Grüne Transformation mit Steel
Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie ist eine wesentliche Stellschraube im Kampf gegen die Klimakrise. Karl Purkarthofer, CEO von Primetals Technologies Austria, und Eva Tatschl-Unterberger, Geschäftsführerin von Kärnten Netz, erklären im Interview, wo wir bei der grünen Transformation derzeit stehen und wie wir sie erfolgreich meistern.
Wie sehen Sie jeweils die Rolle Ihres Unternehmens in der Transformation der Stahlindustrie hin zu einer CO₂-neutralen Produktion?
Karl Purkarthofer: Unsere Ambition ist es, das führende Innovationszentrum für Green Steel Technologies zu sein. Von unseren international rund 7.000 Mitarbeitenden sitzen in Linz rund 1.800 und etwa die Hälfte hat einen Hochschulabschluss. Wir haben hier also eine hoch ausgebildete Workforce, die sich damit beschäftigt neue Technologien zu entwickeln – Innovationsstrukturen stehen dabei im Mittelpunkt.
Eva Tatschl-Unterberger: Die Energiewirtschaft beschäftigt sich intensiv mit der Klima- und Energiewende. Für die Transformation braucht es Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung, hinter denen wir stehen. Es braucht aber auch wesentliche Investitionen in die Energiespeicherung und in die Netze. Und da ist es unsere Rolle als Netzbetreiber alles zu tun, dass die Kunden alle Möglichkeiten vorfinden.
Welche Herausforderungen stellen sich beim Aufbau der nötigen Infrastruktur für die Versorgung mit grünem Strom?
Karl Purkarthofer: Wir brauchen in Österreich zu lange für Genehmigungsverfahren in der Umsetzung. In der Innovation sind wir sehr stark – wir wissen, was wir tun müssen. Nur in der Umsetzung dauert das und alle Stakeholder müssen mit an Bord sein. Es wird oft nicht ausreichend pragmatisch und im Sinne des Gemeinwohls schnell entschieden. Das betrifft vor allem die Regulatorik aus Brüssel.
Eva Tatschl-Unterberger: Prinzipiell gibt es ja sehr klare Direktive von der Europäischen Union. Die Umsetzung in Österreich ist teilweise nicht hundertprozentig vollzogen. Wir haben einige Gesetze, etwa das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz, die unter der alten Regierung nicht mehr gekommen sind. Da gibt es viele Aspekte, die reformiert werden sollen und die man auch reformieren muss, damit wir weiter voranschreiten können.
Die Stahlindustrie gilt als energieintensiver Sektor. Wie stellen Sie sicher, dass genügend grüner Strom in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht, um die Nachfrage zu decken?
Eva Tatschl-Unterberger: Es ist technisch möglich, diese Nachfrage zu decken. Wir haben in Österreich die Situation, dass wir derzeit schon eine sehr stark auf erneuerbaren Energien basierende Stromversorgung haben. Dennoch brauchen wir im Jahr 2040, um nicht nur die Bedarfe der Industrie, sondern auch die Bedarfe der Menschen zu decken, das Doppelte an Energie und das Dreifache an Leistung am Netz. Die Ära der Elektrizität hat vor rund 100 Jahren begonnen, damals sind die Netze sehr vorausschauend ausgelegt worden, sodass sie bis heute gereicht haben. Aber für die Zukunft braucht es einen Ausbau und weitere Investitionen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen wie Primetals Technologies und Kärntner Netz sowie generell Partnerschaften zwischen Industrie und Netzbetreibern?
Karl Purkarthofer: Strom ist einer der wesentlichen Teile in der Stahlwerkerzeugung. So gesehen gibt es da ein Abhängigkeitsverhältnis – und das wird gepflegt. Wenn es einen Verlierer gibt, dann wird es nie funktionieren. Das heißt, man muss zusammenarbeiten, um bei dieser Transformation gemeinsam erfolgreich zu sein. Und darum muss man auch die Probleme des jeweils anderen verstehen, wer welche Anforderungen hat, wo die Treiber und wo die Herausforderungen sind.
