Page 15 - Herbstausgabe_2022_03
P. 15
Kujal ist heute nicht das erste Mal in Steyr. Sein alten Firma hatte“, sagt Kujal. Trotz guter Aus-
letzter Besuch ist zwölf Jahre her: Damals fällt gangslage bringt er sich finanziell unter Druck,
ihm hier der Name für sein heutiges Unterneh- arbeitet rund um die Uhr. Die Meinungen von
men – Talenteschmiede – ein. Für seine erste engen Freund:innen, seines Steuerberaters und
Gründung entscheidet er sich dann aber doch für des Rechtsanwalts will er irgendwann nicht
einen anderen Namen. Zu diesem Zeitpunkt hat mehr hören. „Ich dachte stur, dass ich alles auf
er sich längst international einen Namen als Ver- die Reihe kriege“, erinnert er sich. Doch statt-
kaufsexperte gemacht. Um Kujal als Gründer zu dessen schlittert er nach und nach in ein Burn-
begreifen, muss man zuerst einen Blick auf seine out. Das ist ihm schon 2006 passiert – damals
rasante Karriere davor werfen. reichten eine kurze Pause und Antidepressiva,
um sich wieder zu erholen. Doch dieses Mal
Die startet 1993, als er nach einem Semester Be- treibt ihn der Stress immer weiter in die Krise.
triebswirtschaftslehre nebenbei einen Job sucht. Sein Arzt will ihn in die Psychiatrie einliefern,
„Studieren war ganz lässig, aber ich hatte nicht er wehrt sich bis zuletzt. „Ich konnte irgend-
genug Geld, um bei Studentenpartys in der ers- wann keine Termine mehr wahrnehmen, habe
ten Reihe fußfrei zu feiern“, erinnert er sich. Das alle rund um mich belogen“, sagt der Gründer.
soll sich bald ändern: Wenige Jahre später, mit Selbst das Abholen seiner Tochter aus dem Kin-
28, fährt Kujal einen Ferrari. Seinen ersten Job dergarten wird zu einer Höchstleistung. Er muss
startet er als freiberuflicher Mitarbeiter bei einem seinem Arzt versprechen, sich einliefern zu las-
kleinen Finanzdienstleister. Seine Aufgabe: Le- sen, wenn der Zustand noch schlechter wird.
bensversicherungen verkaufen. „Ich hatte die Sau-
Masn, dass ich ein seriöses Unternehmen erwischt Kurz drauf ist es soweit, Kujal steht vor dem völli-
habe, das hätte damals auch anders kommen kön- gen Zusammenbruch, ruft seinen Arzt an, der ge-
nen“, erinnert er sich und lacht. rade mit einem anderen Patienten beschäftigt ist
und nicht abhebt. „Da bin ich zu einem Kletter-
Ein Jahr später wird er Referent bei Verkaufsschu- steig nahe meines Büros gegangen, habe eine letz-
lungen – als er in letzter Sekunde für einen Kol- te Zigarette geraucht und überlegt, auf welcher
legen einspringen muss, der ausgefallen ist. „Es Seite ich runterspringe“, sagt er. Im allerletzten
war der berühmte Sprung ins kalte Wasser“, sagt Moment ruft ihn sein Arzt zurück, ignoriert Ku-
Kujal. 1995 ist er schon an der Firma beteiligt jal, als er sagt, es sei zu spät, und lässt ihn abholen.
und arbeitet in der Führungsebene. Der rasante Die nächsten Wochen verbringt Kujal zuerst in
Aufstieg geht weiter, als das Unternehmen mit der Psychiatrie, später macht er wochenlang eine
einem großen Finanzdienstleister fusioniert. „Ich Rehatherapie. Als er sich wieder fit fühlt und ver-
wurde Franchisenehmer und Aktionär, habe viele sucht, die Überreste seiner damaligen Firma zu
Mitarbeiter:innen aufgebaut und international als retten und mit den Partnern neu aufzusetzen, er-
Trainer und strategischer Planer gearbeitet“, sagt leidet er 2014 einen schweren Bandscheibenvor-
Kujal. Dann passiert etwas, das Kujal heute als fall und fällt monatelang aus. „Aus heutiger Sicht
sein „Lebensglück“ bezeichnet: Er lernt den inter- war das ein Glücksfall – das habe ich scheinbar als
nationalen Verkaufs-, Coaching- und Körperspra- Zugabe gebraucht, um mich wirklich vollständig
cheexperten Horst Rückle kennen, der ihn zehn zu erholen“, sagt er. Kujal nimmt von da an die
Jahre unter seine Fittiche nimmt und sein gesam- Therapie noch ernster und arbeitet intensiv an sei-
tes Wissen mit ihm teilt. Bald steht Kujal an der nem Verhältnis zur Arbeit und an der Einstellung
Spitze von mehreren tausend Mitarbeiter:innen. zu seinem Leben. Mit seinem Unternehmen kann
„Ich war ein Star in dieser Welt und wurde ho- er den Konkurs durch die lange Abwesenheit
fiert, man kannte mich“, erinnert er sich. Heute nicht mehr abwenden. „Ich habe dann bis 2018
sagt er, dass er damals nach dieser Art der Aner- als Verkaufs- und Schulungsleiter in verschiede-
kennung süchtig gewesen sei. 2008 kommt dann nen Unternehmen, angestellt, gearbeitet“, sagt er.
die Finanzkrise, das Geschäft läuft schleppender.
Kujal beschließt, sich 2010 mit seinem ersten Un- Doch bald zieht es ihn wieder in die Selbstständig-
ternehmen, 1001 Ideas, selbstständig zu machen. keit, er gründet die Talenteschmiede. „Ich arbeite
als Coach, Motivator und Trainer mit internatio-
„Habe überlegt, auf welcher Seite nalen Führungskräften, moderiere Konferenzen,
ich runterspringe“ baue Vertriebsakademien für Unternehmen auf
und schule Verkäufer:innen“, sagt er. Dabei greift
„Ich habe den Fehler gemacht, dass ich mich mit er auch auf seine umfangreiche Vertriebsexpertise
meinem Unternehmen viel zu schnell wieder in zurück. Verkaufen sei für ihn einer der schönsten
eine Position bringen wollte, wie ich sie in meiner Berufe der Welt. „Nur wenn ich mir zweifelsfrei
15