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DAS GROSSE SCHWARZE
UNBEKANNTE
Eine Stunde Stromausfall. Echt ärgerlich. Schließlich wollte man gerade kochen. Oder das
Handy anstecken. Oder einfach nur die Toilette aufsuchen. Nachts. Doch was passiert, wenn es
europaweit tagelang zu einem Totalstromausfall kommt? Und (wie) kann man dafür vorsorgen?
Wir haben bei Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, Herbert
Saurugg, Experte für Blackout-Prävention, und Ernst Spitzbart, Energiesprecher der Sparte
Industrie der WKOÖ, nachgefragt.
Rein in den Aufzug und per Knopfdruck ab in das wenn wir in Österreich gut aufgestellt sind, sitzen
18. Stockwerk. Doch plötzlich, zwischen 14. und wir mit 35 Ländern in einem Boot. Und wenn das
15. Stockwerk: ein Ruckeln. Und stopp. Finster- untergeht, gehen wir auch unter“, sagt der Black-
nis. Nach einer, zwei, drei Sekunden, ja nach ei- out-Experte.
nigen Minuten: immer noch Stillstand. Dumpfe,
nervöse Stimmen dringen durch die schweren Auf- Auf die ganzheitliche Systembetrachtung setzt
zugtüren. Diagnose? In den ersten Minuten noch auch der Energiesprecher der Sparte Industrie der
unbekannt. Doch dann wird klar: Es handelt sich WKOÖ, Ernst Spitzbart: „Unsere Stromnetze sind
um den Beginn eines Horrorszenarios. Um ein mittlerweile hochgradig komplex und europaweit
Blackout. miteinander verbunden. Bei einem Blackout han-
delt es sich nicht um einen Mangel an verfügbarer
DIE URSACHEN Energie, sondern um einen Netzzusammenbruch
oder ein unvorhergesehenes, starkes Ungleich-
„Am 8. Jänner 2021 sind wir nur knapp einem gewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch im
europaweiten Blackout entkommen. Die Ursache Stromnetz. Auch dezentrale Erzeugungsstruktu-
war eine Stromüberschussproduktion in Südeuro- ren wie Wind- und Sonnenenergie spielen eine
pa und es wurde damit eine Kettenreaktion aus- Rolle.“
gelöst“, erklärt Haindl-Grutsch. Als Hauptursache
für ein drohendes Blackout gilt die Überlastung des MIT DER ENERGIEWENDE
Systems. „Es wird seit Jahren schwieriger, die Sys- IN DAS BLACKOUT?
temstabilität aufrechtzuerhalten“, erklärt Saurugg.
So sind etwa die Kosten für kritische Netzeingrif- „Wir sind jetzt gerade in einem Prozess, in dem
fe von zwei Millionen Euro im Jahr 2011 auf 346 die Energieversorgung immer stärker elektrifi-
Millionen Euro im Jahr 2018 angestiegen. „Fast ziert wird, das ist ein entscheidender Punkt“, sagt
jeden Tag sind Eingriffe erforderlich, um Schlim- Haindl-Grutsch. Umgestellt werde zunehmend
meres zu verhindern. Das System ist permanent in auf Elektromobilität und Wärmepumpen für das
einer Stresssituation“, so Saurugg. Außerdem gibt Eigenheim, auch industrielle Prozesse unterliegen
Text Katharina Anna Ecker, es noch eine Reihe von weiteren mögliche Auslö- einem Wandel. „Dadurch steigt der Strombedarf
Hannah Schneller
ser für ein Blackout: „Extremwetterlagen, Cyber- enorm, gleichzeitig werden Kohle- und Atom-
Foto Gettyimages, Saurugg:
privat; Spitzbart: angriffe, Sabotageakte oder alternde Infrastruktu- kraftwerke geschlossen und von fossiler Stromer-
Edwin Enzlmüller; ren können neben einer Komplexitätsüberlastung zeugung auf erneuerbare Energieträger wie Sonne,
Haindl; Grutsch:
Mario Riener auch das Fass zum Überlaufen bringen. Auch Wind, Biomasse und Wasserkraft umgestellt.“
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