Eva Tatschl-Unterberger: Die Entwicklungspläne unserer Kunden sind der wesentliche Bestandteil unserer Planung. Wir müssen stets zwischen Klimaschutz, Energiewende und Naturschutz abwägen. Je mehr den Menschen bewusst ist, dass unser Standort, dessen Sicherheit, die Krisenvorsorge, unser Fortschritt und viele weitere Dinge davon abhängen, ob wir diese Energiewende schaffen oder nicht, umso mehr Menschen wird man auch dafür begeistern können, dass sie sich hinter den Leitungsbau stellen.
Über welche Meilensteine der Transformation dürfen wir uns heute schon freuen? Und welche Meilensteine gilt es, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zu erreichen?
Karl Purkarthofer: Projekte werden umgesetzt: Die voestalpine bewerkstelligt derzeit das größte CO2-Reduktionsprojekt in Österreich – das ist wirklich ein Meilenstein. Und für unsere Zukunft spielt die derzeitige Brisanz der Dekarbonisierung eine Rolle, das Thema gewinnt an Bedeutung. Speziell in Europa ist bahnbrechend, was im Moment passiert. Wichtig ist die Unterstützung aus der Politik, die großen Schritte sind ohne Subvention nicht möglich. Viele der Unternehmen stehen unter dem Wettbewerbsdruck in einer freien Marktwirtschaft. Und gerade in Europa kämpfen wir schon mit vielen Bedingungen, die das erschweren.
Eva Tatschl-Unterberger: Für Netzbetreiber hat sich die Welt zuletzt gravierend geändert, heuer ist Österreich das erste Mal seit Jahrzehnten ein Nettostrom-Exportland, aufgrund von wesentlich mehr erneuerbaren Energien. Wir haben wesentliche Erfolge, etwa dass wir riesige Mengen an Photovoltaik und Windenergie mittlerweile schon gut integriert haben – das sind sehr positive Schritte. Für die Zukunft brauchen wir weiterhin die Verbraucher. Für uns ist jede Wärmegruppe wichtig, die installiert wird, weil diese Infrastruktur, die wir bauen, dann auch genutzt werden muss. Außerdem steht die Technologie zur Verfügung, Wasserstoff über Pipelines nach Österreich zu bringen und in Österreich zu verteilen – das ist der Schlüssel für einen Standort mit kompetitiven Wasserstoffpreisen. Und wir brauchen Investitionssicherheit, damit wir wirklich den ersten Schritt setzen können. Wir wollen diese Energiewende nicht mittendrin abbrechen.
# Ein Wort – ein Gedanke
Klimakrise_
- Karl Purkarthofer: Net Zero 2050
- Eva Tatschl-Unterberger: Bekommen wir in den Griff, wenn wir die richtigen Schritte setzen.
Innovation_
- Karl Purkarthofer: Liegt in unserem Herzblut
- Eva Tatschl-Unterberger: Ist entscheidend, vor allem, um auch Netze besser zu nutzen.
Netzausbau_
- Karl Purkarthofer: Müssen wir weiter forcieren
- Eva Tatschl-Unterberger: Absolut unumgänglich und muss vorangetrieben werden
Wasserstoff_
- Karl Purkarthofer: Verfügbarkeit wird noch dauern
- Eva Tatschl-Unterberger: Eine der Energiequellen der Zukunft, und je schneller wir sie zu einem guten Preis in Österreich verfügbar haben, desto besser.
Zukunft_
- Karl Purkarthofer: Es ist unser aller Zukunft
- Eva Tatschl-Unterberger: Die gestalten wir gemeinsam. Und ich hoffe, wir geben alles dafür, dass sie super wird.
INFOBOX
Primetals Technologies Austria
Die Stahlindustrie steht an der Schwelle zu einem nachhaltigen Wandel. Das Ziel ist klar: Die Stahlerzeugung soll sich von einem energieintensiven Prozess zu einem Vorzeigeprojekt für grüne Innovation entwickeln. Zum ersten Mal versammel Primetals Technologies führende Köpfe aus verschiedenen Sektoren, um den Übergang zu einer grünen Stahlerzeugung und einer schrottoptimierten Kreislaufwirtschaft zu meistern.
Redaktion
- David Bauer
Fotos
Primetals