie. Das Soziale denkt den Menschen in seinem ganzen Lebenszyklus mit: vom Kindergarten bis zur Seniorenresidenz. Das Emotionale aber, das ist vielleicht das Schwierigste und Sch%u00f6nste zugleich: %u201eMan sollte sich wohlf%u00fchlen%u201c, sagt Sch%u00f6n %u00fcber diese dritte Dimension. In der Braunspergengasse 4 im zehnten Bezirk haben sie einen Innenhof geschaffien, mit Kunst am Bau, mit einem au%u00dfergew%u00f6hnlichen Kunstwerk im Innenhof als Treffipunkt, mit Photovoltaik auf der L%u00e4rmschutzwand. %u201eEs ist subjektiv, aber man kann Menschen emotional ansprechen.%u201cWenn Generationen sich begegnenManchmal entstehen die sch%u00f6nsten Geschichten ungeplant. In der Bonsaigasse im 22. Bezirk baute AURIS ein Objekt, das verschiedene Generationen unter einem Dach vereint: betreutes Wohnen, Kindergarten, leistbare Wohnungen, studentisches Wohnen. Was dann geschah, hatte niemand kalkuliert.Die %u00e4lteren Menschen wurden zu Wahl-Gro%u00dfeltern f%u00fcr die Kindergartenkinder. Studierende gingen f%u00fcr die Senioren einkaufen. Eine Symbiose entstand, die sich niemand ausgedacht, aber alle herbeigesehnt hatten. %u201eSo etwas m%u00fcsste man integrativ mitplanen%u201c, sagt Sch%u00f6n, %u201edann w%u00fcrde das Leben miteinander einen anderen Wertekatalog haben.%u201c Und noch ein positiver Nebeneffiekt: Die Mieterffluktuation ist hier in der Bonsaigasse schwindend gering. %u201eWo man sich zuhause f%u00fchlt und quasi wie in einer Gro%u00dffamilie lebt, da will man nicht so schnell weg.%u201cDer scheinbare WiderspruchLeistbares Wohnen und Nachhaltigkeit %u2013 ein Widerspruch? Am Anfang schon, gibt Sch%u00f6n zu. Als sie 2017 begannen, verpfflichtend nachhaltig zu bauen, war es schwierig, Unternehmen zu ffnden, die mitziehen wollten. Geothermie statt Gas? %u201eDann gab es 15.000 Ausreden, warum das nicht machbar sei.%u201c Aber die Rechnung ging auf. Langfristig wurden die nachhaltigen L%u00f6sungen g%u00fcnstiger. Als die Energiekrise kam, waren ihre Bewohnerinnen und Bewohner unabh%u00e4ngig von Gas- und %u00d6lpreisen. %u201eWenn du energieautark bist, dann bist du langfristig attraktiver und kosteng%u00fcnstiger.%u201cGreen Building versus Brown BuildingDie Zukunft ist bereits sichtbar. Am Immobilienmarkt trennt sich das Feld zwischen %u201eGreen Building%u201c und %u201eBrown Building%u201c. Die nachhaltigen Geb%u00e4ude werden bevorzugt, die anderen abgestraft. %u201e%u00d6kologie und %u00d6konomie sind nicht widerspr%u00fcchlich%u201c, sagt Sch%u00f6n. %u201eBeides spielt schon sehr gut zusammen.%u201c In 20 Jahren will er zur%u00fcckblicken und sagen k%u00f6nnen: Die DNA, die wir unserem Unternehmen eingepfflanzt haben, lebt weiter. Die Objekte, die wir gebaut haben, werden noch immer gesch%u00e4tzt f%u00fcr ihre Nachhaltigkeit %u2013 %u00f6kologisch und wirtschaftlich.Christian Sch%u00f6n wird weiterhin nach oben blicken, wenn er durch die Stadt geht. Nach den vergessenen Sch%u00f6nheiten der Vergangenheit und nach den M%u00f6glichkeiten der Zukunft Ausschau halten. %u201eGenerationen%u00fcbergreifend gedacht ist das auf alle F%u00e4lle auch %u00f6konomisch, wenn ich %u00f6kologisch denke.%u201c Der Hund braucht seinen Platz. Die Enkelkinder auch. Und vielleicht, wenn mehr Entwickler lernen, nach oben zu blicken, werden unsere St%u00e4dte wieder R%u00e4ume f%u00fcr beides: Eflzienz und Sch%u00f6nheit, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit._Text Susanna WinkelhoferFoto AURIS Immo Solutions, Alexander Firmberger 
                                
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