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mit dem Tod – hat für Eva-Maria Pürmayer zu ei-
                           nem ganz neuen Mindset geführt. „In den letzten
                           sieben Jahren lernte ich die Kraft des Todes durch   Liebe wäre wohl die
                           drei recht unterschiedliche und völlig unerwartete
                           Schicksalsschläge kennen. 2016 der Freitod mei-  mächtigste Basis
                           nes Vaters, 2019 kam mein Cousin, der wie ein   einer Revolution.
                           Bruder mit uns aufwuchs, bei einem Flugzeug-
                           absturz ums Leben. Und 2021 bekam ich meine
                           eigene Krebsdiagnose – der Tumor konnte operativ   Eva-Maria Pürmayer
                           entfernt werden und ich bin geheilt“, erzählt Eva-  Geschäftsführerin, Pürmayer GmbH
                           Maria Pürmayer. Heute wisse sie, dass der Tod das   und Gastgeberin, Bergergut
                           Leben erst wirklich lebendig macht. „Der Tod ist
                           wie ein Spiegel. Er berührt uns so tief und macht   Führung radikal umdenken“, ist die 36-jährige
                           uns die Endlichkeit bewusst.“ Als Hochleistungs-  Unternehmerin  überzeugt. Denn gerade wegen
                           gesellschaft haben wir den Tod jedoch weitgehend   des technologischen Fortschritts müssten wir den
                           ausgegrenzt, wir wollen ihm – auch im Sinne der   Menschen ins Zentrum stellen. „Früher war das
                           ewigen Jugend – nicht ins Gesicht schauen. „Aber   in der Führung eher Nebensache, man war mit so
                           wenn wir uns mit ihm beschäftigen, verliert die   vielen anderen Dingen beschäftigt. Aber jetzt wird
                           Fratze des  Todes ihre Hässlichkeit.“ Sie hat die   man als Führungskraft genau darin immer mehr
                           Grabrede für ihren Vater geschrieben, den Lebens-  gefordert.“ Dazu brauche es aber eine Frage vor-
                           lauf am Begräbnis ihres Cousins gelesen … und   weg, so Pürmayer: „Wer führt mich eigentlich als
                           hat sich danach selbst gefragt: „Wie soll am Ende   Führungskraft? Also welche Glaubenssätze, Denk-
                           meine eigene Grabrede sein? Und was, wenn dieser   und Verhaltensmuster? Wer bin ich wirklich? Bin
                           Tag morgen ist? Wie habe ich bis dato gelebt? Gehe   ich von außen gesteuert oder weiß ich, was mich
                           und bin ich auf meinem Weg zu meiner persönli-  innerlich antreibt?“ Diese Hinterfragung fehlt ihr
                           chen Erfüllung?“ Sie ist überzeugt, dass wir alle hier   oft, es brauche nicht nur To-do-Listen, sondern
                           auf Erden sind, um durch unser Sein einen Beitrag   auch To-be-Listen. Die Welt sei immer schon im
                           zu leisten, und dafür wurden wir mit höchst unter-  Wandel gewesen, doch jetzt gehe es um einen
                           schiedlichen Talenten ausgestattet. „Und diese Ta-  richtig großen Wandel. „Das ist ein Kraftakt. Und
                           lente gilt es zu finden und auch einzusetzen.“  manchmal braucht es zunächst Aha-Momente, um
                                                                      die Chancen in diesem Wandel zu erkennen und
                           #4                                         bereit zu werden, das eigene Mindset zu ändern.“

                              Führung radikal umdenken                #5


                           Ganz im Sinne von Goethe – „Wer die Menschen      Mut statt Wut,
                           behandelt, wie sie sind, macht sie schlechter. Wer
                           sie aber behandelt, wie sie sein könnten, macht      Lust statt Frust
                           sie besser“ – führt Eva-Maria Pürmayer ihr knapp
                           45-köpfiges Team. „So zu führen ist anstrengend,   „Unternehmer:innen, Politiker:innen und wir alle
                           zeitintensiv und genau da müssen wir in der   haben so viele Möglichkeiten, um diesen inten-
                                                                      siven Wandel aktiv zu gestalten“, sagt Eva-Maria
                                                                      Pürmayer, denkt kurz nach und fügt dann noch
          #Mindset-Upcycling                                          hinzu: „Nein, ich finde, wir MÜSSEN diesen
                                                                      Wandel aktiv gestalten. Sonst gestaltet er uns.“
                                                                      Und für dieses Gestalten hat sie drei ganz kon-
                                                                      krete Forderungen: Erstens brauche es mehr Mut
          Dieses veraltete Denkmuster würde ich gerne aus der         statt Wut. Mut zu neuen Wegen, frischen Ideen,
          Welt schaffen_eine liebevolle Haltung sei Schwäche.         anderen Sichtweisen, Mut zur Authentizität und
                                                                      Mut zur Reduktion aufs  Wesentliche. Statt ewi-
          … und dafür dieses neue Denkmuster etablieren_sich selbst und   gem Jammern und Schuldzuweisungen im Außen.
          anderen begegnen und dabei Lebendigkeit wecken.             Zweitens fordert Eva-Maria Pürmayer mehr Mit-
                                                                      statt Gegeneinander. „Die großen Herausforde-
          Umzudenken bedeutet für mich_wachsen.                       rungen unserer Zeit für eine gute Zukunft für
                                                                      uns alle können wir nur gemeinsam lösen, ganz-
          So löse ich die „Handbremse“, wenn ich mich mal festgefahren   heitliche Lösungen brauchen Diversität und sind
          fühle_Ich bewege mich in der Stille des Waldes.             bunt … und gelingen nur in liebevoller Haltung.
                                                                      Liebe wäre wohl die mächtigste und schönste Ba-
          Die letzte Veränderung, die mich wirklich weitergebracht hat_die   sis einer Revolution.“ Und dann plädiert sie noch
          vielen Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen – und das   für „mehr Lust statt Frust“ und meint damit: vor-
          tagtäglich. Das bringt mich jeden Tag weiter und das ist auch mein   leben, inspirieren, Lust auf Wandel machen, die
          tägliches Geschäft. Eigentlich ein Gratis-Psychologiestudium.   Chancen in den Fokus rücken. Zum Beispiel auch
                                                                      bei der Frage, warum wir so viel gewinnen können,
          Einfach loslassen sollte man_die Angst vor den eigenen Schatten.   wenn wir mehr verzichten lernen. „Angst schüren
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          Junge Menschen zu führen ist_pures Leben.                   für Veränderung zum Besseren.“_


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