Page 11 - 2024_02_DIEMACHER
P. 11
wo Arbeit fast der ganze Lebenssinn war. Heute geln und wenig Vertrauen schenken.“ Dennoch:
sind wir eine Generation, die Wert auf eine gewis- Sie liebt Wien. Bis zu ihrem neunten Lebens-
se Balance legt“, sagt Ilan. Durch eben diese Un- jahr wuchs sie in Tel Aviv auf, später zog sie mit
terschiede könnten sie voneinander lernen, sich ihrer Familie nach Deutschland und noch später
ergänzen und gemeinsam nach vorne kommen. gemeinsam mit ihrem Mann, dem berühmten
Pantomime- und Körperspracheexperten Samy
Molcho, nach Wien.
2 „Genauso wie mein Vater habe ich mir auch
NICHT in der EIGENEN bewusst Wien als Zuhause ausgesucht“, erzählt
Nuriel. Egal, wo auf der Welt er ist – als begna-
SAUCE baden deter Fotograf ist er viel unterwegs –, er komme
immer wieder gerne nach Hause. „Städte wie
London oder New York sind sehr, sehr schnellle-
Gegrilltes Artischockenherz mit Labneh, Kapern- big und vielleicht manchmal zu innovativ. Wien
dressing, Sumac und Pinienkernen. Oder doch ist da etwas gemütlicher, kann vielleicht nicht
lieber Jerusalem Chicken mit Hummus, Jerusa- so schnell mit Veränderungen umgehen.“ Aber
lemgewürz, Amba und Tomatensalsa? Es ist na- darin sehe er einen Vorteil: Wenn sich alles zu
türlich noch zu früh für ein Mittagessen. Theore- schnell verändert wie in anderen Weltstädten,
tisch. Aber praktisch haben wir sofort Appetit, als dann seien die Menschen ständig auf der Suche
wir in die Lunchkarte schielen. Wie schade wäre nach etwas Neuem – und das führe irgendwann
das denn, wenn jedes Gericht aus derselben Sauce zu Identitätsproblemen. „In Wien wissen viele
bestünde? Eben. Und deshalb sagt Haya: „Ich Leute, wer sie sind, und sind damit auch zufrie-
merke immer wieder, wie die Leute hier gerne den und selbstbewusst. Das finde ich eine wun-
in ihrer eigenen Sauce baden und schwer davon derschöne Balance: Dieses Neue zu suchen,
loskommen, sondern lieber als Erstes mal nör- aber auch zu schätzen, was ich habe.“
11