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Ohne Gebäude-
automation wird
exponentiell: „Die Kommunikation und die Zu- es keine Klima-
sammenarbeit zwischen den einzelnen Gewerken
sowie Projektbeteiligten gehören zu den größten wende geben.
Herausforderungen bei großen Smart-Building- Rolf Schulte
Projekten.“ Denn auch bei hochkomplexen Ge-
bäuden wird nur sehr fragmentiert und nicht Vertical Market Manager
Building Technologies, Eplan
ganzheitlich geplant: „Wenn eine Störung auftritt
oder ein Service ansteht, müssen Teilbereiche ein-
zeln gesteuert werden können, ohne dass die rest-
lichen Funktionalitäten beeinträchtigt werden –
speziell bei vollautomatisierten Gebäuden“, er-
klärt Schulte.
Ein Megatrend in der Baubranche ist daher ak-
tuell die Planungsmethode BIM (Building Infor-
mation Modeling). „Ein BIM-Modell ist eine An-
einanderreihung von vielen digitalen Zwillingen
und Informationen. Wir nutzen ein 3D-Modell,
um durch das Gebäude zu navigieren und Ist-Zu-
stände abzurufen. Wenn wir dann nähere Details
zu den einzelnen Gewerken benötigen, weil bei-
spielsweise die Heizung ausgefallen ist, springen
wir von dem gesamten 3D-Modell weiter in den
digitalen Zwilling der Heizung“, so Schulte. „Die Das Nutzungsverhalten
Planungsmethode BIM ermöglicht es also, in
einem übersichtlichen 3D-Modell zwischen den von Büro- und
digitalen Zwillingen der einzelnen Gewerke zu Wohnraum befindet
navigieren und dabei den Gesamtüberblick nicht sich gerade in einem
zu verlieren.“
kompletten Umbruch.
ZUKUNFTSMISSION ODER Martin Berger
TECHNIK-SHOW-OFF? Geschäftsführer Österreich, Eplan
Aber wie viel Zukunftspotential haben Smart
Buildings in dieser Dimension nun wirklich?
Werden uns in Zukunft in unserem Büroalltag
alle Wünsche von den Lippen abgelesen? Die
Antwort ist ein klares Jein! „Der Cube ist sicher-
lich ein geniales Gebäude, das Zukunft hat –
zumindest in einer ähnlichen Form. Aber bis wir
diese Dimensionen der Gebäudeautomation weit-
läufig erreichen, wird noch sehr viel Zeit vergehen“, Abgesehen vom Problem der entsprechenden
ist sich Martin Berger, Geschäftsführer von Eplan Qualifikation, ortet Berger noch weitere Gründe,
Österreich, sicher. „Wir bieten zwar heute schon weshalb vollautomatisierte Gebäude im Stadtbild
die BIM-Modellierung samt zugehöriger Cloud- der absehbaren Zukunft noch keine große Rol-
lösungen an, um Projekte dieser Größenordnun- le spielen werden: „In den Großstädten geht es
gen überhaupt planen und verarbeiten zu können. in erster Linie darum, schnell und kostengünstig
zu bauen. Die technischen Spielereien sind nur
Für die Realisierung benötigt es allerdings noch zweitrangig, weil die niemand finanziert. Kaum
wesentlich mehr als die geeigneten Planungsmög- ein Unternehmer ist bereit, einen entsprechenden
lichkeiten“, sagt Berger. „Vor allem das entspre- Aufpreis bei der Miete zu bezahlen, damit den
chende Fachpersonal. In diesem Zusammenhang Mitarbeitern die Türen per Augenlaser geöffnet
fällt mir immer wieder Elon Musk ein, der einmal werden.“ Solange es an den benötigten Fachkräf-
über Tesla sagte: ‚Wir sind kein Autobauer, wir ten mangelt, werde auch die Technologie rar und
sind ein Softwareunternehmen.‘ Und so ähnlich damit teuer bleiben. „Außerdem stellt sich die
muss man auch die Gebäudeautomation betrach- Frage: Inwiefern halten wir uns überhaupt noch
ten. Hier werden völlig andere Kompetenzen be- in Bürogebäuden auf? Wir befinden uns in einer
nötigt als im klassischen Bau“, erklärt der Eplan- Zeit, in der wir alles auf Onlinekanäle verlagern
Geschäftsführer. „Bevor der Einsatz von solchen und unsere Meetings über Bildschirme abhalten“,
Smart Buildings kommerziell werden kann, muss so Berger. „Das Nutzungsverhalten von Büro-
zuerst einmal geklärt werden: Wie müssen die und Wohnraum befindet sich gerade in einem
Fachkräfte ausgebildet werden, um mit all diesen kompletten Umbruch. Es wird sehr spannend
Fragestellungen rund um das Internet of Things zu beobachten, was davon übrig bleibt, wenn die
umgehen zu können?“ Pandemie zu Ende ist.“_
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