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Jeder, der jetzt



                           aufspringt, hat


                           einen Startvorteil





                              Der LKW der Zukunft fährt nicht mit Diesel. So weit, so klar. Doch ob man
                              elektrisch, synthetisch oder doch mit Wasserstoff fährt, wird noch heftig
                              diskutiert. Dabei gibt es im Wettrennen in Sachen Wirtschaftlichkeit und
                              Energieeffizienz schon jetzt eine klare Nummer eins: den E-LKW. Ein
                              Zoom-Meeting mit dem Verkehrsexperten Michael Schwendinger vom VCÖ.

                           Was muss getan werden, um den              sicherungen und mehr berücksichtigt. Das Ergebnis
                           Güterverkehr zu optimieren?                war überraschend klar. E-LKW sind insgesamt kos-
                           Michael Schwendinger: Vermeiden, verlagern, ver-  tengünstiger als Diesel-LKW. Auch ohne staatliche
                           bessern. Der verträglichste Kilometer ist der nicht   Förderungen und Zuschüsse! Wenn man auf Was-
                           gefahrene Kilometer. Bei Langstrecken ist das Ver-  serstoff setzt, muss man mit Mehrkosten rechnen
                           lagern des Güterverkehrs auf die Schiene ein Muss.   und auch in Zukunft auf Subventionen hoffen.
                           Und da sich nicht alles auf die Schiene verlagern
                           lässt, braucht es Verbesserungen auf der Straße.  Mit dem Wissen um all diese Daten – warum
                                                                      setzt man dann nicht generell auf „Elektro“?
                           Basierend auf Ihren bisherigen Recherchen –   Michael Schwendinger: In vielen Köpfen steht
                           welche Antriebstechnik favorisieren Sie?   noch das Thema Reichweite an erster Stelle. Man
                           Michael Schwendinger: Meine Sicht ist hier sehr   liest vom wasserstoffbetriebenen LKW mit 1.000
                           unemotional: Ich orientiere mich an der Effizienz   Kilometern Reichweite. Und mag sich als Unter-
                           und Klimaverträglichkeit. Die alles entscheidende   nehmer damit sicherer fühlen. Nur braucht man
                           Ressource unserer Zeit ist die erneuerbare Energie.   diese in der Regel nicht. Zwei Zahlen dazu: Die
                           Alle  Wirtschaftsbereiche brauchen Energie, was   LKW im Regionalverkehr fahren in Europa im
                           bedeutet, dass man überall die effizienteste Ener-  Schnitt 290 Kilometer pro Tag, Sattelschlepper pro
                           gieform einsetzen muss. Und im Straßengüterver-  Tag  530  Kilometer.  Zudem  müssen  LKW-Len-
                           kehr ist das der elektrische Strom.        ker:innen  laut  EU-Gesetz  nach  360  Kilometern
                                                                      eine Pause von 45 Minuten einlegen. In dieser Zeit
                           Strom, Wasserstoff, E-Fuels – können       kann man den LKW gut zwischenladen.
                           Sie hier Vergleichszahlen nennen?
                           Michael Schwendinger: Gehen wir vom Gesamt-  Welche Entwicklungen beobachten Sie in
                           wirkungsgrad aus, dann beträgt dieser beim     der Automobilbranche und der Wirtschaft?
                           E-LKW ungefähr 77 Prozent, beim  Wasserstoff    Michael Schwendinger: LKW-Hersteller wie Daim-
                           33 Prozent und bei E-Fuels 23 Prozent. E-LKW   ler, Scania, MAN oder Volvo setzen verstärkt auf
                           sind somit zwei- bis dreimal so effizient wie Was-  Elektro-LKW. Sie rechnen bis 2030 mit einem
                           serstoff-LKW. Ich bin nicht  generell gegen Was-  Anteil von 40 bis 60 Prozent Elektro-LKW. Zur
                           serstoff.  Es gibt einige  Nischenbereiche, wo  eine   Wirtschaft ein Beispiel: REWE hat gemeinsam mit
                           sehr hohe Energiedichte benötigt wird. Wo extrem   dem Fraunhofer Institut eine interessante Mach-
                           große Lasten bewegt werden müssen, wie im Bau-  barkeitsstudie für das Filialnetz in Berlin und Um-
                           wesen oder „offroad“ etwa. Das Gros der Arbeits-  land durchgeführt. Können 200 LKW mit mehr
                           leistung kann aber mit dem E-Antrieb abgedeckt   als zwölf Tonnen Gewicht die über 500 Filialen
                           werden. Was übrigens kein spezieller Wunsch von   auch elektrisch beliefern? Das Ergebnis: Mit den
                           mir, sondern durch Forschung belegt ist.   heute verfügbaren Modellen könnten jetzt schon
                                                                      alle Filialen in Berlin sowie 50 Prozent des Um-
                           Der E-LKW ist effizienter – und auch       landes beliefert werden.
                           wirtschaftlicher?
                           Michael Schwendinger: Das in Berlin ansässige Inter-  Wer nachrechnet, sieht die Machbarkeit
        Text   Sonja       national Council on Clean Transportation (ICCT)   von E-Mobilität – auch im Güterverkehr.
           Wöhrenschimmel-  hat in einer Studie die Gesamtwirtschaftlichkeit von   Michael Schwendinger:  Ja, genau. Meine Emp-
           Wahl
                           LKW  durchgerechnet,  dabei  Parameter  wie  An-  fehlung an die Unternehmen ist, sich den kon-
        Foto   Gettyimages,
           VCOE / Rita Newman  schaffungskosten, Verbrauch, Treibstoffkosten, Ver-  kreten Bedarf anzusehen. In vielen Fällen wird es

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