Page 64 - DIE MACHER_Winter_2023
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Nah am Menschen –
                                                                              das ist mein Ansatz,
                                                                                 wie man heute
                                                                                Werbung machen
                                                                                     muss.
       Business as usual                                                         Christian Schmid

                                                                                  Leitung Beratung,
       hat ausgedient                                                                  upart





          Tatort: Linz/Urfahr. Der Fall, den es zu klären gilt: Wie Marken Menschen etwas bedeuten, in einer Welt,
          die gefühlt immer mehr aus den Fugen gerät. Im „Verhör“: Christian Schmid, der seit Frühsommer die
          Beratungsgeschicke der etablierten Werbeagentur upart leitet.

                           „Nächster Halt, next stop: Wildbergstraße“, hallt   es sind bei weitem nicht alle positiv. „Waren es
                           es durch  die Linzer  Bim.  Noch bevor  sich  die   2003 noch rund 6.000 Botschaften, die täglich
                           Türen zum Ausstieg ö nen, ist an der Glasfront   auf uns Menschen einprasselten, reden wir heute
                           des Gebäudes gegenüber schon ein markanter   von etwa 15.000 Stück.“ In der Informations-
                           weißer Schriftzug zu erkennen: upart. Am Ein-   ut über den Klimawandel, die Energiekrise, den
                           gang kurz die „Klngl“ gedrückt, warten drinnen   Krieg und die In ation belegen Statistiken, mit
                           ein modernes Büro und eine Siebträgermaschine,   welcher  zunehmenden  Skepsis  und  Sorge  Men-
                           die schwarzen Glücksbringer zubereitet. Und na-  schen in die Zukunft blicken – und das durch alle
                           türlich: Christian Schmid, der bereits in einem   Generationen und Altersgruppen. Authentizität
                           Besprechungsraum auf uns wartet. „Wann wird   kann für Marken und Unternehmen in dieser
                           es endlich wieder normal?“ Nach der Begrüßung   Flut zur „Rettungsboje“ werden. „Doch in vielen
                           sticht diese Frage direkt ins Auge. Sie leuchtet   Fällen neigen sie leider dazu, ihre Kund:innen als
                           förmlich aus dem Bildschirm an der Wand her-  wandelnde Geldbörsen zu sehen.“
                           aus und regt so nicht nur uns zum Nachdenken
                           an, sondern veranlasst auch ihn, die Hintergrün-  „Marken und ihre Kundenbeziehungen
                           de zu erzählen. „Vor etwas mehr als zehn Jahren   leben nicht auf einer Insel“
                           hatten wir als Gesellschaft die Auswirkungen der
                           Finanzkrise zu verdauen. Ich war damals beru ich   „Dieser berühmte Leitsatz ‚Der Kunde steht im
                           in Wien tätig und wir fragten uns: Wann wird   Mittelpunkt‘ ist ein schöner Gedanke. Aber tri t
                           unsere Welt wieder normal, also im Sinne von be-  er auch wirklich zu? Oder brauchen wir einen
                           rechenbar und weniger Druck? Heute wissen wir,   Wandel weg vom Kundenfokus hin zu einem ‚Le-
                           es wurde nie wieder normal.“               bensfokus‘?“ Fest steht, dass Konsument:innen
                                                                      noch nie eine so große Auswahl an Marken zur
                           Was der langjährige Branchenkenner damit zum   Verfügung stand, die sie beliebig und bei Bedarf
                           Ausdruck bringen möchte, ist klar: die Multi-Kri-  wechseln können. Schmid legt den Unternehmen
                           se verändert sich ständig und nimmt in ihrer In-  daher nahe, sich selbst lebenszentriert zu über-
                           tensität zu. „Das Gefühl zu haben, dass das ja gar   denken. Sich für all jenes zu interessieren, was das
                           nicht mehr aufhört, macht was mit den Leuten.“   Leben ihrer Kund:innen beein usst. „Wie kön-
        Text  David Bauer
        Foto  Robert Maybach  Wir werden mit Nachrichten bombardiert und   nen wir hier als Marke nützlich sein, wo können

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