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Eigentlich hätte Europa das weltweite KI-Zen-
trum werden können. Stattdessen hinkt man bei
der Integration der Schlüsseltechnologie Künstli-
che Intelligenz klar hinterher, obwohl die Grund-
lagenforschung nach wie vor führend ist. Schon
1997 veröffentlichte der deutsche Informatiker
Sepp Hochreiter gemeinsam mit Jürgen Schmid-
huber eine Arbeit über Long short-term memory
(LSTM). Die Technik ist zum wesentlichen Bau-
stein der Entwicklung Künstlicher Intelligenz Es mangelt an
geworden – ohne sie wäre die Technologie heute
wohl noch nicht so weit. LSTM-Technik ist in Risikokultur.
Google, Alexa und anderen Softwareprodukten
integriert, damals erkannte noch niemand die Michael Haslgrübler
Tragweite der Erfindung in Europa. Später er- Area Manager, Pro Future
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fand Hochreiter an der Linzer Johannes Kepler
Universität „Self-Normalizing Networks“. Das
Modell wurde nicht von europäischen Unterneh-
men, sondern zuerst von Amazon für Bewertun- schäftsmodell, die Innovation gleich mitgedacht“,
gen und gezielte Werbung übernommen. „Damit sagt Manz, „es bräuchte Scouts, die zwischen For-
haben sie binnen kürzester Zeit eine Milliarde schung und Industrie stehen und nach verwert-
Euro Umsatz mehr gemacht, als Dank habe ich baren Ergebnissen suchen.“ Durch die fehlende
bei einer Konferenz einen Mojito ausgegeben be- Verwertung seien Forschungseinrichtungen und
kommen“, erinnert sich Hochreiter und lacht. Universitäten kontinuierlich auf öffentliche Gel-
der angewiesen, die sonst beispielsweise durch Be-
Europäer sind meist begeisterte Technologie-En- teiligungen an neu gegründeten Unternehmen –
thusiasten. Die europäische Spitzenforschung sogenannte Spin-offs – lukriert werden könnten.
erzielt in allen Gebieten herausragende wissen- Auch in Europa gibt es Beispiele, wie das funktio-
schaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse. Das ge- nieren kann: So ist das Beteiligungsportfolio der
nannte Beispiel zeigt aber: Wirtschaftlich zahlt ETH Zürich derzeit viele Milliarden Euro schwer.
sich die Sache aber oft nicht aus. Die Universitä-
ten und Forschungseinrichtungen sind und blei- Ein weiterer Grund für das Paradox ist für Manz
ben von öffentlichen Förderungen abhängig. Die das Mindset. „Wenn man in Tel Aviv oder im Sili-
Gründe dafür sind vielschichtig. „In Österreich con Valley Studierende fragt, wer von ihnen grün-
spielen sich die „Kreisläufe“ von Forschung und den will, melden sich die meisten.“ In Österreich
Innovationen meist getrennt voneinander ab“, hingegen würden die meisten einen risikoarmen,
erklärt Markus Manz, Geschäftsführer des Soft- gut bezahlten Job in der Industrie bevorzugen.
ware Competence Center Hagenberg. In der For- Auch Michael Haslgrübler, Area Manager im Be-
schung wird nahezu ausschließlich das technolo- reich „Perception and Aware Systems“ bei Pro²Fu-
gische Problem adressiert, der Markt wird dabei ture, sieht das europäische Mindset als Erklärung
meist außer Acht gelassen. So ist oft das Ergeb- für das Problem. „Wir tun uns hier in Europa
nis eine Publikation oder ein Prototyp, der dann schwer mit der Transition von wissenschaftlichen
vielfach gar nicht für den Eintritt in den Markt Ergebnissen zu vermarktbaren Innovationen, weil
positioniert wird. Das SCCH will das Problem es an Risikokultur mangelt“, sagt er. Bestes Bei-
angehen und den Technologietransfer von der spiel sei OpenAI mit ChatGPT. „Milliarden an
Forschung in die Wirtschaft forcieren und dabei Geldern sind dort vorab geflossen, ohne zu wis-
selbst auf Innovationen setzen. sen, ob man irgendwas zurückbekommt.“
Scouts, die nach Verwertbarem suchen? Das Forschungszentrum Pro²Future mit Sitz in
Linz und Graz bringt KI in die industrielle Fer-
Derzeit laufen Forschungsprojekte, die nicht di- tigung, man kooperiert mit mehr als 40 Indust-
rekt im Auftrag der Industrie passieren, hierzu- riepartnern und 30 wissenschaftlichen Einrich-
lande oft so ab: Nachdem Gelder für ein Projekt tungen und Instituten in Forschungsprojekten.
bewilligt wurden, beginnt die Forschung. Irgend- Das COMET Forschungszentrum ist Schnitt-
wann ist die technologische Machbarkeit bewie- stelle zwischen Unternehmen und Wissenschaft
sen, es kommt nach Publikationen zu Erwähnun- und setzt damit direkt beim genannten Problem
gen in renommierten Wissenschaftsmagazinen, an. „Unsere Forschungsfragen sind von der In-
möglicherweise auch zu einem Prototyp. Der dustrie inspiriert, Zielsetzung ist es, ein verwert-
technologische Erfolg, der vielfach beachtlich ist, bares Ergebnis zu erarbeiten“, erklärt Belgin
ist das Ergebnis. Und dann – nichts. „Was aus Mutlu, Area Managerin im Bereich „Cognitive
den Ergebnissen danach wird, ist (noch) nicht Decision Making“ bei Pro²Future. Unterstüt-
in der DNA der europäischen Forschung. Nur zung bei der Grundlagenforschung gibt es von
in den seltensten Fällen wird der Markt, das Ge- Universitäten.
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