Page 17 - 2023_03_DIEMACHER
P. 17

„Wir müssen diesen


            Wandel aktiv gestalten!“





                Immer höher, immer weiter, immer schneller, immer alles und von allem
                noch mehr. Wir können in diesem Tempo weiterfahren, aber: „Dann werden
                wir gegen die Wand fahren.“ Eva-Maria Pürmayer ist überzeugt, dass
                es ein radikales Umdenken brauche. In der Wirtschaft, in der Politik, in
                der Gesellschaft und vor allem bei uns selbst. „Wir brauchen neue Wege.
                Gehen wir sie gemeinsam und gehen wir es gemeinsam an!“


            Wege, umrandet von Bäumen,  Wiesen und Fel-  derprallen. Wenn es das nicht mehr gibt, dann sind
            dern, findet Eva-Maria Pürmayer direkt vor der   wir ja alle nur noch in unserer Bubble, anonym auf
            Haustür ihres Genießerhotels Bergergut im Mühl-  Social Media.“
            viertel  viele.  Hier  in  Afiesl  ist  sie  aufgewachsen
            und schließlich auch hierher zurückgekehrt, um
            den Familienbetrieb in fünfter Generation weiter-  #2
            zuführen. Geplant war das alles nicht so schnell.
            2016 trat sie völlig unerwartet in die Fußstapfen      Pippi Langstrumpf
            ihres Vaters – Werner Pürmayer nahm sich mit 53
            Jahren das Leben, er war Hotelvisionär und brach-     lässt grüßen
            te vieles in der Region in Bewegung. „Es war eine
            harte, eine sehr intensive Zeit. Zuerst versuchte ich   Sieben Jahre sind nun vergangen, seit sie nach dem
            irgendwie, alles wieder in Bahnen zu bringen, ich   Tod ihres Vaters das Bergergut übernommen hat
            weiß selbst nicht mehr, wie ich die Kraft dafür auf-  und nun mit ihrem Lebenspartner, Haubenkoch
            bringen konnte.“ Welche Rolle Pippi Langstrumpf   Thomas Hofer, als  Vier-Sterne-superior-Hotel
            dabei spielte, dazu später. Sie habe das Lebenswerk   führt. „Das war eine unendlich intensive Zeit“, er-
            ihres Vaters gerettet, titelten damals die Zeitungen.   innert sich Eva-Maria Pürmayer. „Kurz nach dem
            Und ja, das hat sie. Er wäre wohl unfassbar stolz   Tod von meinem Papa bin ich runtergefahren in
            auf seine Tochter. Das ist aber noch lange nicht   die Stadt, ich war noch keine 30, und saß Bänkern,
            alles – heute macht sie ihre eigenen Fußstapfen   Anwälten, Notaren und Steuerberatern gegenüber –
            (vorzugsweise im Wald). Mit einem völlig neuen   wenn ich heute daran denke: Oh mein Gott!“ Hät-
            Mindset – im Führungsstil genauso wie im Gastge-  te sie vorher gewusst, wie viel Kraft sie brauchen
            ben – gestaltet sie den Wandel aktiv mit. Das sind   würde, „ich hätte es wohl nicht gemacht. Ich hätte
            ihre fünf Wege dafür.                       zu große Angst davor gehabt. Aber heute bin ich so
                                                        dankbar und froh, ich bereue überhaupt nichts.“
            #1                                          Geholfen habe ihr dabei eine gewisse „Pippi-Lang-
                                                        strumpf-Energie“. Pippi Langstrumpfs Lebens-
                                                        motto ist: „Das habe ich noch nie gemacht, daher
               Zurück zum Ursprung                      bin ich völlig sicher, das schaffe ich!“ Diese Naivi-
                                                        tät brauchte auch Eva-Maria Pürmayer damals, um
            Irgendwann habe sie sich gefragt: „Okay, was will   genügend Mut aufzubringen. Gelernt habe sie in
            ich jetzt eigentlich an diesem Platz?“ Einfach nur   den vergangenen sieben Jahren vieles. An ein ganz
            gutes Essen und ein schönes Bett an Menschen,   wesentliches Learning erinnert sie sich besonders
            die sich das leisten können, verkaufen – „das war   gern: „Mein Sohn Leopold war damals ein knap-
            mir zu wenig“, erzählt Eva-Maria Pürmayer. Und   pes Jahr alt. Ich bin am Ende eines Wahnsinnstages
            ist damit eine typische Vertreterin der Generation   heimgekommen und da liegt er in seinem Gitter-
            „Why“. „Ich wollte immer schon einen Sinn er-  bett, ich schau ihn an und mir wird klar, worum es
            kennen in dem, was ich mache.“ Sie will also nicht   wirklich geht. Dieser kleine Mensch hat es immer
            einfach ein Luxushotel führen, sie will vielmehr   wieder geschafft, mich zu erden.“ Und das sei im-
            „Orte und Räume gestalten, wo Menschen an-  mens wichtig, denn sonst verliere man sich irgend-
            kommen können, wo sie zur Ruhe kommen und   wann in all den Unternehmensgeschichten, Über-
            entschleunigen. Und gleichzeitig sind wir ein Ort,   lebenskämpfen und Geldangelegenheiten.
            wo Menschen arbeiten –  mit Freude arbeiten.
            Auch viele sehr junge Menschen. Das ist es, was
            mich  antreibt:  Menschen  begegnen,  Leben  we-  #3
            cken.“ Für andere da zu sein, das war ja auch der
            Ursprungsgedanke von Gaststätten und vom Gast-     Todsicher
            geben. Und dazu gehöre unbedingt ein Stamm-
            tisch. „Da kommen die Menschen zusammen,    Niemand redet gern über ihn. Er ist das größte Ta-
            Einheimische, Gäste, ganz unterschiedliche Leute.   buthema der Gesellschaft. Und das, obwohl er mit
            Da ist Platz für Emotionen und Diskussionen, da   absoluter Sicherheit uns alle irgendwann betrifft:     Text   Susanna Winkelhofer
            können unterschiedlichste Meinungen aufeinan-  der Tod. Genau dieser – also die Konfrontation     Foto  Ines Thomsen


                                                                                             17
   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22