
4 THE FUTURE
„Die Zukunft ist jetzt“ oder „Heute schon an morgen denken“ – wir alle kennen sie: Statements und Denkweisen, die unser Bewusstsein für die Zukunft schärfen (sollen). Nur, wie kommen wir vom Reden ins Tun? Und worauf müssen wir achten, damit wir wirklich auf die Welt von morgen vorbereitet sind? Diese Fragen stellen wir nicht nur uns selbst, sondern auch vier Zukunftsmachern, die sich täglich mit ihnen befassen.
#1 Was brauchen der Standort Österreich und die Menschen, die hier tätig sind?
„Ein einzelnes Unternehmen kann noch so innovativ sein – ohne einen starken Standort bleibt das Wachstum begrenzt.“ Dass ausgerechnet Sok-Kheng Taing, Co-Gründerin des Unicorns Dynatrace, diese Auffassung teilt, ist auf den ersten Blick verwunderlich. Schließlich hat sich das Softwareunternehmen seit seiner Gründung vor 20 Jahren zum Weltmarktführer entwickelt und erzielt heute Umsätze in Milliardenhöhe. Von begrenztem Wachstum keine Spur. Allein im Linzer Engineering Headquarter, das derzeit ausgebaut wird, sollen künftig statt 500 bald 1.500 Mitarbeitende Platz finden. Und damit wären wir beim zweiten Blick: ohne Talente keine Innovation.
„Wir sind abhängig von internationalen Fachkräften“
Wachstum ist für Dynatrace nicht nur ein Ziel, sondern eine Konstante. So wuchs etwa der Bereich „Forschung & Entwicklung“ zuletzt jährlich um rund 300 Mitarbeitende. Eine Geschwindigkeit, die ohne qualifizierte Zuwanderung kaum zu halten sei. In einer Zeit, in der Unternehmen weltweit um die klügsten Köpfe buhlen, sei der Wettbewerb um Fachkräfte längst nicht mehr nur eine Frage der Gehaltsschecks. „Es geht um Unternehmensphilosophien, Standortattraktivität und eine Willkommenskultur für Internationals.“ Was entscheidet also darüber, ob eine Spitzenkraft sich für Österreich oder für ein anderes Innovationszentrum dieser Welt entscheidet? Sok-Kheng hat darauf eine klare Antwort: „Neben attraktiven Karrieremöglichkeiten sind es auch Faktoren wie eine hohe Lebensqualität, Schul- und Kindergartenplätze sowie eine serviceorientierte Verwaltung.“ Das Business Immigration Office in Linz lobt sie in diesem Kontext als Vorzeigeprojekt – mit Vorbildwirkung für andere.
Dynatrace selbst geht mit gutem Beispiel voran. Mehr als ein Drittel der Belegschaft stammt aus dem Ausland, die Unternehmenssprache ist Englisch. „In Österreich will man zwar internationale Fachkräfte gewinnen, man sendet aber die Botschaft: Sprich bitte erst Deutsch, und am besten mit Dialekt“, kritisiert die Gründerin. So würden etwa Formulare, die auch auf Englisch verfügbar sind, vielen internationalen Fachkräften und deren Familien die Integration erleichtern. Die Bedeutung von Chancengleichheit ist für Sok-Kheng übrigens nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern Teil ihrer eigenen Geschichte. Als Kind kommt sie selbst nach Österreich, ohne die Sprache zu beherrschen. „Meine Eltern und ich haben eine Chance bekommen und wir haben sie genutzt.“
Den Weg MI(N)Tgehen
Auf dem Spiel steht nicht nur die Gegenwart der Fachkräftesicherung, sondern auch die Zukunft. „Wer heute noch zur Schule geht, ist die Fachkraft von morgen – oder eben nicht.“ Umso wichtiger sei es, junge Menschen frühzeitig für Technologie zu begeistern. Zwar gebe es bereits Programme und Kooperationen mit Schulen, „das Tempo der Veränderung ist jedoch nicht hoch genug und speziell der Frauenanteil in technischen Berufen viel zu niedrig“, gibt Sok-Kheng zu bedenken. „Mehr als die Hälfte aller Studierenden in Österreich sind Frauen, aber im MINT-Bereich ist der Anteil dramatisch geringer.“ Dynatrace investiert daher gezielt in Nachwuchsprogramme, von Beschäftigten, die als Coaches für kostenlosen Coding Clubs freigestellt werden, bis hin zu Schulpartnerschaften. Und zeigt so, dass es möglich ist, eine globale Talentestrategie zu fahren und zugleich den heimischen Standort zu stärken. Doch es braucht mehr Unternehmen, die diesen Weg mitgehen – und eine Politik, die die Rahmenbedingungen dafür schafft.
#2 Wie sichern wir unser höchstes Gut: die Gesundheit?
Der Gesundheitsbereich ist die am schnellsten wachsende Sparte bei UNIQA. Die Menschen wollen rasche und flexible Termine und, dass sich die Ärztin, der Arzt ausreichend Zeit nimmt. Dinge, die das öffentliche System derzeit in vielen Regionen aktuell nicht bieten kann. Der private Sektor geht hier in die Offensive – er ergänzt und entlastet damit gleichzeitig das heimische Gesundheitssystem. So auch bei der größten privaten Krankenversicherung Österreichs, die sich vom klassischen Versicherer hin zu einer gesamtheitlichen Gesundheitsdienstleisterin weiterentwickelt. „Denn die demografische Entwicklung zeigt, dass es viel mehr Angebote, eine bessere Gesundheitsinfrastruktur braucht“, gibt der oberösterreichische Landesdirektor Alexander Schinnerl zu bedenken. „Gesundheit ist für die Menschen von zentraler Bedeutung und damit verbunden auch für die Betriebe, die Wirtschaft und den Standort.“
Gamechanger Tele-Medizin
Der Fokus liege daher auf einem grundlegenden Perspektivenwechsel: weg vom reinen „Krankheitssystem“, hin zu einem präventiven Gesundheitsmanagement. „Unser Angebot reicht von Ernährungsberatungen über Vorsorgechecks und ‚VitalCoaches‘ bis hin zu psychologischer Unterstützung durch ‚MentalCoaches‘. Besonders die jüngeren Generationen zeigen sich dem Thema Prävention gegenüber deutlich aufgeschlossener als noch vor zehn Jahren.“ Auch die Digitalisierung spiele eine zentrale Rolle, etwa bei der Prozessoptimierung und der Verfügbarkeit von ortsunabhängigen und schnellen medizinischen Angeboten.
