Page 63 - DIE MACHER_2022_1
P. 63
CHIRURG:IN SITZT AN EINER KONSOLE
Matthias Biebl, Leiter der Abteilung für Allge-
mein- und Viszeralchirurgie bei den Elisabethinen
Linz, hat schon rund 100 Mal mit dem Roboter
operiert und kann sich ein Arbeiten ohne Da Vinci
gar nicht mehr vorstellen.
Während des Eingriffs stehen Chirurg:innen
nicht direkt bei den Patient:innen, sondern sit-
zen an einer Konsole, die neben dem 3D-Moni-
tor die Steuerungen für die Instrumente enthält.
Am OP-Tisch ist dann ein weiterer menschlicher
Kollege oder eine Kollegin tätig, der oder die die
Roboterarme überwacht und den Robo-Doc mit
Instrumenten bestückt. Welche Bewegungen Da
Vinci ausführt, bestimmt immer noch der Chi-
rurg:innen. Wie würde Experte Biebl das Arbeiten
mit seinem etwas anderen Kollegen beschreiben?
„Im Wesentlichen funktioniert die Steuerung wie
eine Servolenkung für minimalinvasives Ope-
rieren mit einer millimetergenau steuerbaren 3 Fragen an …
3D-Optik. Der Roboter übersetzt die Steuerbewe-
gungen der Chirurg:innen in extrem präzise Bewe-
gungen der Instrumente“, so der Mediziner. Tilman Königswieser, ärztlicher Leiter des
Salzkammergut-Klinikums in Vöcklabruck
3.400 ROBOTEROPERATIONEN
PRO TAG 01 Wie hat sich unser Gesundheitssystem
seit Corona gewandelt?
Laut der Herstellerfirma finden weltweit bereits TILMAN KÖNIGSWIESER: Erstmalig seit wahrscheinlich
3.400 Roboteroperationen pro Tag statt. Auch der Jahrzehnten ist in Österreich die durchschnittliche
Experte von den Linzer Elisabethinen merkt bei Lebenserwartung gesunken. Das bestätigt die Dramatik
den Patient:innen einen Anstieg bei der Nachfrage der Pandemie. Es hat sich gezeigt, wie selbst ein sehr gut
nach einer Operation mit dem etwas anderen Dok- ausgestattetes Gesundheitssystem durch eine einzige Krankheit
tor: „Vor einigen Jahren war bei vielen die Skepsis an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht wird. Ein sehr
noch etwas größer. Doch mittlerweile werde ich oft gutes Gesundheitssystem ist mit entsprechenden Ressourcen
aktiv auf eine Operation mit dem Da-Vinci-Sys- auszustatten. Dies trifft insbesondere auf gut ausgebildetes
tem angesprochen. Diese Technik wird inzwischen Personal zu. Wir haben gesehen, dass es Grenzen der
schon in fast allen chirurgischen Bereichen, vor Versorgungsmöglichkeit gibt. Und wie wichtig Prävention ist.
allem aber in der Urologie, der Viszeral- und Tho-
raxchirurgie, der Gynäkologie, der Herzchirurgie 02 Welche Veränderungen erwarten uns noch?
sowie im HNO-Bereich eingesetzt.“ TILMAN KÖNIGSWIESER: Die letzten Monate haben gezeigt, dass
man Reduktionen im Gesundheitssystem nur sehr gut überlegt
Laut dem Topmediziner wird sich schon in naher andenken darf. Viele Einsparungen vergangener Jahre sind
Zukunft einiges in dem Sektor der roboterunter- jetzt zu hinterfragen – beispielsweise die vormalige Kritik an der
stützten Operationen bewegen. „Neben einer wei- hohen Anzahl an Intensivbetten in Österreich. Trotz unseres gut
teren Verbesserung der Instrumente werden die ausgestatteten intramuralen Systems werden wir noch Monate
kommenden Neuerungen im Bereich der hoch- benötigen, um die Vielzahl an verschobenen diagnostischen und
technologischen Medizin, wie integrierte Bild- therapeutischen Eingriffen aufholen zu können. Das wird viel
gebung, Augmented Reality oder Unterstützung Einsatz unsererseits in den Krankenhäusern und viele Ressourcen,
durch Künstliche Intelligenz, mit hoher Wahr- bereitgestellt durch die Gesellschaft, benötigt.
scheinlichkeit an robotische Systeme an- und auf-
bauen.“ 03 Wie stark beeinflusst Corona die
Künstliche Intelligenz in der Medizin?
Ob bei den rasanten Fortschritten Ärzt:innen be- TILMAN KÖNIGSWIESER: Künstliche Intelligenz hängt sehr von
fürchten müssten, von Robotern ganz ersetzt zu Daten, deren Qualität und Vernetzung ab. Hier haben wir noch
werden? „Das glaube ich nicht“, entgegnet Biebl, einen verantwortungsvollen und zugleich offenen Umgang zu
merkt aber an: „Wir werden mit hoher Wahr- lernen und zu leben. Sonst bleiben wir auf Daten sitzen, ohne
scheinlichkeit in Zukunft neben robotischen Assis- den Nutzen aus ihnen zu erfahren. Grundlage ist hier immer der
tenzsystemen auch eine Entwicklung in Richtung verantwortungsvolle Umgang. So sehr mich die Möglichkeiten der
automatisierte Teilschritte innerhalb einer Opera- Künstlichen Intelligenz faszinieren, beschäftige ich mich doch eher
tion sehen.“_ mit soziologischen Fragestellungen.
63