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FuckUp Night

                                                                                    Die globale Veranstaltungsreihe, bei der
                                                                                 gescheiterte Unternehmer von ihren größten Fehlern
       Wir haben uns früh mit                                                  erzählen, hat ihren Ursprung 2012 in Mexiko. Es geht dabei
                                                                               um einen zwanglosen Umgang mit dem Scheitern, einige
       Experten für Insolvenzrecht        So eine umfangreiche                FuckUp Nights werden mittlerweile weltweit veranstaltet –
                                                                               Speaker erzählen und das Publikum kann Fragen stellen.
       zusammengesetzt – wenn der         Ausbildung wie als Gründer          Kunstuni Linz, JKU Linz und Tabakfabrik Linz holen das
       Worst-Case eintritt, muss man      bekommt man sonst                       23. März, 19:00 Uhr, findet die erste
                                                                                Konzept nun auch in die Landeshauptstadt. Am
       wissen, was zu tun ist.            nirgends.                                FuckUp Night in der Tabakfabrik
                                                                                         in Linz statt.
       FRANZ SEHER                        ALEXANDER BARTH
       ehemaliger Gründer,                ehemaliger Gründer,
       Supermarkt Holis in Linz           Start-up Intelligent Motion



       Umfangreiche Ausbildung            Großes Interesse hatten auch andere Ar-  habe  Tausende  Sachen  gelernt“,  so
                                          beitgeber an den ehemaligen Gründern.   Lukesch.  Man  könne  vorweisen,  etwas
       Zum  finanziellen  Schaden  sagt  Seher:   Die drei sind in das Angestelltenverhält-  von  null  weg  aufgebaut  zu  haben,  er-
      „Der Schaden ist nicht so groß, aber es   nis gegangen. Der Holis-Gründer arbei-  klärt  Barth,  dass  man  einen  Einblick
       braucht schon ein, zwei Jahre bis man   tet im Management von einem Möbelun-  in  alle  Bereiche  eines  Unternehmens
       gewisse  Dinge  wieder  in  Ordnung  ge-  ternehmen und Lukesch ist seit Februar   bekommt.  „So  eine  umfangreiche  Aus-
       bracht  hat  und  völlig  neu  durchstarten   Teil der SolarisBank in Berlin. Barth lei-  bildung wie als Gründer bekommt man
       kann.“ Bei Alexander Barth habe die Ge-  tet den Bereich Automotion bei der Lin-  sonst nirgends.“ Und dementsprechend
       sellschaft  zwar  einiges  an  finanziellen   zer Industrieelektronikfirma Schmachtl.   will niemand von den Dreien ausschlie-
       Schaden  abgefedert,  aber  keine  Bank   Als  Gründe  für  den  problemlosen  Ein-  ßen, nicht doch irgendwann wieder den
       gebe  einem  Jungunternehmer  ein  Fir-  stieg  in  den  neuen  Job  nennen  sie  die   Schritt  in  das  Unternehmertum  zu  wa-
       menkonto, ohne dass er als Bürge privat   Erfahrungen als Jungunternehmer. „Ich   gen – mit all seinen Höhen und Tiefen._
       haftet  und  daher  müsse  er  auch  noch
       einige  Schulden  abstottern.  Daher  sol-
       le man sich auch auf politischer Ebene
       Gedanken  machen,  wie  man  für  Jung-
       unternehmer  –  zumindest  in  der  Start-  AUS DEM SCHEITERN LERNEN
       phase  –  das  finanzielle  Risiko  im  Falle
       des  Scheiterns  ein  wenig  reduzieren   Wenn Menschen rmit einer bitteren Niederlage – wie etwa der Insolvenz
       können.  Dazu  Wirtschafts-Landesrat   des eigenen Unternehmens – richtig umgehen, könnten sie davon lernen
       Strugl:  „Wenn  ein  Unternehmen  schei-  und gestärkt daraus hervorgehen, so Eduard Brandstätter, Professor an
       tert, soll ein zu strenges Insolvenzrecht   der Abteilung für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der JKU Linz. Am
       nicht zur völligen Vernichtung der Exis-  Anfang sei eine Frustrationsphase normal, die man auch anerkennen sollte.
       tenz  des  Gründers  führen.“  Man  solle   „Aber dann sollte die gescheiterte Person möglichst rational die Ursachen
       darüber  nachdenken,  ob  das  Insolven-  des Scheiterns analysieren“, erklärt Brandstätter, dass in dieser Phase vor
       zrecht  möglicherweise  zu  streng  und   allem Selbstkritik und Lernbereitschaft gefragt sind. Menschen wachsen an
       damit  kontraproduktiv  für  Unterneh-  Herausforderungen. Ein großer Fehler ist, anderen die Schuld am eigenen
       mensgründungen ist. Im neuen Arbeits-  Scheitern zu geben: „Der erste Instinkt ist oft ein Abwehrverhalten, aber
       programm  2017/18  der  Bundesregie-  damit kommt man nicht weiter.“ Keiner will scheitern, jeder ist lieber erfolg-
       rung befindet sich der Punkt „Modernes   reich. Menschen mit einem stabilen Selbstvertrauen würden Niederlagen
       Insolvenzrecht – Kultur des Scheiterns“.   wesentlich besser ertragen. Überhaupt zeige sich beim Scheitern die Reife
       Ziel ist der Beschluss einer Novelle der   einer Persönlichkeit, so Brandstätter.
       Privatinsolvenz  im  März  des  heurigen
      Jahres. Die Grenzziehung zu Fällen von   Beim Vergleich der Nationalitäten nach deren Risikobereitschaft liegen die
       Kridadelikten  ist  laut  Strugl  aber  nicht   Österreicher im Mittelfeld: „Wir sind nicht extrem risikobereit, aber auch nicht
       ganz einfach. Daher plädiert Strugl auch   extrem risikoscheu.“ Griechenland liegt an letzter Stelle bei der Risikobereit-
       für  steuerliche  Anreize,  wenn  jemand   schaft, während man in Ländern wie Singapur, Hong Kong und den USA relativ
       privates  Kapital  in  Start-ups  investiert.   risikobereit ist. Bei der häufig gehörten Forderung, wonach sich Österreich
       Strugl möchte von Landesseite im Laufe   die Kultur des Scheiterns von den USA abschauen sollte, rät Brandstätter zur
       des heurigen Jahres auch ein Matching   Vorsicht: „Bei der Übertragung der Risikobereitschaft einer Kultur auf eine
       zwischen  Investoren  und  Start-ups  or-  andere wäre ich vorsichtig.“ Österreich habe eine andere wirtschaftliche Tradi-
       ganisieren.  Es  gebe  in  Oberösterreich   tion und auch eine ganz andere Geschichte, ist mit zwei Weltkriegen ordentlich
       etwa eine Reihe von international aufge-  gescheitert – damit seien die USA nicht vergleichbar.
       stellten Unternehmen, die Interesse an
       Start-ups hätten.


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