Page 108 - 2023_02_DIEMACHER_web_interaktiv
P. 108

Einsatz kommt.“ Dabei handelt es sich um mehr-
                                                                      jährige Projekte. Wichtig sei eine realistische Er-
                                                                      wartungshaltung. „Natürlich wissen europäische
                                                                      Unternehmen, dass man nicht gleich am nächs-
                                                                      ten Tag ein Produkt am Markt hat, wenn man
                                                                      mit der Forschung interagiert“, sagt Haslgrübler.
                                                                      Nachsatz: „Leider glauben manche, dass es am
                                                                      übernächsten  Tag so weit ist.“ So funktioniere
                                                                      Forschung aber nicht – zumindest nicht bei Mit-
                                                                      teln, die meist stark begrenzt sind. „Mache hof-
                                                                      fen, dass sie mit einer Person, die sich vielleicht
                                                                      nur  Teilzeit  mit  KI beschäftigt,  Wunderwuzzi-
                                                                      artige Ergebnisse erzielen können.“ Um neue
                                                                      KI-Technologie möglichst schnell im eigenen
                                                                      Unternehmen zu integrieren, brauche es nicht
                                                                      nur Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. „Es
                                                                      müssen auch unterschiedliche Disziplinen – von
                                                                      Softwareentwickler:innen über Mathematiker:in-
                                                                      nen bis hin zu Psycholog:innen vertreten  sein“,
                       In Österreich laufen die Kreisläufe            sagt Mutlu. 
                    von Forschung und wirtschaftlichen                „Wir werden das European
                                                                      Paradox für uns lösen“
                            Entwicklungen meist getrennt               
                                                                      Beim SCCH hat man sich hohe Ziele gesteckt –
                                             voneinander ab.          man will das European Paradox für sich lösen
                                                                      und zukünftig mit Forschungsergebnissen insti-
                                                      Markus Manz     tutionalisiert Unternehmen gründen. „Wenn wir
                                                  Geschäftsführer, SCCH   Erfolg haben, wird sich das hoffentlich herum-
                                                                      sprechen und andere werden folgen.  Wenn wir
                                                                      scheitern, haben wir viel gelernt und werden es
                                                                      weiter versuchen“, sagt Manz. Beispiel dafür, wie
                                                                      eine direkte Übersetzung von wissenschaftlichen
                                                                      Ergebnissen in Innovation funktionieren könn-
                                                                      te, ist das geplante Spin-off „Birth.AI“: Gemein-
                                                                      sam mit dem KUK Kinderwunsch Zentrum am
                                                                      Kepler Universitätsklinikum wurde am SCCH
                                                                      ein neues  Verfahren zur Unterstützung von In-
                                                                      vitro-Fertilisation (IVF)-Behandlungen mittels
                                                                      KI entwickelt, „Birth.AI“ soll künftig als eigenes
                                                                      Unternehmen die Ergebnisse umsetzen. Thomas
                                                                      Ebner, Leiter des IVF-Labors am Kinderwunsch
                                                                      Zentrum, trat an das SCCH mit einer Idee heran,
                                                                      ein Modell zur Bewertung von befruchteten Ei-
                                                                      zellen (sogenannten Blastozysten) auf Basis von
                                                                      künstlicher Intelligenz (KI) zu schaffen. „Nach
                                                                      dem Training mit 600 Bildern war die KI in Teil-
                                                                      bereichen schon so gut wie erfahrene Embryo-
                                                                      log:innen, je mehr Daten desto unschlagbarer
                                                                      wird sie im Vergleich“, sagt Manz, der derzeit die
                                                                      Gründung vorantreibt.

                                                                      „Birth.AI“ erzielte in jüngster Vergangenheit be-
                                                                      reits einige Preise – davon kann man natürlich
                           Wie funktioniert die Herangehensweise von   nicht leben. Seit Kurzem ist man auf der Suche
                           Pro²Future? Haslgrübler: „Wir definieren ge-  nach Investoren. „In Israel gab es für eine ähn-
                           meinsam mit Unternehmen eine Frage, mit der   liche Technologe rund 30 Millionen Euro Inves-
                           Zeit kommen weitere dazu, bis am Ende ein   torengelder, das wird bei uns nicht klappen – aber
                           Prototyp entsteht, der auf Produktlevel gebracht   technologisch auch dort wird nur mit Wasser ge-
                           wird und in der Infrastruktur des Betriebs zum   kocht“, sagt Manz._


                           108
   103   104   105   106   107   108   109   110   111   112   113