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Das Diversity-Puzzle von
Martin Reichetseder
#1 Liebe #5 Mut
#2 Integrität
#4 Neugier #3 Respekt
gesellschaftlichen Wahrnehmung leider in eine Menschen zu schützen. „Überspitzt formuliert:
negative Richtung entwickelt. Und zwar deshalb, Bei Diversity-Themen geht es nicht darum, ob
weil es vielen Leuten ein Gefühl vermittelt, gar sich jemand als Autotür identifiziert und ich so-
nicht mehr zu wissen, was man eigentlich sagen fort diskriminierend bin, wenn ich nicht frage, ob
darf.“ An dieser Stelle sieht der Experte auch die es sich um eine grüne oder rote Autotür handelt.“
Betroffenen in der Pflicht. „Ein derart sensibles Das gehe völlig an der Grundidee vorbei. „Es geht
Thema lebt davon, es mit Vernunft anzugehen darum, ein gesamtgesellschaftliches Umdenken
und Menschen bewusst mitzunehmen.“ Nur wie? zu fördern und von der Einzigartigkeit des Men-
Wer betroffen ist, solle selbst einmal versuchen schen zu profitieren.“
nachzufragen, wie ein bestimmter Kommentar
oder eine diskriminierende Äußerung denn zu
verstehen sei. „Ohne zu verurteilen, sondern in Mythos 3
einer Art und Weise, die Bewusstsein schafft. Ich DEI und Compliance
selbst richte mich stets nach meinem moralischen
Kompass und dennoch wird es auch mir nicht ge- sind geschäftsschädigend.
lingen, in meinem Leben niemals jemanden dis-
kriminiert zu haben. Und genau in diesen Mo-
menten wünsche ich mir, dass mich die betroffene Bevor sich die wirtschaftliche Frage überhaupt
Person auf meine Grenzüberschreitung aufmerk- stellt, steht ein Aspekt gar nicht erst zur Debatte.
sam macht und ich diese reflektieren kann.“ „Unternehmen müssen verstehen, dass Grund-
und Menschenrechte nicht verhandelbar sind.“
Nicht alle Menschen trauen sich das, dessen ist er Wem also die Motivation fehlt, der sollte sich
sich bewusst. „Und selbst wenn, steht noch nicht zumindest der Rechtslage bewusst werden. Eine
fest, dass ihr Gegenüber es genauso reflektiert wie intrinsische Motivation, dieses Thema voranzu-
ich. Deshalb ist es die Aufgabe aller und insbe- treiben, sei aber aus mehreren Gründen wün-
sondere von jenen, die Compliance-Officer sind, schenswert. „Denn wer – mit Verlaub – eine
derartige Missstände anzusprechen, dazu beizu- Scheißkultur im Unternehmen pflegt, leidet
tragen, sie zu beseitigen, oder zumindest darauf nachweislich unter stärkerer Fluktuation. Das
hinzuweisen.“ Compliance bedeute nicht nur Re- treibt die internen Kosten für Recruitingprozesse,
geltreue, sondern Beziehungsmanagement. „Ri- Stellenausschreibungen und verlorengegangenes
siken entstehen durch Menschen und diese sind Know-how in die Höhe – Zeit ist Geld. Das zwei-
wiederum auch Teil der Lösung. Während die te Risiko ist, dass durch Mundpropaganda und
Regeltreue lediglich das Ziel dieser Prozesse ist.“ im Zeitalter von Bewertungsportalen wie Kununu
die Topbewerberinnen plötzlich ausbleiben.“
Mythos 2 Zudem seien Reputationsschäden per se nicht
Diversität ist eine in Geld zu bemessen. Insbesondere dann, wenn
man in den Lieferketten der eigenen Partnerun-
Modeerscheinung. ternehmen – Stichwort Lieferkettengesetz – für
diese selbst plötzlich zum Risiko wird. „Kultur-
management und Compliance verhindern solche
„Die Menschenrechte existieren nicht erst, seit- Risiken proaktiv und schaffen Freiräume, die eine
dem die Themen Nachhaltigkeit und Lieferket- Riesenchance bieten. Und nicht zuletzt sollte es
tensorgfalt aufgekommen sind. Diese stellen die im Interesse jedes Unternehmens liegen, ein in-
Würde des Menschen ins Zentrum und bewusst tegres Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle
unter Schutz.“ Und darum gehe es im Kern: Die ordentlich verhalten und anständig miteinander
seit jeher zu akzeptierende Einzigartigkeit von umgehen.“_
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