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             Das Geheimnis: Superkompensation.                   Erfolg ist ein Gemeinschaftsprojekt.
             Als ob jemand Betonplatten auf unserer Seele ablegen   Am Siegerpodest steht meist nur einer. Marcel Hirscher
             würde. Eine nach der anderen. So oder so ähnlich fühlt   zum Beispiel. Aber den Weg dorthin ist er mit einem
             sich Druck an. Und das haben ein verantwortungsvol-  ganzen Team gegangen. „Er ist das perfekte Beispiel
             ler Job und der Profisport auf alle Fälle gemeinsam:   dafür, dass man sich ein richtig gutes Umfeld schaffen
             Druck als ständigen Begleiter.  Und der sei an  sich   muss – als Sportler sind das Trainer, Wissenschaftler,
             auch nicht negativ. „Es gibt bekanntlich den positiven   medizinische Therapeuten und noch ganz viele Hel-
             und den negativen Stress. Den positiven brauchen wir,   ferlein, die einen weiterbringen“, erklärt Beck. Ähnlich
             um Leistung abzurufen“, erklärt der Mediziner. Der   sei es für ihn als Geschäftsführer von 180 Mitarbeitern:
             negative hingegen koste mehr, als er weiterbringe. Ir-  „Das kann man nicht allein schaffen. Man braucht ein
             gendwann sind es einfach zu viele Betonplatten – die   gutes Management und gute Abteilungsleiter, die ei-
             drücken einen dann regelrecht zu Boden. Wichtig sei   nem zuarbeiten, die für das große Ganze einstehen.“
             daher der Umgang mit Stress. „Im Sport lernt man den   Um die eigenen Ziele zu erreichen, gehe es daher auch
             Umgang mit Druck von Anfang an. Denn sonst besteht   für Unternehmer darum, sich Strukturen festzulegen
             die Gefahr, dass man im Training zwar Weltmeister ist,   und Verantwortung abzugeben.
             bei Wettkämpfen aber versagt.“

             Und wie lernt man nun diesen Umgang? „Der Schlüs-
             sel zum Erfolg ist – sowohl für den Sportler als auch   # 7
             für den Manager – die Regenerationsphase. Stichwort:
             Superkompensation! Wenn ich für drei Wochen einen   Talent ist nur der Anfang.
             Trainingsreiz setze, dann brauche ich danach eine Wo-  Mit einem außergewöhnlichen Talent kann man viele
             che, in der ich wesentlich weniger mache. Dann bin   Treppen erklimmen. „Aber irgendwann ist der Punkt er-
             ich – durch die sogenannte Superkompensation – auf   reicht, an dem man mit dem Talent allein nicht weiter-
             einem höheren Ausgangsniveau als zuvor.“ Die Leis-  kommt. Und dann geht es darum, sich zu fragen: Wie
             tungsfähigkeit und auch die Bereitschaft steigen. „Ich   zufrieden bin ich mit dem Erreichten? Will ich mehr er-
             kann nicht 52 Wochen im Jahr leisten, leisten, leisten –     reichen?“ Oft komme es zu einem Spannungsfeld zwi-
             dazwischen brauche ich immer wieder Regenerations-  schen den Erwartungen von außen und den eigenen –
             phasen, in denen ich mich sammeln und neu fokussie-  etwa, wenn der Trainer oder die Eltern einen weiter-
             ren kann.“ Eigentlich logisch: Wer kontinuierlich seine   bringen wollen, weil sie so überzeugt sind vom Talent,
             Batterien entlädt, ist irgendwann bei null. Aufladen   aber selbst hat man eigentlich keinen Antrieb dazu.
             lässt sich der Akku am besten durch Ruhephasen im   „Da braucht es Offenheit. Und wenn man selbst spürt,
             Sinne von Freizeit. Und durch Reflexion. „Indem ich   dass man mehr will, dann geht es darum, die richtigen
             mir Fragen stellen wie: Bin ich mit mir im Reinen? Ist   Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Talent mache vie-
             das der richtige Weg?“ Nur so könne man gestärkt die   les einfacher, sagt Beck, aber um wirklich erfolgreich
             nächste Stufe erklimmen.                            zu sein, müsse man die weiteren Treppen mit viel Fleiß
                                                                 und Ausdauer erklimmen.



                                                               # 8

                                                                 Wenn die Luft ausgeht? Dann muss
                                                                 man durch.
                                                                 „Im Sport geht es immer darum, auch die letzten Me-
                                                                 ter gut zu überstehen, weil man da am meisten verlie-
                                                                 ren kann. Sonst bleibt viel Vorarbeit unbelohnt“, sagt
                                                                 Beck. Deshalb war für ihn am letzten Kilometer vor
                                                                 dem Ziel immer klar: „Komme, was wolle, da muss ich
                                                                 jetzt durch. Selbst, wenn mir schon schwarz vor Augen
                                                                 wird. Das Gute dabei: Der Schmerz ist gleich vorbei.“
                                                                 Bei Projekten kann sich dieser letzte Kilometer wie ein
                                                                 Kaugummi ziehen. Von der anfänglichen Euphorie ist
                                                                 plötzlich nichts mehr übrig. „Der Endspurt ist oft am
                                                                 schwierigsten“, weiß Beck aus Erfahrung. Sein Tipp da-
                                                                 her: „Ein klares Konzept. Damit man das Projekt auch
                                                                 mit Energie und Konsequenz abschließen kann.“ Und
                                                                 das lohnt sich bekanntlich: Was fühlt sich besser an als
                                                                 der Schritt über die Ziellinie? Oder das Hakerl neben
                                                                 einem abgeschlossenen Projekt._




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