Page 11 - KarriereMACHER_Herbst 2021
P. 11

Junge Frauen
                                                                                       brauchen mehr
            Flexible Arbeitszeiten haben durch
            Corona einen Aufschwung erlebt. Wie                                     weibliche Vorbilder
            stehen Sie zu Teilzeitführungskräften?                                  im Top-Management
            Inwiefern würde das Diversität fördern?                                  von Unternehmen.
                                                                                         Julia Leeb
            LAHOFER_Flexible Arbeitszeitmodelle funk-
            tionieren auch für Führungskräfte – und müssen                               Partnerin, BDO
            funktionieren! Sonst würde das bedeuten: Man
            muss sich zwischen Familie und Beruf entscheiden.
            Und genau diese Entscheidung wollen wir nicht.
            In meinem Team sind auch Teilzeitführungskräfte.

            Dafür braucht es einfach eine klare De nition der
            Führungsrolle, die sich auf die Stärken der Füh-
            rungskraft fokussiert. Niemand muss rund um die
            Uhr erreichbar sein, auch nicht Führungskräfte –
            wichtig sind klare Rollen und eine gute Kommu-
            nikation.

            LEEB_Absolut! Und Frauen, die familienbedingt                                 Was mir in der
            Teilzeitführungskräfte sind, wollen das selten auf
            Dauer bleiben. Die meisten möchten zu gegebener                            öffentlichen Debatte
            Zeit wieder als Vollzeitführungskraft zurückkom-                             komplett fehlt, ist
            men. Für Unternehmen ist das eine große Chan-                               die Diskussion über
            ce ein Führungskräfte-Ökosystem zu etablieren:                              den Mehrwert, den
            Wenn man die Lücke, die sich durch die Teilzeit                              Diversität bringt.
            ergibt, mit einer Nachwuchsführungskraft be-
            setzt, kann die nächste Generation mit der Hilfe                               Petra Lahofer
                                                                                             Director und
            einer Mentorin in diese Rolle hineinwachsen. Eine                               Prokuristin, BDO
            Win-win-win-Situation: Die Teilzeitführungskraft
            behält ihre Position, der Nachwuchs kann sich
            weiterentwickeln und das Unternehmen sorgt für
            regelmäßigen Führungskräfte-Nachschub aus den
            eigenen Reihen. Gleichzeitig würden so auch im-
            mer mehr junge Frauen in Führungspositionen
            kommen.
                                                        chen. Eines ist dabei immer gleich: Als weibliche
            Welche Aspekte werden abseits               Führungskraft kommt man viel öfter in die Situa-
            von Quoten zu wenig diskutiert?             tion, seine Position rechtfertigen zu müssen. Darü-
                                                        ber wird viel zu wenig gesprochen. Die Forderung

            LAHOFER_Was mir in der ö entlichen Debatte   nach mehr weiblichen Führungskräften ruft zwar

            komplett fehlt, ist die Diskussion über den Mehr-  in der ö entlichen Diskussion Großteils Einigkeit
            wert, den Diversität bringt. Die Tatsache, dass wir   auf allen Seiten hervor – dies täuscht aber nur we-
            so unterschiedlich sind, bringt uns bei BDO enorm   nig darüber hinweg, dass Anspruch und Wirklich-

            weiter. Meistens geht es im ö entlichen Diskurs   keit oft weit entfernt voneinander liegen. Konkrete
            um Quoten und Vorstandspositionen. Am Ende   Unternehmensziele im Bereich Diversität sind ge-
            des Tages braucht es aber einen Gesellschaftswan-  fordert. Dann gilt es, diese Ziele auch zu erreichen.
            del. Und den erreicht man nicht rein aufgrund der
            Quotendiskussion. Die Debatte müsste viel stärker   Wie sprechen wir in zehn Jahren über
            inhaltlich geführt werden – mit wirtschaftlichen   das Thema Diversität? Welche Fragen
            Argumenten. Und davon gibt es ausreichend!  werde ich Ihnen dann nicht mehr stellen?

            LEEB_Es braucht de nitiv einen gesellschaftlichen   LAHOFER_Ob sich Frauen in Führungspositio-
            Wandel. Deshalb glaube ich auch, dass wir eingrei-  nen stärker behaupten müssen. Beziehungsweise

            fende Maßnahmen wie die Frauenquote brauchen.   ist die Antwort dann ho entlich: nicht mehr.
            Das Rollenbild der Spitzenmanagerin gibt es ja
            kaum. In vielen Unternehmen gibt es kein einziges   LEEB_Dass wir gar nicht mehr darüber sprechen
            weibliches Vorbild für junge Frauen, an dem sie   werden, weil Diversität selbstverständlich gewor-

            sich orientieren können. Dieses Rollenbild einmal   den ist, kann ich mir nicht vorstellen. Ich ho e
            zu verankern, ist sehr wichtig.             aber, dass wir dann auf eine Entwicklung zurück-
                                                        schauen können, die durch bestimmte Maßnah-
            Und abseits davon?                          men zu einer Bewusstseinsbildung für die Vorteile
                                                        von Diversität geführt hat. Und vielleicht werden
            LEEB_Ich bin Mitglied in vielen Frauennetzwer-  wir uns zumindest über genderspezi sche Gehalts-

            ken, wo wir sehr oft über unsere Erfahrungen spre-  unterschiede nicht mehr unterhalten müssen._

                                                                                                                 11
   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16