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Wachstumspläne sind in
            dieser neuen Ära fehl am Platz?             Was bedeuten diese Veränderungen für die CEOs,
            Philipp Maderthaner: Es wird natürlich immer   die eine kleinere Stammmannschaft führen?
            noch Betriebe geben, die wachsen. Das steht völ-  Philipp Maderthaner: Das Endresultat wird extrem
            lig außer Frage. In vielen Fällen werden wir aber   positiv sein. Du wirst als CEO flexibler, agiler sein
            andere Formen von Wachstum erleben. Wachstum   und nur mehr mit den Leuten frei zusammenar-
            haben wir bisher sehr im Äußeren definiert. In Zu-  beiten, mit denen du wirklich zusammenarbeiten
            kunft wird es stärker um inneres Wachstum gehen.     willst. Dein Stammteam wird extrem von  Ver-
            Wie können wir über uns hinauswachsen und Ex-  trauen und Miteinander geprägt sein, aber eben
            zellenz erreichen? Deshalb gilt es, eine kritische   auch von einer fairen Verteilung des Kuchens. Am
            Überprüfung zu machen, was weiterhin Nutzen   Ende werden gute Dinge entstehen, aber der Weg
            stiftet. Was braucht es wirklich und was dient auf   dorthin kann wirklich tough werden, weil ein paar
            der anderen Seite vielleicht nur unserem Ego? Für   Unternehmen an der Überforderung zugrunde ge-
            das, was dem Ego dient, wird es keinen Platz mehr   hen werden. Einige Unternehmer:innen werden
            geben. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir alles   sich überlegen, ob es ihnen das wert ist – oder ob
            auf Wachstum aufbauen, wird vorbei sein.    sie allein besser dran sind.

            Um diese Exzellenz zu erreichen, braucht es   Also die Frage: Tu ich mir das noch an?
            exzellente Leistungsträger:innen. Doch wie   Philipp Maderthaner: Ja, genau. Am Ende muss
            kann die ein Unternehmen halten, wenn deren   es auch eine Erfüllung sein, für beide Seiten. Nie-
            Forderungen immer höher werden?             mand will sich heute noch vor den Karren spannen
            Philipp Maderthaner: Diese Frage beschäftigt mich   lassen. Die Bereitschaft, die eigenen Bedürfnisse
            selbst als Unternehmer extrem. Wir sind jetzt am   dem Kollektiv unterzuordnen, verschwindet. Die-
            Ende eines Zyklus von fast 400 Jahren Industria-  se Entwicklung mit dem Druck auf die Unterneh-
            lisierung. Dieser hat mit der absoluten Unterwer-  men zur Entwicklung einer Unternehmenskultur,
            fung von Arbeiter:innen begonnen. Das Pendel   wo die Menschen Sinn und Erfüllung finden, ist
            schlägt jetzt in die andere Richtung – der Druck   positiv. Sie muss schlussendlich aber für alle – eben
            kommt von den Arbeitnehmer:innen, jetzt sollen   auch für die  Unternehmer:innen, die das Risiko
            sich die Arbeitgeber:innen unterwerfen. Gefordert   tragen – positiv sein. Wir kommen aus einem
            werden 32 Stunden, Vier-Tage-Woche bei vollem
            Lohnausgleich, hundertprozentige Flexibilität und
            eine immer länger werdende Liste an Ansprüchen.
            Natürlich funktioniert es so in dem Ausmaß nicht.
            Da wird es einen großen Clash geben. Aktuell   Warum erreichen wir unsere Ziele nicht?
            wünschen sich die Mitarbeiter:innen die Freiheit
            des selbstständigen Seins mit der Sicherheit des an-  5 Gründe von Philipp Maderthaner
            gestellten Seins. Diese Gleichung wird nicht funk-
            tionieren, die werden die Unternehmen nicht lö-  1 / Zweifel. Die Leute glauben immer, dass die Sicherheit zuerst
            sen können. Weil die wenigsten Unternehmen die   da sein muss und sie dann den ersten Schritt machen. Es ist
            Rentabilität haben, um das schlucken zu können.   aber genau umgekehrt. Man macht den ersten Schritt und damit
                                                           kommt die Sicherheit.
            Wohin wird das schließlich führen?             2 / Zu kurzfristig. Die meisten setzen ihre Ziele zu kurzfristig.
            Philipp  Maderthaner: Die Unternehmen werden   Wer in diesem Jahr eine Million verdienen möchte, findet das
            sich einerseits in ihren Stammmannschaften ver-  im Jänner noch lustig, im Juli nicht mehr so und im November
            kleinern. Innerhalb dieser Stammteams, die aus   kommt der Frust. Das löst immensen Druck aus.
            Leistungsträger:innen bestehen, wird es eine an-
            dere Verteilung von Ertrag geben. Darüber hinaus   3 / Komfort. Viele trauen sich nicht, Ziele zu setzen, die sie
            wird man mit weiteren Leistungsträger:innen zu-  wirklich hinter dem Ofen hervorholen. Daher: Raus aus der
            sammenarbeiten,  die  aber  selbstständig  sind  und   Komfortzone, große Ziele setzen und fragen: Warum will ich das?
            auf eigene Rechnung arbeiten. Der Rest der Aufga-  Ist es wirklich mein Ziel?
            ben wird durch Künstliche Intelligenz weggekürzt.   4 / Fremdbestimmte Ziele. Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere
            Mittelmaß wird von KI ersetzt. Wenn jemand im   Ziele fremdbestimmt sind, ist ziemlich groß. Was denken wohl die
            Job nur Durchschnitt abliefert, riskiert er in Zu-  anderen darüber? Welches Ansehen ist damit verbunden? Wie
            kunft,  dass  die  KI  das  übernimmt  und  erledigt.   machen die das auf Social Media? Die erste Frage, die wir uns
            Diesen ganz großen Shift werden wir in den nächs-  beim Suchen nach den eigenen Zielen stellen sollten, ist: Was übt
            ten zehn, zwanzig Jahren erleben. Man darf sich   wirklich Anziehungskraft auf mich aus?
            nicht täuschen lassen, weil es aktuell so aussieht,
            als ob die große Unterwerfung der Unternehmen   5 / Zu hoher Preis. Wenn das Ziel in keiner Relation zum
            bevorstünde. Aber es wird in einem sehr partner-  Aufwand steht, dann werden wir die Kraft und die Konsequenz,
            schaftlichen Zusammenspiel von Leistungsträ-   die es braucht, um es zu erreichen, nicht aufbringen.
            ger:innen und Unternehmen münden.


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