Page 124 - DIE MACHER_Sommer 2022_Druck_converted
P. 124

Smart, mobil


       und digital





          So sind sie, die Patient:innen 2.0. Sie wollen bei der Gesundheitsversorgung
          größtmöglichen Komfort und Service, Videosprechstunden und jederzeit abrufbare
          Gesundheitsdaten inklusive. Und auch bei den künftigen OP-Methoden wird es einige
          Veränderungen geben, wie uns Chirurg Tobias Gotterbarm vom Kepler Klinikum verrät.


                           Es zwickt in der Bauchgegend, der Hals schmerzt   Für den Patienten 2.0 ist eine Versorgung geprägt
                           oder man spürt beim Abtasten des Körpers etwas Un-  durch Komfort und Service von großer Bedeutung.
                           gewöhnliches – noch bevor ein:e Mediziner:in aufge-  Auf einen Termin zu warten oder längere Anfahrtszei-
                           sucht wird, stellen viele Menschen bereits erste Ver-  ten in Kauf zu nehmen, ist da schon fast ein No-Go.
                           mutungen an, worum es sich denn handeln könnte.
                           Rasch wird das Handy gezückt und gleich mal bei   Videosprechstunde
                           „Dr. Google“ nachgefragt. Aus diesem Grund er-  auch vor der OP
                           freuen sich Symptom-Checker-Apps wie Ada-Health
                           oder Babylon Health immer größerer Beliebtheit. Die   Auch Videosprechstunden mit dem Arzt oder der
                           Folge: Die Patient:innen haben bereits vor dem ei-  Ärztin erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
                           gentlichen Arztbesuch einen Anhaltspunkt für mög-  Ist das künftig auch im  Vorfeld einer Operation
                           liche  Erkrankungen.  Tobias  Gotterbarm,  Vorstand   möglich? Chirurg Gotterbarm sagt dazu: „Digitale
                           des Kepler-Universitätsklinikums für Orthopädie   Sprechstunden und Sprechstunden per Telemedizin
                           und Traumatologie, kennt dieses Phänomen nur zu   sind bereits in vielen Bereichen möglich und werden
                           gut. Ihm bereitet diese Vorgehensweise jedoch etwas   auch schon praktiziert – dies hat sich in Pandemie-
                           Kopfzerbrechen. „Viele Patient:innen informieren   zeiten als hilfreiches Tool erwiesen. Aufklärungsge-
                           sich bereits vorab im Internet über ihr Krankheits-  spräche über mögliche Komplikationen und Risiken
                           bild und die möglichen Therapieoptionen. Natürlich   sowie Operationsinhalte und -verfahren könnten
                           ist es von Vorteil, wenn Patient:innen über mögliche   über Filmdokumente persönlich den Patient:innen
                           Therapiealternativen und über das Krankheitsbild   übermittelt werden. Dies ersetzt selbstverständlich
                           vorinformiert in die Sprechstunde kommen. Jedoch   nicht die komplette ärztliche Aufklärung, kann je-
                           stehen diese Informationen oft ungefiltert und unge-  doch bereits viele Fragen im Vorfeld beantworten.“
                           prüft im Netz, was zu Verwirrung, Sorge und starken   Vor Corona teils undenkbar, werden nun auch Re-
                           Ängsten führen kann“, so der Facharzt.     zepte für Medikamente des täglichen Bedarfs, wie
                                                                      das benötigte Insulin bei Diabeteserkrankten, oft
                           Die Patient:innen von morgen, auch bekannt als Pa-  nach Anfrage per Mail an die Apotheken weiterge-
                           tient:innen 2.0, sind smart und mobil. Die Boomer-  leitet. Allein schon dieses Beispiel verdeutlicht, dass
                           Generation  (Jahrgang  1945–1965)  vertraut  in  der   die digitale  Kompetenz von Ärzt:innen zukünftig
                           Regel auf DEN EINEN Arzt oder DIE EINE Ärz-  immer stärker in den Vordergrund rücken wird. Das
                           tin. Eine Ortsgebundenheit sowie oft auch längere   Verhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen
                           Wartezeiten in einem überfüllten Aufenthaltsraum   wandelt  sich  ebenfalls.  Dieser Wandel  wird  durch
                           werden in Kauf genommen. Ganz anders ist die Si-  das veränderte Eigenverständnis des Menschen und
        Text  Michael Prieschl  tuation bei der Generation Z (1997–2009): Sie will   seine Nutzung von digitalen Angeboten getrieben.
        Foto   Gettyimages;    eine Gesundheitsversorgung, die sich nahtlos in den   Immer mehr Menschen nutzen Fitnesstracker, über-
          Gotterbarm: KUK;
          Pastl: Surgebright  Alltag, egal ob beruflich oder privat, integrieren lässt.   wachen so ihre Vitalwerte beinahe stündlich. Sind

                           124
   119   120   121   122   123   124   125   126   127   128   129