Stichwort: Telemedizin. Dank dieser können Versicherte bis spätabends ärztliche Beratung per Video in Anspruch nehmen – eine Option, die sich nicht nur für Berufstätige anbietet, sondern auch Österreichs Notaufnahmen entlastet. Denn so viel steht fest: Der Gesundheitssektor durchläuft einen fundamentalen Wandel. Und der Ansatz von UNIQA zeigt einen möglichen Weg, die Gesundheitskrise zu verhindern: indem private Anbieter dort innovative Lösungen und sinnvolle Ergänzungen schaffen, wo es das öffentliche System (noch) nicht kann. Schinnerl betont: „Gesundheit betrifft jede und jeden. Deshalb begleiten wir als gesamtheitliche Gesundheitsdienstleisterin unsere Kundinnen und Kunden durch alle Lebensphase – von der Geburt bis zur Pflege im hohen Alter.
#3 (Wie) meistern wir die Klimakrise?
Zugegeben: Um diese Frage zu beantworten, bräuchten wir eine Kristallkugel. Doch anstatt in diese zu blicken, richten wir den Fokus auf zwei zentrale Stellschrauben: die Energiewende und die Kreislaufwirtschaft.
Mehr Erneuerbare Energie für eine klimafreundliche Energiezukunft
Ein Blick auf den österreichischen Gebäudesektor zeigt jede Menge ungenutztes Potential: Zahlreiche Dachflächen von Mehrparteienhäusern bleiben bislang unerschlossen, obwohl sie sich ideal für Photovoltaikanlagen eignen. Genau hier setzt SoleMio Energy an. Das oberösterreichische Startup begleitet Eigentümergemeinschaften und Bauträger durch den gesamten Prozess der Errichtung gemeinschaftlicher Erzeugungsanlagen (GEAs) – von der Machbarkeitsstudie über die Umsetzung bis zum laufenden Betrieb über 20 Jahre. Das Ziel? Eigentümern (und auch Mietern) die Vorteile von sauberem Sonnenstrom zugänglich zu machen und die Energiewende lokal voranzutreiben.
Denn in Anbetracht enorm gestiegener Netzgebühren und geopolitischer Unsicherheiten wird die dezentrale Energieproduktion in Europa immer relevanter. Neben dem ökologischen Vorteil – der Vermeidung fossiler Energieträger – ermöglicht ein stärkerer PV-Ausbau eine höhere Resilienz gegenüber zukünftigen Energiekrisen. Nur reicht dabei die technische Machbarkeit allein nicht aus: Bürokratische Hürden und rechtliche Komplexität hemmen den Ausbau, gerade bei GEAs. Markus Jäger, Mitgründer von SoleMio Energy, weiß: „Der steigende Bedarf erneuerbarer Energien wird nicht nachlassen!“ Sein Team und er zeigen daher, dass es praktische Lösungen gibt und übernehmen als verlässlicher Partner den gesamten Prozess für Eigentümergemeinschaften und Bauträger.
Kreislaufwirtschaft als Schlüssel
Während die Energiewende eine saubere Versorgung ermöglicht, ist die zweite zentrale Herausforderung der Klimakrise die Reduktion von Ressourcenverbrauch und Abfall. Ein Beispiel aus der Pharmabranche zeigt, wie sich Kreislaufwirtschaft mit modernster Technologie verbinden lässt: Im Projekt „BlisterCycle“ arbeiten mehrere oberösterreichische Unternehmen gemeinsam daran, Blisterverpackungen zu recyceln, die bislang verbrannt wurden. „Wir loten aus, wie wir PET-G und PE möglichst gut und sauber trennen können“, erklärt Anja Gosch, Materialexpertin für Verpackung und Funktionstests des biopharmazeutischen Unternehmens Takeda. Die Herausforderung: Diese hochfunktionellen Materialverbunde sind schwer zu trennen und damit nur schwer wiederverwertbar. Dank innovativer Verfahren sollen nun sowohl PET-G als auch PE stofflich verwertbar gemacht und wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden. Ist das Projekt erfolgreich, können langfristig selektive Rücknahmesysteme weltweit etabliert werden, die nicht nur die Pharmaindustrie nachhaltiger machen, sondern auch wertvolle Ressourcen einsparen.
Technologie trifft Umsetzung
Die Klimakrise lässt sich nicht mit einer einzelnen Lösung meistern – es braucht Fortschritte in vielen Bereichen. So zeigt einerseits SoleMio Energy, wie die Energiewende praktisch umgesetzt werden kann, während BlisterCycle andererseits die Industrie nachhaltiger gestaltet. Beide Beispiele haben eines gemeinsam: Sie beweisen, dass Innovation nur dann Wirkung entfaltet, wenn sie konsequent umgesetzt wird. Die Technologien sind da – aber es geht auch darum, sie in die Breite zu bringen._
Redaktion
- David Bauer
Fotos
Antje Wolm, Erwin Scherlau, Julia Traxler, SoleMio, Takeda
IlluGettyimages / cnythz