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THE LEADER
Eines haben alle Krisen gemeinsam: Sie wecken Gefühle in uns, die wir nicht haben wollen.
Die Verunsicherung macht uns verletzlich, die Ohnmacht wütend. Wir sind erschrocken und wie
gelähmt. Dagegen ist niemand immun. Und doch gibt es Menschen, die, obwohl sie dasselbe
fühlen, anderen Menschen in der Krise Halt geben und ihnen die Richtung weisen. Wie sich
Führungskräfte zu wahren Leadern entwickeln können, die Autorität und Vertrauen
genießen, weiß Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein Instituts.
In unsicheren Zeiten sehnen wir Was zeichnet souveräne Führungs-
Menschen uns nach einem Fels in kräfte in schwierigen Zeiten aus?
der Brandung, der uns gut durch die KREITMAYER_Sich einzugestehen, nicht alles
Krise bringt. Welchen Führungskräften selbst wissen und entscheiden zu können. Aller-
gelingt das besonders gut? dings ist es hilfreich zu wissen, wer was am besten
KREITMAYER_Denen, die wissen, was sie brau- und am realistischsten entscheiden kann. Diese
chen, damit es ihnen gut geht. Nur wer sich selbst Personen gilt es gezielt einzuladen, mit einem zu
akzeptiert und leiden kann, kann gut für andere denken und klar zu kommunizieren, wie die Ent-
da sein. Es ist wichtig, stabile Zonen und Säulen scheidung gefällt wird, damit danach niemand
zu haben, um wieder Kraft und Energie zu schöp- enttäuscht ist.
fen. Das können Hobbys, Familie, Freunde, Ar-
beit, der eigene Körper oder die eigene Haltung Wie macht man denn
sowie Werte sein. „seinen Schäfchen“ Mut?
KREITMAYER_Zuerst macht man mal sich selbst
Die Krise und die große Transformation Mut. Wenn man selbst mutig ist, dann strahlt das
in Wirtschaft und Gesellschaft stellt auch aus und das macht wiederum anderen Mut.
Führungskräfte vor neue Heraus- Wichtig ist dabei, authentisch zu bleiben. Mit-
forderungen. Worauf kommt es nun arbeiter merken sofort, wenn man nur eine Rolle
besonders an? spielt, und dann fällt es ihnen schwerer, einem
KREITMAYER_Dass wir den Kopf nicht in den zu folgen. Wenn man den Mut verloren hat, ist
Sand stecken, sondern das Mögliche möglich ma- das nicht weiter schlimm, wenn man beispiels-
chen. Es braucht ein Hinschauen und Durchden- weise ein Team hat, das einen auffängt. Ich habe
ken, ein Neu- und Andersdenken, um Chancen zu meinem Team in der Coronazeit einmal ge-
und Entwicklungen auch erkennen zu können. Es sagt, dass ich total dankbar bin, dass wir nicht
braucht eine Einstellung, mit der nicht gleich be- alle gleichzeitig ein Tief haben, denn so wird man
wertet und zwischen früher und jetzt verglichen auch immer wieder durch die anderen motiviert.
wird. Zulassen, loslassen, schätzen, was möglich Positive wie negative Stimmungen stecken an.
ist, durchhalten und aushalten. Gleichzeitig Ziele Unterstützung sollte man sich dann holen, wenn
setzen, die wir mit Werten hinterlegen, damit sie man viele Tage hintereinander mutlos ist.
Sinn machen und eine Energie aufkommt, die-
se auch zu verwirklichen. Der Planungshorizont Junge Chefs und High-Potentials gehören
Text Daniela Ullrich verschiebt sich gerade in Richtung kurzfristigere zur eigentlich krisenbefreiten Generation
Foto Philipp Tomsich Zielspannen, was auch durchaus motivierend sein Z. Wie kommen diese nun mit den
Illu Gettyimages kann. vielzitierten „Zeiten wie diesen“ klar?
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