Page 24 - DIE MACHER_Winter_2023
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Der Abfluss von industrieller
                                                        Wertschöpfung aus Europa

                                                        ist im Gange.












                                                     von links: Markus Achleitner, Joachim Haindl-Grutsch und Werner Pamminger
                                                     4 Fragen …



                                                     … an Joachim Haindl-Grutsch,
                                                     Geschäftsführer, Industriellenvereinigung Oberösterreich


       erzählt Werner Pamminger, Geschäftsführer der   Wenn der Industriestandort Europa immer mehr ins Hintertreffen
       oberösterreichischen Agentur. „Diese Zusam-   gegenüber Wettbewerbern wie China und Nordamerika gerät,
       menarbeit wollen wir noch weiter ausbauen und   wie sollte industriepolitisch gegengesteuert werden?
       intensivieren, vor allem in den Bereichen, in de-  Joachim Haindl-Grutsch: Europa muss sich wieder seiner Stärken
       nen es um die Transformation der Industrie und   besinnen – industrielle Produktionsprozesse hochautomatisiert und
       Wirtschaft geht, zum Beispiel bei Wassersto  als   digitalisiert mit qualifizierten Mitarbeiter:innen umsetzen. Dazu braucht

       Träger von Energie für industrielle Prozesse.“ Die   es aber wettbewerbsfähige Energiekosten und weniger Regulierung
                                                     und Bürokratie aus Brüssel. Europa vertreibt seine Stärkefelder wie die
       Einblicke in Katalonien haben ihm einmal mehr   Fahrzeug-, Maschinenbau-, Stahl- oder Chemieindustrie aus Europa,
       bestätigt, dass „Innovation der Kerntreiber für   anstatt diese bei grüner Transformation zu unterstützen.
       wirtschaftliche Entwicklung ist“.
                                                     China und Co. schlafen nicht. Im Gegenteil.
       Fünf Hebel für den Aufstieg                   Wann ist der Zug für Europa und damit auch
                                                     für Oberösterreich abgefahren?
       Für Innovation braucht es natürlich vor allem ei-  Joachim Haindl-Grutsch: Der Abfluss von industrieller Wertschöpfung

       nes: Forschung.  omas Bründl sieht als einen von   aus Europa ist im Gange. Europa hat in der Vergangenheit bereits
       fünf Hebeln für Oberösterreichs Aufstieg zu den   sehr viele Branchen verloren – wie etwa die Textilindustrie, die
       industriellen Spitzenregionen Europas: „den weite-  Mobiltelefonie oder auch die Chipindustrie. Wenn man Stärkefelder
                                                     einmal verloren hat, ist das Zurückholen besonders schwierig. Wenn
       ren Ausbau der Forschungsaktivitäten, die Forcie-  wir die Automobilindustrie und den Maschinenbau auch noch verlieren,
       rung von Zukunftstechnologien und eine Digita-  wird Europa zum Museum, wo reiche Amerikaner:innen und Asiat:innen
       lisierungso ensive.“ Die anderen vier Hebel seien   sich im Urlaub die alte Welt anschauen – das aber bei deutlich

       erstens: gesunde Finanzen auf regionaler und na-  geringerem Wohlstandsniveau bei uns im Vergleich zu den heutigen
       tionaler Ebene. Zweitens: die Stärkung der Grund-  Standards.
       kompetenzen in der schulischen Bildung sowie die
       Steigerung der Anzahl von MINT-Absolvent:in-  Bei all den Eindrücken und Gesprächen in Katalonien,
       nen. Drittens: Verbesserungen in der Daten-, Ver-  was hat Sie am meisten überrascht?
       kehrs- und Energieinfrastruktur, und viertens: der   Joachim Haindl-Grutsch: Das hohe Ansehen von Oberösterreich
       Abbau von Bürokratie und Überregulierung.     als starker Industriestandort und die große Bereitschaft zur
                                                     Zusammenarbeit. Besonders eindrucksvoll war der Supercomputer
                                                     in einer Kirche. Das Setting macht einem bewusst, worum es in der
       Am dritten Tag strahlt die Sonne nicht mehr ganz   Zukunft geht – Künstliche Intelligenz richtig einzusetzen.
       so stark. Auch manche Schattenseiten haben sich
       gezeigt – am frühen Morgen schläft ein Obdach-  Welche konkreten Ideen und Anreize kann sich die IV OÖ von dieser
       loser vor einem Geschäftseingang, er ist keine 20.   Reise mitnehmen, die dem Ziel Oberösterreichs, bis 2030 zu den
       Während in Oberösterreich die Arbeitslosigkeit   Top 10 der industriellen Spitzenregionen Europas aufzuschließen,
       bei knapp vier Prozent liegt, sind es in Katalonien   förderlich sind?
       fast dreizehn, bei den Jugendlichen gar über 26   Joachim Haindl-Grutsch: Die ganze Welt versucht, die Industrie zurück
       Prozent. Lernen können beide Regionen vonei-  ins Land zu holen – Amerika, Asien und auch Länder in Europa wie
       nander. Und das ist  omas Bründls Erkenntnis   Spanien. Österreich und Deutschland haben es in den letzten zwei

                                                     Jahrzehnten geschafft, die Industriequote hochzuhalten – ganz
       vom Austausch mit starken Regionen: „Der eine   besonders gut ist uns das in Oberösterreich gelungen. Diese Stärke
       ist bei dem Bereich weiter, der andere bei einem   dürfen wir nicht verlieren, weil uns die Kosten davonlaufen. Es braucht
       anderen. Zu managen haben wir dieselben Chal-  daher eine neue Industriestrategie, für Österreich wie auch für
       lenges.“_                                     Oberösterreich.


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